Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltshöchstbetrag für Unterhaltsempfänger mit Wohnsitz im Ausland; vorübergehende Besuche im Inland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass sich der nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbare Unterhaltshöchstbetrag für Unterhaltsempfänger mit Wohnsitz im Ausland auch dann nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates richtet, wenn sich die Unterhaltsberechtigten vorübergehend zu Besuchen im Inland aufhalten.

2. Nicht nachgewiesene Aufwendungen anlässlich solcher Besuche können in Höhe des inländischen existenznotwendigen Bedarfs je Tag geschätzt werden.

 

Normenkette

EStG § 33a Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 30.05.2001; Aktenzeichen III 110/2000)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, deren Eltern in Polen wohnen. Die Kläger unterstützten ihre Eltern im Streitjahr 1998 mit jeweils 1 200 DM (zusammen 4 800 DM) und machten die Aufwendungen in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung für 1998 als außergewöhnliche Belastung nach § 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Ferner beantragten sie den Abzug weiterer Unterhaltsaufwendungen, die ihnen bei Besuchen ihrer Eltern in Deutschland entstanden sein sollen. Die Mutter der Klägerin hatte sich vom 10. bis 24. Mai und vom 15. bis 29. November 1998, ihr Vater vom 11. bis 17. September und vom 31. Oktober bis 14. November 1998, der Vater des Klägers vom 11. bis 17. September 1998 in Deutschland aufgehalten. Für die Besuche der Eltern der Klägerin in Deutschland machten die Kläger zusätzlich Unterhaltsleistungen in Höhe von 5 000 DM (1 000 DM je Aufenthaltsmonat), für die Eltern des Klägers zusätzlich Unterhaltsleistungen in Höhe von 1 000 DM sowie Medikamentenaufwendungen in Höhe von 111 DM geltend. Die Unterhaltsaufwendungen anlässlich der Besuche wurden nicht nachgewiesen. Die eigenen Einkünfte der Eltern der Klägerin wurden mit insgesamt 6 112 DM, die der Eltern des Klägers mit 9 012 DM angegeben. Der Bruder der Klägerin hatte angegeben, seine Eltern ebenfalls in Höhe von 3 000 DM unterstützt zu haben.

Im Einkommensteuerbescheid für 1998 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) zunächst lediglich 2 400 DM als abziehbare Aufwendungen nach § 33a EStG, die er im Einspruchsverfahren auf insgesamt 3 093 DM erhöhte. Die Medikamentenaufwendungen für den Vater in Höhe von 111 DM ließ das FA außer Ansatz, da es sich seiner Meinung nach um Aufwendungen i.S. des § 33 EStG handelte, die sich steuerlich wegen der anzusetzenden Eigenbelastung nicht auswirkten. Ferner ging es entsprechend der geltenden Ländergruppeneinteilung nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG davon aus, dass die nach § 33a Abs. 1 EStG abziehbaren Höchstbeträge entsprechend dem geminderten Unterhaltsbedarf der Eltern nur mit 1/3 anzusetzen seien, und zwar auch für die Besuchsaufenthalte der Eltern bei den Klägern. Es schätzte die Unterhaltsleistungen während der Besuche in Deutschland pro Person auf jeweils 334 DM je Monat (1/3 des monatlich abziehbaren Höchstbetrages). Die Unterhaltsaufwendungen für die Eltern der Kläger ließ das FA demgemäß unter Berücksichtigung der eigenen Einkünfte der Eltern und der Unterstützungsleistungen des Bruders der Klägerin insgesamt wie folgt zum Abzug zu:

Vater des Klägers:

0 DM

Mutter des Klägers:

1 200 DM

Eltern der Klägerin:

1 893 DM

Summe

3 093 DM

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage begehrten die Kläger die Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen in Höhe von insgesamt 6 845 DM. Für jeden Monat, in dem sich die Eltern in Deutschland aufgehalten hätten, gelte die Begrenzung der Ländergruppeneinteilung für Polen nicht. Als Aufwand seien jeweils 1 000 DM je Monat anzusetzen.

Die Klage hatte im Ergebnis keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, das FA sei zu Recht von einem abziehbaren Höchstbetrag von 4 000 DM ausgegangen. Für die Aufenthalte der Eltern in Deutschland sei aber je Tag ein geschätzter Unterhaltsbetrag von 33,33 DM anzusetzen (1/30 von 1 000 DM). Hieraus ergab sich eine Differenz von 24 DM zugunsten der Kläger, die jedoch nicht zu einer abweichenden Einkommensteuerfestsetzung führte.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger eine Verletzung des § 33a Abs. 1 EStG. Für die Zeit, in der sich die Eltern im Inland zu Besuch aufgehalten hätten, seien die nach § 33a EStG abziehbaren Beträge nicht nach der Ländergruppe Polen, sondern nach inländischen Maßstäben zu bemessen. Abziehbar nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG seien Unterhaltsleistungen nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates. Die Eltern hätten während ihres Aufenthalts im Inland bei den Klägern gewohnt, daher sei für diesen Zeitraum der Höchstbetrag des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblich. Die Ländergruppeneinteilung berücksichtige die unterschiedliche Kaufkraft in den jeweiligen Ländern. Daher sei es gerechtfertigt, die während der Aufenthalte der Eltern in Deutschland angefallenen Unterhaltsaufwendungen mit dem für das Inland geltenden anteiligen (1/12 je Monat) Höchstbetrag von 12 000 DM anzusetzen. Andernfalls würden die Kläger in einer mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbarenden Weise gegenüber Steuerpflichtigen, die gleich hohen Unterhalt an Angehörige mit Wohnsitz im Inland leisteten, benachteiligt. Es seien daher Unterhaltsleistungen in Höhe von insgesamt 6 845 DM zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1998 unter Änderung des Einkommensteuerbescheides auf 1 947 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Die Schätzung der durch den Aufenthalt der Eltern im Inland entstandenen Unterhaltsaufwendungen je Aufenthaltstag mit 33,33 DM pro Person ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 12 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Nach § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG sind für die Höhe des Abzugsbetrages die Verhältnisse des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person ―hier Polen― maßgeblich.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bietet die sog. Ländergruppeneinteilung (vgl. für das Streitjahr Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 27. Februar 1996, BStBl I 1996, 115) einen auch von den Steuergerichten zu beachtenden Maßstab, sofern sie im Einzelfall nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (Urteil des BFH vom 22. April 1994 III R 22/92, BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887, m.w.N.). Danach ist für in Polen ansässige Unterhaltsempfänger der Abzugsbetrag auf 1/3 des nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbaren Höchstbetrages zu beschränken (Gruppe 3 der Ländergruppeneinteilung).

2. Der Unterhaltshöchstbetrag ist für die Aufenthalte im Inland nicht nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG zu bemessen. § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG stellt bei nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen auf die Verhältnisse des Wohnsitzstaates der unterhaltenen Person ab. Die Eltern der Kläger hatten ihren Wohnsitz in Polen, so dass nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Höhe der abziehbaren Unterhaltsleistungen sich auf das in Polen notwendige und angemessene Maß beschränkt.

Die Eltern der Kläger haben durch die kurzen Aufenthalte im Inland hier keinen Wohnsitz i.S. von § 1 Abs. 1 EStG, § 8 der Abgabenordnung (AO 1977) begründet. Denn der Wohnungsbegriff i.S. von § 8 AO 1977 setzt neben zum dauerhaften Wohnen geeigneten Räumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass der Steuerpflichtige tatsächlich über sie verfügen kann und sie als Bleibe entweder ständig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinander folgender kurzer Zeiträume zu Besuchs- oder Erholungszwecken genügt nicht (BFH, Urteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279, m.w.N.).

3. Gegen diese Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bei Unterhaltsleistungen ins Ausland handelt es sich um eine jener Massenerscheinungen, die ein typisierendes und pauschalierendes Vorgehen von Gesetzgeber und Verwaltung rechtfertigen. Es verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Unterhaltsleistungen an Angehörige im Ausland mit geringeren Höchstbeträgen zum Abzug zuzulassen als Unterhaltsleistungen an Angehörige im Inland. Da die nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbaren Höchstbeträge an den Lebenshaltungskosten und insbesondere dem durchschnittlichen Existenzminimum im Inland ausgerichtet sind, ist die Kürzung der Höchstbeträge vernünftig und mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn die unterstützten Personen in Ländern mit wesentlich niedrigeren Lebenshaltungskosten wohnen, andernfalls würde unter Umständen ausländischen Unterhaltsberechtigten die steuerbegünstigte Lebensführung auf überdurchschnittlichem Standard, ja selbst eine gewisse Vermögensbildung ermöglicht (Bundesverfassungsgericht ―BVerfG―, Beschluss vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, Finanz-Rundschau ―FR― 1988, 675).

Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, die abziehbaren Unterhaltsleistungen bei kurzzeitigen Aufenthalten außerhalb des Wohnsitzstaates nach den Lebenshaltungskosten des jeweiligen Aufenthaltsortes zu bemessen (vgl. BFH, Urteil in BFHE 174, 523, BStBl II 1994, 887). Das Gesetz stellt auch im Übrigen beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen nicht auf den individuellen Bedarf des Unterhaltsempfängers, sondern typisierend auf den am Existenzminimum orientierten Bedarf ab, der Besuchsfahrten zu nahen Angehörigen grundsätzlich mitumfasst. Ebenso wenig wie der Gesetzgeber verpflichtet ist, bei Unterhaltszahlungen an Personen mit Wohnsitz im Inland den individuellen Besonderheiten der Unterhaltsempfänger Rechnung zu tragen, muss er den abziehbaren Höchstbetrag nach dem tatsächlichen, nur zeitweiligen Aufenthaltsort bemessen oder sonstige konkrete Lebensumstände der unterstützten Personen berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 78, 214, FR 1988, 675, unter B. II. 2. b). Der Gesetzgeber kann zudem typisierend unterstellen, dass Aufenthalte außerhalb des Wohnsitzstaates nicht zwangsläufig angefallen sind und daher nicht zum Existenzminimum des Unterhaltsempfängers rechnen.

4. Gemäß § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG schmälern eigene Einkünfte des Unterhaltsempfängers den Abzugsbetrag, denn soweit er über eigene Einkünfte verfügt, ist er nicht bedürftig. Die Einkünfte der Eltern sind zutreffend nach den Angaben der Kläger gegengerechnet worden. Die Anrechnung der Einkünfte wird von den Klägern auch nicht angegriffen, ebenso wenig die Berücksichtigung der Unterstützungsleistungen des Bruders der Klägerin.

5. Nicht zu beanstanden ist die Schätzung des FG, nach der den Klägern je Aufenthaltstag Aufwendungen in Höhe von 33 DM für den Unterhalt der Eltern entstanden sind. Die Kläger haben die tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen anlässlich der Besuche nicht nachgewiesen. Die Annahme des FA wie auch des FG, dass für den Aufenthalt der Eltern im Inland Aufwendungen für deren Unterhalt angefallen sind, ist dem Grunde nach zutreffend.

Das FA hat für jeden (angefangenen) Monat des Aufenthalts im Inland einen Betrag von 334 DM angesetzt. Das FG konnte den mutmaßlich aufgewendeten Unterhaltsbetrag abweichend hiervon auf 33,33 DM je Tag schätzen, denn ihm steht nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis zu (BFH, Urteil vom 21. Februar 1995 IX R 41/94, BFHE 177, 110, BStBl II 1995, 381, unter 3., m.w.N.).

Schätzungen gehören einschließlich der Wahl der zutreffenden Schätzmethode zu den Tatsachenfeststellungen. Der BFH kann Schätzungen grundsätzlich nur daraufhin überprüfen, ob die Schätzung als solche zulässig war und das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat (BFH, Urteil vom 27. März 1996 I R 3/95, BFHE 180, 155, BStBl II 1996, 470, unter II. A. 3., m.w.N.). Die Schätzung des FG ist weder methodisch noch im Ergebnis zu beanstanden. Das FG orientiert sich am existenziellen Grundbedarf einer Person im Inland mit eigenem Hausstand je Tag. Sachaufwendungen sind in sinngemäßer Anwendung des § 15 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen (BFH, Urteil vom 9. November 1993 IX R 74/90, BFH/NV 1994, 474). Da die Sach- und ggf. Geldaufwendungen anlässlich der Besuche im Inland im Einzelnen nicht bekannt sind, begegnet es keinen Bedenken, zum Zwecke der Schätzung auf die existenznotwendigen Aufwendungen je Tag zurückzugreifen, ungeachtet der Frage, ob auch eine geringere Schätzung möglich gewesen wäre, weil den Klägern lediglich Aufwendungen für die Verpflegung, nicht hingegen für Unterkunft oder Kleidung erwachsen sind.

Die von den Klägern beanspruchte Schätzung führt demgegenüber zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Die Kläger gehen davon aus, dass ―unabhängig von der Dauer des Aufenthaltes― für jeden angefangenen Monat ein Betrag von 1 000 DM anzusetzen sei. Erstrecke sich der Besuch über das Monatsende hinweg, seien zwei Monatsbeträge, demnach 2 000 DM, abzuziehen. Dementsprechend haben sie für den Aufenthalt des Vaters der Klägerin vom 31. Oktober bis 14. November 1998 2 000 DM geltend gemacht, weil sich der Vater auch an einem Tag im Oktober im Inland aufgehalten hat. Dies ist offenkundig unrichtig. Vielmehr ist der mutmaßliche Aufwand von der Dauer des Aufenthalts abhängig und nicht davon, ob er sich zufällig über das Monatsende auch in den nächsten Monat hinein erstreckt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 962774

BFH/NV 2003, 1261

BStBl II 2003, 714

BFHE 1974, 331

BFHE 2004, 331

BFHE 202, 331

BB 2003, 1830

DB 2003, 1938

DStRE 2003, 1089

HFR 2003, 977

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