Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen unbebautem und bebautem Grundstück als Gegenstand des Erwerbsvorgangs

 

Leitsatz (amtlich)

Der objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen Grundstückskaufvertrag und zur Errichtung des Gebäudes abgeschlossenen Verträgen, der als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück bestimmt (vgl. Senat in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, und in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590), wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß zeitlich zuerst der Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird. Maßgebend ist, daß der Erwerber in diesem Zeitpunkt nicht mehr frei in seiner Entscheidung über das "Ob" und das "Wie" der Bebauung war. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben. Nicht ausreichend ist es, daß der an der Bebauung Interessierte, der Einfluß auf den Grundstücksveräußerer hat, aus vorhergehenden Gesprächen nur den Eindruck gewonnen hat, der Erwerber werde die zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge wohl nur mit ihm abschließen. Kein faktischer Zwang im Sinn der Rechtsprechung geht von den Vorgegebenheiten des Bebauungsplans bzw. der Bebauung im Nachbarbereich aus; denn solchen Vorgaben ist jeder bauwillige Grundstückserwerber unterworfen.

 

Orientierungssatz

1. Parallelentscheidung: BFH, 6.3.1991, II R 59/87, NV.

2. Parallelentscheidung: BFH, 6.3.1991, II R 134/87, NV.

3. Parallelentscheidung: BFH, 6.3.1991, II R 135/87, NV.

4. Parallelentscheidung: BFH, 6.3.1991, II R 136/87, NV.

5. Parallelentscheidung: BFH, 6.3.1991, II R 137/87, NV.

 

Normenkette

GrEStG ND § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG ND § 10 Abs. 1; GrEStG ND § 11 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Gegenstand der X Grundstücksgesellschaft mbH in Z (X) war der Erwerb, die Erschließung, die Bebauung und die Vermarktung eines Areals in …. Am Stammkapital dieser Gesellschaft waren die B-GmbH in Z mit 95 v.H. und C.B. mit 5 v.H. beteiligt; sie hatten diese Anteile per 1.Juli 1982 von der Y-GmbH übernommen. Geschäftsführer der X war A.B. Dieser war auch Geschäftsführer der B-GmbH, eines Planungsbüros und Generalunternehmens. An der B-GmbH waren A.B. zu 60 v.H., dessen Ehefrau zu 30 v.H. und dessen Bruder C.B. zu 10 v.H. beteiligt.

Die X besaß in Z, …, ein größeres unbebautes Grundstück, für das im Bebauungsplan eine Bebauung mit Gartenhofhäusern vorgesehen war. Bereits im Zusammenhang mit den Übernahmeverhandlungen bezüglich der Anteile an der X entwickelte die B-GmbH Pläne, wonach das Gelände mit Zweifamilien-Reihenhäusern bebaut werden sollte, die ihr bauplanerisch und bautechnisch besonders attraktiv erschienen, z.B. mit Grasdächern, Einbau von Zisternen usw. Sie betrieb ferner die Erschließung des Geländes, so daß die X alsbald einen Erschließungsvertrag mit der Stadt Z abschließen konnte. Sodann plante die B-GmbH einen Haustyp komplett in allen Einzelheiten durch und stellte für diesen Bauantrag bezüglich mehrerer noch aufzuteilender Grundstücke des Baugeländes.

Im November und Dezember 1982 bot die B-GmbH das gesamte Baugelände … ―aufgeteilt in 32 Einzelgrundstücke― zum Verkauf durch die X an und erbot sich gleichzeitig, darauf jeweils Atriumhäuser mit Einliegerwohnung zu errichten. Sie versandte dazu an Interessenten gleichlautende Angebotsschreiben, in denen sie auf die für die Anschaffung von bebautem Grundbesitz günstige Konjunkturlage und die großen Steuervorteile hinwies und "über unser Angebot aus einer Hand" die erforderlichen Unterlagen (z.B. Gesamtkostenermittlung, Wirtschaftlichkeitsberechnung, komplette Bauzeichnungen und Baubeschreibung, Lageplan sowie Entwürfe des Grundstückskaufvertrags, des Baubetreuungsvertrags und des Generalunternehmervertrags) übersandte. Sie sicherte u.a. "erstklassige Bauausführung zu einem sehr günstigen absoluten Festpreis" zu. Es hieß dann weiter: "Eigentümerin der zur Bebauung anstehenden Grundstücke ist die X Grundstücksgesellschaft mbH in …. Grundsätzlich ist es auch möglich, daß Sie nur das Grundstück erwerben und das vorgeschlagene oder ein anderes Atriumhaus mit Architekten und Unternehmern Ihrer Wahl errichten."

Ende November (in einem Fall) und im Dezember 1982 verkaufte die X ―jeweils vertreten durch A.B.― sämtliche Grundstücke an insgesamt 16 Erwerber (Ehegatten als ein Erwerber gerechnet), vier der Erwerber kauften mehrere Grundstücke. In den Grundstückskaufverträgen übernahmen die Käufer u.a. die Verpflichtung, sich der vom Verkäufer bzw. seinen Rechtsnachfolgern geplanten Nachbarbebauung mit Atriumhäusern anzupassen, erforderlich werdende gemeinsame Baumaßnahmen (z.B. Anlage der Einstellplätze mit Zufahrten, des Mülleimersammelplatzes usw.) gemeinsam mit den Nachbarn zu planen, durchzuführen und anteilig zu bezahlen. Für den Fall, daß keine Einigung zu erzielen war, unterwarfen sie sich einer vom Verkäufer vorzuschlagenden Regelung. Ferner heißt es in den notariell beurkundeten Grundstückskaufverträgen:

"Im übrigen geht der Käufer durch diesen Grundstückskaufvertrag gegenüber dem Verkäufer oder einem Dritten keinerlei weitere Verpflichtungen über den Bau seines Hauses ein. Es ist ihm freigestellt, das Bauvorhaben mit Architekten und Unternehmern seiner Wahl durchzuführen. Beide Parteien erklären ausdrücklich, daß hinsichtlich der Vergabe von Architektur- bzw. Bauleistungen keine Nebenabreden getroffen wurden."

Sämtliche Käufer erteilten in den Grundstückskaufverträgen A.B. umfassende unwiderrufliche Vollmacht bezüglich der Bestellung von Dienstbarkeiten und Reallasten zugunsten benachbarter Grundstücke bzw. von Trägern der Versorgungs-, Abwässer- und Fernsprechleitungen. Ferner bevollmächtigten sie ihn nicht nur die Eintragung usw. von Grundpfandrechten zu bewilligen und zu beantragen, soweit dies für die Durchführung des käuferseits geplanten Bauvorhabens notwendig wird, sondern auch den Käufer hinsichtlich der Forderungen der Gläubiger persönlich zu verpflichten und ihn der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen zu unterwerfen. Die unwiderruflich erteilten Vollmachten sollten nicht durch den Tod des Vollmachtgebers, jedoch mit der Fertigstellung des käuferseits geplanten Bauvorhabens erlöschen. Alle Käufer beantragten Grunderwerbsteuerbefreiung im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues.

Zum Teil unter demselben Datum wie die Grundstückskaufverträge, zum Teil einen oder einige Tage später, schlossen alle Käufer (in zwei Fällen, in denen Ehegatten hälftiges Grundstücksmiteigentum erworben hatten, nur der Ehemann) mit der B-GmbH je einen Generalübernehmer- und einen Baubetreuungsvertrag. Vertragsgegenstand des Generalübernehmervertrages war die schlüsselfertige Erstellung der für die gekauften Grundstücke geplanten Atriumhäuser mit Garagen und Einstellplätzen zu einem Festpreis. In bestimmtem Umfang waren Sonderwünsche möglich, die gesondert abzurechnen waren. Im Baubetreuungsvertrag verpflichtete sich die B-GmbH, für die Errichtung der Atriumhäuser im Neubaugebiet … die wirtschaftliche Vorbereitung, Durchführung und Abwicklung einschließlich der Mitwirkung bei der dinglichen Sicherstellung der erforderlichen Finanzierungsmittel sowie die Vermittlung der Zwischen- und Endfinanzierung zu übernehmen. Das Gesamtbauvorhaben sollte zu bestimmten Gesamtkosten (sog. kalkulierter Gesamtaufwand) durchgeführt werden, die u.a. neben den reinen Baukosten auch den Grundstückskaufpreis einschließlich der Erschließungskosten, die Finanzierungs- und die Baubetreuungskosten umfaßten. Für die Baubetreuung sollten der B-GmbH 4 v.H. aus diesem Betrag zustehen, für die Finanzierungsvermittlung 2 v.H. der zwischen- bzw. endfinanzierten Beträge.

Das Finanzamt (FA) betrachtete jeweils den Grundstückskaufvertrag, den Generalübernehmervertrag sowie den Baubetreuungsvertrag als auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks (bebauter Grundstücke) gerichtetes einheitliches Vertragswerk und setzte unter Ablehnung des Befreiungsantrags Grunderwerbsteuer fest, wobei es vom kalkulierten Gesamtaufwand als Bemessungsgrundlage ausging.

Im Streitfall schlossen die Klägerin und ihr Ehemann den Grundstückskaufvertrag (als Erwerber je zur ideellen Hälfte) am 1.Dezember 1982 und den Generalübernehmer- sowie den Baubetreuungsvertrag am 6.Dezember 1982 ab.

Mit Bescheid vom 17.März 1983 setzte das FA gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 124 726,40 DM fest (*= 7 v.H. aus der Hälfte des kalkulierten Gesamtaufwands). Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrt die Klägerin, die Grunderwerbsteuer unter Gewährung der beantragten Befreiung auf 0 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat nach Beweiserhebung durch Einvernahme sowie ergänzende schriftliche Auskunft des Zeugen A.B. der Klage teilweise stattgegeben und die Grunderwerbsteuer unter Abweisung der Klage im übrigen auf 114 361,20 DM herabgesetzt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, zutreffend sei das FA davon ausgegangen, daß die für die Grundstücke im Baugebiet … abgeschlossenen Verträge, nämlich der Grundstückskaufvertrag, der Generalübernehmer- sowie der Baubetreuungsvertrag als ein auf den Erwerb bebauter Grundstücke gerichtetes Vertragswerk anzusehen seien. Das FA habe jedoch zu Unrecht der Steuerberechnung die kalkulierten Gesamtkosten zugrunde gelegt. Als Gegenleistung sei nur der Betrag anzusehen, der für den Erwerb des bebauten Grundstücks aufzuwenden war, also der Kaufpreis für Grund und Boden, die Erschließungskosten, die Baukosten entsprechend dem Generalübernehmervertrag und die reinen Baubetreuungskosten, nicht aber die übrigen im kalkulierten Gesamtaufwand enthaltenen Kosten für Finanzierung, Finanzierungsvermittlung usw.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Grunderwerbsteuer auf 0 DM, hilfsweise auf 2 v.H. der vom FG festgestellten Bemessungsgrundlage festzusetzen. Zur Begründung des Hilfsantrags wird ausgeführt, die Rechtsmeinung des FG impliziere zwangsläufig, daß der Grundstückskaufvertrag unvollständig beurkundet und damit nichtig sei. Dieser Mangel sei erst durch die Eigentumsumschreibung im Grundbuch im Jahre 1984, also im Geltungsbereich des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 geheilt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG unzutreffend davon ausgegangen ist, der Grundstückskaufvertrag sowie der Generalübernehmer- und der Baubetreuungsvertrag bildeten ein einheitliches Vertragswerk, weil die Verträge miteinander "stehen und fallen" sollten. Das ergebe sich aus der Interessenlage der durch den Zeugen A.B. verkörperten Anbieterseite sowie der Käufer. Denn die Anbieterseite sei an der Veräußerung bebauter Grundstücke interessiert gewesen und das Interesse der Käufer habe in der Anschaffung bebauter Grundstücke zum günstigen Festpreis mit der Aussicht auf erhebliche Steuervorteile bestanden, zumal sie bei der Bebauung in eigener Regie in die Vorgaben des Bebauungsplanes und der zum Teil schon erteilten Baugenehmigungen derart eingezwängt gewesen wären, daß ihnen dabei Baukosten entstanden wären, die das Angebot der B-GmbH weit überstiegen hätten. Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Der Grunderwerbsteuer unterlag nach § 1 Abs.1 Nr.1 des durch das GrEStG 1983 abgelösten Niedersächsischen GrEStG jedes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet. Ob ein Grundstück in bebautem oder in unbebautem Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorganges gemacht wird, ist nicht davon abhängig, in welchem Zustand sich das Grundstück im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befindet, sondern in welchem Zustand das Grundstück erworben werden soll.

a) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs als einheitlicher Vertrag (gerichtet auf einen einheitlichen Leistungsgegenstand) anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 4.Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609). Die zivilrechtliche Verbindung der Verträge kann sich daraus ergeben, daß sie in ihrer Gültigkeit ausdrücklich voneinander abhängig gemacht werden (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 24.November 1983 VII ZR 34/83, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1984, 869). Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen besteht aber auch dann, wenn die Vereinbarungen ―ohne eine solche ausdrückliche Bestandsverknüpfung― nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander "stehen und fallen" sollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitliches Vertragswerk vorliegen (vgl. BGH in NJW 1984, 869; für die Grunderwerbsteuer vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 23.Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741, und vom 21.Dezember 1982 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330).

b) Im Streitfall hat das FG nicht festgestellt, daß die X nur solche Personen als Käufer angenommen hat, die mit der B-GmbH vertragliche Beziehungen eingegangen waren. Der Grundstückskaufvertrag einerseits und der Generalübernehmervertrag sowie der Baubetreuungsvertrag andererseits waren vielmehr in ihrem Bestand rechtlich nicht miteinander verknüpft. Den Interessenten wurde bereits im Angebot freigestellt, ob sie alle angebotenen Verträge annehmen oder nur das Grundstück erwerben und die Architekten- sowie die Bauleistungen von Personen ihrer Wahl erbringen lassen wollen. Aus den Bekundungen des Zeugen A.B. ergibt sich, er habe bei Eintritt in die Vertragsverhandlungen den Interessenten immer gesagt, daß sie in ihrer Entscheidung frei bleiben, von wem sie das Haus errichten lassen wollen. Dem entsprechen die übereinstimmenden Parteierklärungen in dem notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag, daß der Käufer weder dem Verkäufer noch Dritten gegenüber Verpflichtungen über den Bau des Hauses eingehe und daß es ihm freigestellt sei, das Bauvorhaben mit Architekten und Unternehmern seiner Wahl durchzuführen, sowie die weitere ausdrückliche Erklärung der Vertragsparteien, daß hinsichtlich der Vergabe von Architektur- bzw. Bauleistungen keine Nebenabreden getroffen worden seien.

Eine rechtliche Bestandsverknüpfung zwischen Grundstückskaufvertrag und den Verträgen zur Errichtung des Gebäudes läßt sich entgegen der Auffassung des FG weder aus der auf wirtschaftlichen Gründen beruhenden beiderseitigen Interessenlage noch daraus herleiten, daß letztlich alle Grundstückskäufer die erworbenen Grundstücke durch die B-GmbH bebauen ließen. Auch der Umstand, daß die Käufer die Bebauung durch die B-GmbH ―möglicherweise― aus Kostengründen wählten, kann nicht dazu führen, daß der Grundstückskaufvertrag und die Verträge zur Bebauung des Grundstücks nach dem Parteiwillen miteinander "stehen und fallen" sollten.

2. Abgesehen vom Fall der rechtlichen Bestandsverknüpfung durch den Willen der Parteien ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand aber auch dann, wenn zwischen den Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom 29.Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, und vom 18.September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn dem Erwerber aufgrund einer ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und in BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609) ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur annehmen kann. Zur Begründung dieser Auslegung verweist der Senat auf seine Entscheidungen vom 18.Oktober 1989 II R 85/87 (BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181) und II R 143/87 (BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183) sowie vom 24.Januar 1990 II R 94/87 (BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590). Dabei können auf der Veräußererseite auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten (vgl. BFH-Urteil vom 23.Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741). Nicht ausschlaggebend ist, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, m.w.N.).

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen (vgl. die beispielgebenden Hinweise in den Entscheidungen des Senats in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, und in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183). So kann sich der enge sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen daraus ergeben, daß der Erwerber sich bereits vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages hinsichtlich der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge zivilrechtlich gebunden hat. Ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag wird nicht allein dadurch ausgeschlossen, daß der Abschluß der zur Errichtung des Gebäudes erforderlichen Verträge ―wie im Streitfall― zeitlich erst kurz nach dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages erfolgt. Der objektive enge sachliche Zusammenhang kann in solchen Fällen dann bestehen, wenn der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung nicht mehr frei war. Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG erlauben nicht eine Entscheidung darüber, ob ein derartiger objektiver enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Grundstückskäufer im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung, ob er die von der B-GmbH angebotenen Verträge annehmen wolle oder nicht, nicht mehr frei war. Sie ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).

Faktische Zwänge, die der Entscheidungsfreiheit des Grundstückskäufers in bezug auf die Annahme der von der B-GmbH angebotenen auf die Errichtung des Gebäudes bezogenen Verträge entgegenstünden, können weder in der Bindung des Bauvorhabens des Erwerbers an die Vorgaben des Bebauungsplans noch darin gesehen werden, daß das Bauvorhaben sich an die zum Teil schon genehmigten Bauvorhaben im Baugebiet anpassen mußte. Denn den Vorgaben des Bebauungsplanes muß sich jeder bauwillige Grundstückserwerber ebenso unterwerfen, wie seine Entscheidungsfreiheit dadurch beschnitten wird, daß er sich vorhandener Bebauung bzw. bereits erteilten Baugenehmigungen mit seinem Bauvorhaben schon aus städtebaulichen (und damit baurechtlichen) sowie ggf. aus nachbarrechtlichen Gründen anpassen muß. Ein die Entscheidungsfreiheit des Grundstückserwerbers beeinträchtigender Zwang kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß es aus Kostengründen wirtschaftlicher Vernunft entsprechen kann, sich bei der Errichtung eines Gebäudes eines bestimmten Unternehmens zu bedienen. Da der jeweilige Grundstückskäufer auch nicht bei der Errichtung des Gebäudes darauf angewiesen war, mit anderen Bauwilligen zusammenzuwirken, wie dies beispielsweise der Fall ist bei der Errichtung von Eigentumswohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG), bestand auch insofern kein faktischer Zwang zum Abschluß der Verträge mit der B-GmbH.

Das FG hat seine Entscheidung auch darauf gestützt, daß es im Hinblick auf die kurze Zeitspanne zwischen den Vertragsabschlüssen, der beiderseitigen Interessenlage sowie auf den tatsächlichen Geschehensablauf davon ausgehe, der Zeuge A.B. habe die Grundstückskaufverträge nur mit solchen Interessenten abgeschlossen, von denen er nach den Vertragsverhandlungen sicher sein konnte, daß sie auch das Haus von der B-GmbH errichten lassen würden. Eine solche einseitige subjektive Überzeugung genügt nicht, um die Entscheidungsfreiheit des Grundstückserwerbers über das "Ob" und das "Wie" der Bebauung im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages verneinen zu können. Das FG ist ―von seinem Standpunkt aus insofern zutreffend― aber nicht der Frage nachgegangen, ob aufgrund der Vertragsverhandlungen der Grundstückserwerber der B-GmbH im Wort gewesen ist dahingehend, daß er auch nachfolgend den Generalübernehmer- sowie den Baubetreuungsvertrag abschließen werde. Dafür sprechen zwar die vom FG angeführten Indizien, sie vermögen aber nicht die Feststellung zu ersetzen, aufgrund der Verhandlungen zwischen dem Zeugen A.B. und dem Grundstückskäufer habe im Einzelfall festgestanden, daß es auch zum Abschluß der Verträge mit der B-GmbH kommen werde. Diesbezügliche Feststellungen hat das FG noch zu treffen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63642

BFH/NV 1991, 37

BStBl II 1991, 532

BFHE 164, 117

BFHE 1992, 117

BB 1991, 1850

BB 1991, 1850-1852 (LT)

DB 1991, 1814 (T)

DStR 1991, 615 (KT)

HFR 1991, 424 (LT)

StE 1991, 175 (K)

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