Leitsatz (amtlich)

Die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Grundstückssondervermögen gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch, soweit sie Ertragsausgleichszahlungen enthalten.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1; KAGG § 21 Abs. 2, §§ 45-47

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber von ... Anteilen des Inländischen ... -Fonds, eines inländischen Grundstückssondervermögens i. S. der §§ 6, 26 f. des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) i. d. F. vom 14. Januar 1970 (BGBl I, 127; BStBl I 1970, 187). Im Laufe des Geschäftsjahres gab die den Fonds verwaltende Kapitalanlagegesellschaft neue Anteile an ... -Fonds aus. Der Ausgabepreis für einen Anteilschein entsprach dem Wert des Anteils am Sondervermögen zuzüglich des nach den Vertragsbedingungen zu zahlenden Aufschlags (§§ 26, 21 Abs. 2 KAGG). Bei der Ermittlung des Wertes des Sondervermögens wurden auch die seit der letzten Ausschüttung angewachsenen Erträge berücksichtigt. Der den Erträgen entsprechende Teil des Ausgabepreises (Ertragsausgleich) wurde dem Neuanleger gegenüber nicht gesondert in Rechnung gestellt. Die Fondsverwaltung hielt aber diese Beträge buchmäßig fest und schüttete sie gleichmäßig an alte und neue Anteilsinhaber mit ... DM je Anteil aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat bei der Veranlagung für das Streitjahr 1972 die Ansicht, daß auch dieser Teil der Ausschüttung gemäß § 45 KAGG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehöre. Er stützte sich dabei auf den im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) und den obersten Finanzbehörden der anderen Länder ergangenen Erlaß des Finanzministers des Landes Niedersachsen vom 27. Juni 1972 S 1980 a - 5 - 321 (Der Betrieb 1972 S. 1364 - DB 1972, 1364 -).

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 293 (EFG 1976, 293) veröffentlichten Entscheidung die Auffassung, nach dem Wortlaut des Gesetzes seien grundsätzlich alle Ausschüttungen steuerpflichtig, soweit sie nicht steuerbefreit seien. Deshalb gehörten auch Ertragsausgleiche regelmäßig zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.

Mit der wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Er vertritt die Ansicht, die steuerliche Behandlung des Ertragsausgleichs sei gesetzlich nicht geregelt. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß dieser Teil der Ausschüttung steuerpflichtig sei. Dies gelte um so mehr, als der Gesetzgeber mit dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften wichtige sozial- und wirtschaftspolitische Zwecke verfolgt habe, die nur erreicht werden könnten, wenn die steuerlichen Vorschriften diese Anlageform nicht behinderten. Aus diesem Grund habe sich der Gesetzgeber zum Grundsatz der Transparenz entschlossen. In konsequenter Durchführung dieses Grundsatzes müßten die Ausschüttungen von Ausgleichsbeträgen von der Einkommensteuer freigestellt werden. Wenn nämlich das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften infolge des Transparenzprinzips sogar die in einem Sondervermögen erzielten, zur Ausschüttung gekommenen Veräußerungsgewinne als einkommensteuerfreie Ausschüttungsteile erkläre, und zwar bei Wertpapieren gleichgültig, ob die Veräußerungsgewinne innerhalb oder außerhalb der Spekulationsfrist erzielt worden seien, so müßten erst recht andere Ausschüttungsteile, die weder aus Veräußerungsgewinnen noch aus sonstigen Einkünften, sondern aus dem Vermögen herrührten, steuerfrei sein. Würde man diesem Gedanken nicht folgen, dann müßten die Anteilsinhaber Beträge versteuern, die ein Direktbesitzer nicht zu versteuern hätte. Bei Thesaurierung des Ertragsausgleichs sei die Ansicht der Finanzverwaltung schon nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (§ 45 Abs. 1 KAGG) nicht haltbar. Aus Gründen der gemäß Art. 3 des Grundgesetzes (GG) gebotenen Gleichbehandlung von Ausschüttungs- und Thesaurierungsfonds sei das Gesetz so auszulegen, daß auch bei Ausschüttungsfonds die Ausschüttung von Vermögenssubstanz steuerfrei sei. Die umgekehrte Methode, die für ausgeschüttete Ertragsausgleiche angenommene Steuerpflicht auch auf thesaurierte Ertragsausgleiche anzuwenden, sei abzulehnen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer auf ... DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Gemäß § 45 KAGG gehören die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Grundstückssondervermögen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Einkünfte aus Kapitalvermögen in diesem Sinne sind die Ausschüttungen auch, soweit sie Ertragsausgleichszahlungen enthalten. Dem Wortlaut des Gesetzes kann nicht entnommen werden, daß der Begriff der Ausschüttung auf die vom Fonds erwirtschafteten Erträge beschränkt sein soll. Der Aufbau des Gesetzes weist vielmehr darauf hin, daß grundsätzlich alle Ausschüttungen gemäß § 45 KAGG steuerpflichtig sind, soweit nicht die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 46 KAGG vorliegen. Diese Auslegung wird gestützt durch die Vorschrift des § 47 KAGG. Sie schreibt vor, daß die Kapitalanlagegesellschaft dem Anteilscheininhaber bei jeder Ausschüttung die für die Besteuerung erforderlichen Angaben bekanntzumachen hat. Dem Anleger sind deshalb neben der Ausschüttung die in der Ausschüttung enthaltenen Beträge an nichtsteuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen mitzuteilen. Nicht erwähnt sind dagegen die sog. Ertragsausgleichszahlungen. Daraus muß geschlossen werden, daß der Gesetzgeber diesem Teil der Ausschüttung keine besondere steuerliche Bedeutung beigemessen hat, sondern ihn wie eine Dividende grundsätzlich als voll steuerpflichtig ansieht (ebenso Steder in Investment, Handbuch für das gesamte Investmentwesen, KAGG-Kommentar 425 nach § 15 Rdnr. 1 bis 11; Scholtz, Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1972 S. 334 - DStZ A 1972, 334 -, sowie in Investment, a. a. O. 425, § 45 Rdnr. 34 f.; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 20 Rdnr. 18).

Beim Neuanleger dürfen die im Kaufpreis nicht offen ausgewiesenen zusätzlichen Entgeltsanteile, die in Erwartung der nächsten Ausschüttung bezahlt werden, steuerlich nicht wie Stückzinsen behandelt werden, weil der Fondsanteil mehr einer Aktie als einem festverzinslichen Wertpapier ähnelt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. August 1976 VIII R 101/71, BFHE 119, 574, BStBl II 1977, 65). Es fehlt insbesondere sowohl an einer ausdrücklichen Vereinbarung, daß ein Teil des Kaufpreises für die angesammelten Erträge gezahlt wird, als auch an einer tatsächlichen Verrechnung, wie sie bei Stückzinsen vorgenommen wird. Das rechtfertigt es, die Ausschüttung ähnlich wie eine Dividende auch dann voll zu versteuern, wenn der Anteil erst kurz vor der Ausschüttung erworben worden ist und die zu erwartende Ausschüttung im Ausgabepreis ihren Niederschlag gefunden hat.

Eine den Stückzinsen entsprechende Behandlung des Ertragsausgleichs kann auch nicht aus dem sog. Transparenzprinzip hergeleitet werden. Es trifft zwar zu, daß nach den Vorschriften des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften die Erträge aus dem Sondervermögen weitgehend so zu versteuern sind, als ob sie der Anteilsinhaber unmittelbar ohne Zwischenschaltung des Sondervermögens bezogen hätte. Der Umfang der Transparenz ist jedoch durch den Gesetzgeber im einzelnen geregelt worden. Das gilt, wie die §§ 45 bis 47 KAGG verdeutlichen, insbesondere auch für die Steuerpflicht, die Steuerbefreiung und den Zufluß der Erträge beim Anteilsinhaber. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Steuervorschriften des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften enthielten eine Lücke i. S. einer planwidrigen Unvollständigkeit des Rechts, die es erlauben würde, das Gesetz i. S. einer völligen Durchsetzung des Transparenzprinzips zu ergänzen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes berufen, weil bei Zugrundelegung dieser Auffassung nur ausgeschüttete, nicht aber auch thesaurierte Ertragsausgleiche steuerpflichtig seien. Der Senat braucht zu dieser Frage nicht abschließend Stellung zu nehmen (vgl. dazu näher Scholtz, DStZ A 1972, 334, 337 f.). Denn auch wenn man aus dem Wortlaut des § 45 Abs. 1, zweite Alternative, KAGG schließt, daß beim Anleger thesaurierte Beträge nur insoweit steuerpflichtig sind, als es sich um erwirtschaftete Erträge handelt, und Ertragsausgleiche diesen Einnahmen nicht gleichstehen, liegt hierin nicht ohne weiteres eine dem Gleichheitssatz widersprechende Schlechterstellung der ausschüttenden Fonds. Denn auch diese wären dann nicht gehindert, die steuerliche Mehrbelastung durch den Verzicht auf die Ausschüttung des Ertragsausgleichs zu vermeiden. Davon abgesehen könnte selbst eine sachlich nicht gerechtfertigte Begünstigung der thesaurierenden Fonds nicht dazu führen, dem Kläger die gleiche steuerliche Behandlung zuteil werden zu lassen. Denn dies wäre ein unzulässiger Eingriff der Gerichte in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (BFH-Urteil vom 25. Mai 1977 I R 249/74, BFHE 122, 316, BStBl II 1977, 670).

Der Kläger kann auch nichts daraus herleiten, daß der Ertragsausgleich - wie er meint - "wie die bei Grundstücks-Sondervermögen ebenso wichtige sogenannte Eigengeldverzinsung erst nachher als Entwicklung der Investmentidee gestaltet worden sei". Für die rechtliche Beurteilung derartiger Gestaltungen ist ausschließlich das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften maßgeblich. Eine Entwicklung außerhalb des Gesetzes auf privatrechtlicher Grundlage ist jedenfalls im Steuerrecht unbeachtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73533

BStBl II 1980, 453

BFHE 1980, 287

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