Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßige Ladung zur mündlichen Verhandlung; Ablehnung einer Terminsverlegung; keine Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Beschwerde des Prozeßvertreters

 

Leitsatz (NV)

1. Der Kläger ist nach den Vorschriften der FGO im Verfahren vertreten, wenn er - ungeachtet eines Verstoßes gegen Förmlichkeiten - nachweislich vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung von dessen Anberaumung Kenntnis erhalten hat (Anschluß an BFH-Beschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654).

2. Die Rüge, durch Ablehnung eines Antrags auf Vertagung bzw. Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung habe das Gericht die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, ist nur ordnungsgemäß erhoben, wenn der Beschwerdeführer darlegt, was er bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte.

3. Eine Beschwerdeschrift, welche die Zulassung der Revision betrifft, kann nicht in ein Rechtsmittel des Prozeßvertreters wegen einer gegen ihn ergangenen Kostenentscheidung umgedeutet werden. Es ist ein Gebot der Rechtssicherheit, einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit seinen Prozeßerklärungen beim Wort zu nehmen.

 

Normenkette

FGO §§ 65, 115 Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 1 Nr. 3, § 145

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wurde durch Bescheid vom 14. Februar 1992 zur Einkommensteuer veranlagt. Der Bescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig im Hinblick auf den Kinderlastenausgleich und den Grundfreibetrag. Gegen diesen Bescheid legte sie Einspruch ein, mit welchem sie die Verfassungswidrigkeit des Arbeitnehmerfreibetrages, der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen und die Nichtabziehbarkeit von privaten Schuldzinsen geltend machte. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Zur Begründung trug sie vor, der Vorläufigkeitsvermerk sei nicht zulässig gewesen, weil sie ihm nicht zugestimmt habe. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hat unter dem 4. August 1992 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen, der auch hinsichtlich der übrigen gerügten Punkte vorläufig war. Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid am 13. August 1992 Einspruch eingelegt; sie hat ihn nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das Finanzgericht (FG) hatte den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem FG auf den 21. September 1992 anberaumt. Die Ladung ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 22. August 1992 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Mit Schreiben vom 22. August 1992, eingegangen beim FG am 7. September 1992, beantragte der Prozeßbevollmächtigte Aufhebung des Termins mit der Begründung, er befinde sich in der Zeit vom 24. August bis 9. Oktober 1992 im Jahresurlaub. Vorsorglich beantragte er, das Verfahren gemäß § 74 FGO bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die anhängigen Verfassungsbeschwerden 2 BvR 1127/92 und 2 BvR 1136-1138/92 auszusetzen. Auf die Aufforderung des FG, die Antragsgründe glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) teilte sein Büro u.a. mit, er, der Prozeßbevollmächtigte, halte sich bis zum 26. September 1992 in ... (Ausland) auf, für die Richtigkeit beziehe er sich auf das Zeugnis des Büroangestellten X. In der mündlichen Verhandlung vom 21. September 1992 lehnte das FG eine Vertagung ab mit der Begründung, den Antrag habe eine nichtvertretungsberechtigte Person gestellt, die Antragsgründe seien nicht glaubhaft gemacht worden und es sei auch nicht dargelegt worden, was in der mündlichen Verhandlung noch hätte vorgetragen werden sollen.

Das FG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Dem gegen den ursprünglichen Bescheid anhängigen Verfahren sei so lange die Grundlage entzogen, wie der Änderungsbescheid Bestand habe. Jedenfalls sei die Klage gegen den ursprünglichen Bescheid mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig gewesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat das FG dem Prozeßbevollmächtigten gemäß § 137 Satz 2 FGO auferlegt; allein durch dessen rechtsmißbräuchliches Verhalten seien überhaupt Kosten entstanden. Zwar sei der Prozeßbevollmächtigte nicht Verfahrensbeteiligter; wie das Beispiel des vollmachtslosen Prozeßvertreters zeige, könnten ihm aber auch als Veranlasser die Kosten auferlegt werden.

Mit der Beschwerde, welcher das FG nicht abgeholfen hat, beantragt die Klägerin, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Verfahrensmängeln zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

I. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels gestützt, so muß in der Beschwerdebegründung der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Dies erfordert, daß die den Verfahrensmangel ergebenden Tatsachen im einzelnen dargelegt werden; des weiteren ist die Möglichkeit darzutun, daß das FG ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte. Wird als Verfahrensmangel die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, so ist außerdem schlüssig vorzutragen, was bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgebracht worden wäre. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen.

1. Die Rüge der Klägerin, sie sei zum Termin nicht ordnungsgemäß - unter Verstoß gegen § 3 des Verwaltungszustellungsgesetzes - geladen worden, enthält grundsätzlich die Behauptung, sie sei im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO); dies kann nur unmittelbar mit der Revision geltend gemacht werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401; BFH-Urteil vom 10. August 1988 III R 220/84, BFHE 154, 17, 19, BStBl II 1988, 948; ständige Rechtsprechung; vgl. ferner Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Tz. 16). In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, daß die unter § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO fallenden Sachverhalte dadurch gekennzeichnet sind, daß der Beteiligte überhaupt nicht vertreten gewesen ist. Ein Verfahrensmangel von vergleichbarem Gewicht liegt indessen nicht vor, wenn der Beteiligte - ungeachtet eines Verstoßes gegen Förmlichkeiten - nachweislich vor dem Termin von dessen Anberaumung Kenntnis erhalten hat (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654). So liegt es hier. Im übrigen trägt die bei den Gerichtsakten befindliche Urkunde über die Zustellung vom 22. August 1992 u.a. den Vermerk: Ladung zum Termin am 21.9. 1992, 14.30 in Z.

2. Die Ablehnung der Terminsverlegung ist gleichfalls kein Verfahrensmangel i.S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO (BFH in BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401). Es kann dahingestellt bleiben, ob das FG verpflichtet war, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben. Der Grundsatz, daß die Versagung rechtlichen Gehörs nur ordnungsgemäß gerügt ist, wenn der Betroffene auch darlegt, was er bei Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, gilt auch, wenn das rechtliche Gehör durch Ablehnung eines Antrags auf Vertagung bzw. Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung verletzt sein soll (BFH-Beschluß vom 16. Januar 1986 III B 71/84, BFHE 145, 497, BStBl II 1986, 409; BFH-Urteil vom 1. Juni 1989 V R 72/84, BFHE 157, 255, BStBl II 1989, 677). Im Hinblick darauf, daß das FG bereits die ursprüngliche Klage als unzulässig angesehen hat, hätte sich die Klägerin im Rahmen der Beschwerdebegründung mit der Frage befassen müssen, inwiefern es ihr bei einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre, eine Entscheidung anderen Inhalts zu erwirken (vgl. BFH-Beschluß vom 28. März 1989 V B 90, 98/87, BFH/NV 1991, 98).

3. Für die Frage, ob das FG Vorschriften über das Verfahren verletzt hat, ist von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt auszugehen (BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621). Ausgehend von der Beurteilung, daß die Klage gegen den ursprünglichen Bescheid mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig war, brauchte das FG die Klägerin zum einen nicht aufzufordern, einen Antrag nach § 68 FGO zu stellen; denn dieser Antrag ist nur zulässig, wenn die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage nach Inhalt und Form alle Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 184/84, BFHE 148, 422, BStBl II 1987, 303). Zum anderen darf ein Verfahren nur dann in direkter oder entsprechender Anwendung des § 74 FGO ausgesetzt werden, wenn es zu einer Sachprüfung führen kann. Die Entscheidung, daß eine Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist, kann unabhängig vom Ausgang eines anderen, für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts möglicherweise vorgreiflichen Verfahrens ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 8/86, BFHE 158, 205, 207, BStBl II 1990, 177).

4. War die Klage gegen den ursprünglichen Bescheid nach Auffassung des FG unzulässig, konnte auch ein beim BVerfG anhängiges Verfahren nicht i.S. von § 74 FGO vorgreiflich sein.

II. Mit der auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützten Beschwerde verfolgt die Klägerin das Ziel, im Revisionsverfahren klären zu lassen, ob einem Prozeßbevollmächtigten, der eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht vorgelegt hat, die Kosten des Verfahrens gemäß § 137 Satz 2 FGO auferlegt werden könnten. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist auch insoweit unzulässig.

Nach § 145 Abs. 1 FGO ist die Anfechtung einer Kostenentscheidung unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Diese Vorschrift gilt auch für die Anfechtung durch eine Nichtzulassungsbeschwerde, die sich auf den Kostenpunkt beschränkt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 145 Rdnr. 1 m.w.N.). Hinzu kommt, daß die Klägerin selbst dadurch, daß die Kosten ihrem Prozeßbevollmächtigten auferlegt worden sind, nicht beschwert ist. Eine auf den Kostenpunkt beschränkte Revision der Klägerin wäre mithin unzulässig.

III. § 145 Abs. 1 FGO hindert lediglich die selbständige Anfechtung von in Urteilen enthaltenen Kostenentscheidungen durch Beteiligte am Verfahren. Zu diesen gehört nicht der von einem Beteiligten ordnungsgemäß bestellte Bevollmächtigte. Die von diesem Bevollmächtigten gegen die Auferlegung der Kosten eingelegte Beschwerde ist - ebenso wie die vom vollmachtslosen Prozeßvertreter gegen die Auferlegung von Kosten eingelegte Beschwerde (BFH-Beschluß vom 11. November 1982 I B 37/81, BFHE 134, 401, BStBl II 1982, 167) - dem in § 145 Abs. 2 FGO (i.d.F. vor der Änderung der FGO) geregelten Fall der Anfechtung einer isolierten Kostenentscheidung gleichzusetzen. Allerdings war bzw. ist die Beschwerde gegen isolierte Kostenentscheidungen der FG nach Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs § 128 Abs. 4 FGO (i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109) unzulässig. Anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Eröffnung einer neuen Instanz wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit der an sich unanfechtbaren Entscheidung vorliegen, wenn mithin die angefochtene Entscheidung mit dem geltenden Recht schlechthin unvereinbar ist.

Es kann dahingestellt bleiben, ob solches hier der Fall ist. Eine Sachentscheidung könnte im vorliegenden Verfahren nur ergehen, wenn die namens der Klägerin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde als isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung durch den Prozeßbevollmächtigten selbst aufzufassen wäre.

Die - grundsätzlich hinsichtlich der Bezeichnung des Beteiligten auslegungsfähige (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1981 II R 38/79, BFHE 133, 151, BStBl II 1981, 532; vom 15. Dezember 1981 VIII R 116/79, BFHE 135, 267, BStBl II 1982, 385) - Beschwerdeschrift, mit welcher die Zulassung der Revision beantragt wird, kann jedenfalls nicht in eine Anfechtung der Kostenentscheidung umgedeutet werden. Dem stehen die Eindeutigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs und die erheblichen inhaltlichen Unterschiede der jeweils verfolgten Rechtsschutzziele entgegen. Es ist ein Gebot der Rechtssicherheit, einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit seinen Prozeßerklärungen beim Wort zu nehmen (vgl. - zur Umdeutung von prozessualen Anträgen - BFH-Beschluß vom 9. Juli 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419362

BFH/NV 1994, 382

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