Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Angemessenheit der Gewinnverteilung zwischen einer GmbH und ihren (typischen) stillen Gesellschaftern

 

Leitsatz (NV)

Maßstäbe für eine angemessene Gewinnverteilung zwischen einer GmbH und ihren Gesellschaftern, die sich gleichzeitig oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung der GmbH an dieser still beteiligen.

 

Normenkette

KStG § 6 Abs. 1

 

Tatbestand

In dem beim erkennenden Senat unter dem Aktzenzeichen I R 9/83 anhängigen Revisionsverfahren (Hauptverfahren) streiten die Antragstellerin, Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, und der Antragsgegner, Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) um die Angemessenheit der Gewinnverteilung zwischen der Klägerin und ihren (typischen) stillen Gesellschaftern.

Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 2. Juli 1971 von den Kaufleuten . . . errichtet. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war der An- und Verkauf von . . . aller Art einschließlich der Beteiligung an fremden und gleichartigen Unternehmen. Vom Stammkapital in Höhe von 20 000 DM übernahmen beide Gesellschafter je die Hälfte. Beide Gesellschafter wurden zu Geschäftsführern der GmbH bestellt. Sie waren früher und blieben auch weiterhin in der Branche der Klägerin als Einzelunternehmer tätig.

Mit im wesentlichen gleichlautenden Verträgen vom 2. November 1971 gingen die Gesellschafter der Klägerin mit Wirkung vom 2. Juli 1971 je für sich mit der GmbH stille Gesellschaften ein. Sie leisteten jeweils eine Einlage von 250 000 DM.

Die Gewinnverteilung ist wie folgt geregelt:

,,a) Aus dem sich vor Abzug der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter ergebenden Steuerbilanzgewinn werden zunächst das Stammkapital und die offenen Rücklagen sowie die Einlagen der stillen Gesellschafter nach dem Stand vom 1. Januar des betreffenden Geschäftsjahres mit 8 v. H. verzinst . . .

b) Von dem verbleibenden Gewinn erhält der stille Gesellschafter 40 v. H. An einem sich ergebenden Steuerbilanzverlust ist der stille Gesellschafter zu 40 v. H. beteiligt. Die Verzinsung nach Buchstabe a) entfällt in diesem Fall."

Bei Auflösung der stillen Gesellschaften beschränkt sich der Auseinandersetzungsanspruch der stillen Gesellschafter auf die Rückzahlung ihrer Einlagen zum Nennbetrag.

Die Klägerin errechnete die durchschnittliche Rendite des einzelnen Gesellschafters - ausgehend von einem durchschnittlich zu erwartenden Jahresgewinn von 183 600 DM - wie folgt:

Vorwegverzinsung von 8 v. H. aus 250 000 DM 20 000 DM

Anteil am Restgewinn 40 v. H. von

(183 600 DM ./. 1 600 ./. 40 000 =) 142 000 DM 56 800 DM

Gewinnbeteiligung jedes stillen Gesellschafters 76 800 DM

Dies entspreche einer durchschnittlichen Rendite des stillen Gesellschafters von 30,72 v. H., die angemessen sei.

Das FA folgte zunächst in einem gemäß § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid 1972 vom 11. Januar 1974 der Berechnung der Klägerin.

Im Anschluß an eine Außenprüfung im Jahre 1977 beanstandete das FA die Angemessenheit der den stillen Gesellschaftern gewährten Gewinnverteilung. Es ging - unter Außerachtlassung von Anlaufverlusten der Anfangsjahre - von einem zu erwartenden Reingewinn von 263 600 DM aus. Das FA hielt eine Verzinsung der Einlagen der stillen Gesellschafter von 30 v. H. für angemessen und gelangte zu einer verdeckten Gewinnausschüttung von 42 871 DM. Dieser Betrag errechnet sich wie folgt:

Gesamtgewinn 1972 vor Steuern 191 537 DM

angemessene Gewinnanteile (2 x 30 v. H.) 114 922 DM

von der Klägerin angesetzte Gewinnanteile 157 793 DM

verdeckte Gewinnausschüttung 42 871 DM

Auf dieser Grundlage erließ das FA einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1972 vom 9. Juni 1978.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Im Verfahren über die Klage wies das Finanzgericht (FG) die Beteiligten auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Februar 1980 I R 50/76 (BFHE 130, 268, BStBl II 1980, 477) hin. Bei seiner Angemessenheitsprüfung kam das FG zu folgender Berechnung des Gesamtwerts des Unternehmens:

Ertragswert des Gesamtunternehmens (10 v. H. x 183 600): 1 836 000 DM

./. Substanzwert (= Einheitswert per 1. 7. 1971): 20 000 DM

innerer Wert: 1 816 000 DM

./. Abschlag von 50 v. H.: 908 000 DM

stiller Mehrwert: 908 000 DM

+ Substanzwert = Einheitswert: 20 000 DM

Gesamtwert vor Zuführung der stillen Einlagen: 928 000 DM

stille Einlagen: 500 000 DM

Gesamtwert nach Zuführung der stillen Einlagen: 1 428 000 DM

Der Anteil der stillen Gesellschafter am Gesamtwert betrug danach: 500 000 DM x 100 : 1 428 000 DM = 35 v. H. Dieser Anteil wurde jedoch auf 50 v. H. erhöht, weil das FG folgende Umstände mit je 5 v. H. zugunsten der stillen Gesellschafter berücksichtigte:

a) das Risiko der Unternehmensneugründung,

b) die Erbringung der Einlagen aus dem eigenen Vermögen der stillen Gesellschafter und

c) die Einbringung der Vorteile aus den Einzelunternehmen (Geschäftsbeziehungen, Bekanntheitsgrad etc.).

Die Gewinnverteilung errechnete das FG auf dieser Grundlage wie folgt:

Gesamtgewinn der Klägerin im Streitjahr: 191 537 DM

./. Vorwegverzinsung (8 v. H.) für die GmbH: 1 600 DM

für den Gesellschafter ... 16 654 DM

für den Gesellschafter ... 12 561 DM 30 815 DM

Restgewinn: 160 722 DM

Gewinnanteil stille Gesellschafter (50 v. H.): 80 361 DM

+ Vorabverzinsung stille Gesellschafter: 29 215 DM

angemessener Gewinnanteil stille Gesellschafter: 109 576 DM

Danach ergab sich eine verdeckte Gewinnausschüttung in folgender Höhe:

angemessener Gewinnanteil der stillen Gesellschafter: 109 576 DM

./. Gewinnanteil laut Klägerin 157 793 DM

verdeckte Gewinnausschüttung laut Urteil 48 217 DM

verdeckte Gewinnausschüttung laut

angefochtenem Körperschaftsteuerbescheid 42 871 DM

Die Rendite, bezogen auf die stille Einlage, betrug nach dieser Berechnung des FG 22 v. H.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Rechtsfehler des FG. Ihren Antrag auf Aussetzung des angefochtenen Körperschaftsteuerbescheids begründet die Klägerin wie folgt: An der Rechtmäßigkeit des finanzgerichtlichen Urteils sei ernstlich zu zweifeln. Abweichend von der Auffassung des FG dürfe bei Neugründung einer GmbH und gleichzeitiger Neubegründung von stillen Gesellschaften an dieser keine Angemessenheitsprüfung vorgenommen werden, da lediglich Gewinnerwartungen, aber kein Ertragswert bestehe. Die Gewinnverteilung müsse sich nach den Kapitalanteilen richten (so FG Baden-Württemberg im Urteil vom 25. Februar 1982 I 224/78, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 458 - rechtskräftig -, das eine Familiengesellschaft betrifft). - Das FG habe aber auch die Grundsätze des Urteils in BFHE 130, 268, BStBl II 1980, 477 nicht richtig angewandt. Zum einen schreibe das Urteil den Vergleich des Wertes der Einlagen der stillen Gesellschafter mit dem Wert der ,,Beteiligung" der GmbH an den stillen Gesellschaften vor, während das FG den Wert der Einlagen der stillen Gesellschafter mit dem Gesamtwert der stillen Gesellschaft (aus GmbH zuzüglich Beteiligung der ,,Stillen") verglichen habe. Zum anderen habe das FG den Unternehmenswert der GmbH aus den Gewinnerwartungen der stillen Gesellschaft aus der GmbH zuzüglich zweier stiller Einlagen abgeleitet. Anzusetzen wäre jedoch der GmbH-Gewinn, der sich aus dem Ergebnis ,,Gesamtgewinn der stillen Gesellschaft minus Gewinnanteil der Stillen" ergebe.

 

Entscheidungsgründe

I. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (§ 69 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist zulässig.

. . .

II. Der Antrag ist im Ergebnis nicht begründet.

Ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; seitdem ständige Rechtsprechung des BFH). Ob ernstliche Zweifel vorliegen, richtet sich bei einem - wie hier - schon in der Revisionsinstanz schwebenden Rechtsstreit nach revisionsrechtlichen Grundsätzen. Danach können ernstliche Zweifel am Bestand des angefochtenen Verwaltungsaktes nur dann bestehen, wenn auch unter Beachtung der nur beschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist. Das bedeutet, daß bei vermutlichem Durcherkennen des BFH die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens zu prüfen sind, bei vermutlicher Zurückverweisung die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens (BFH-Beschluß vom 21. November 1973 I S 8/73, BFHE 110, 498, BStBl II 1974, 114).

Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Revisionsverfahren (Az. I R 9/83), in dem Verletzung materiellen Rechts gerügt wird, und im vorliegenden Antragsverfahren wegen Aussetzung der Vollziehung ist bei überschlägiger Prüfung nicht mit einer Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu rechnen.

1. Der Klägerin kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, ,,einziger objektiver und nachprüfbarer Maßstab für die Restgewinnverteilung" bilde im Streitfall ,,das Verhältnis der Kapitaleinlagen".

a) Das FG ist bei der Ermittlung des Unternehmenswerts der GmbH von dem Ertragswert ausgegangen, der den von der Klägerin in genannten Ertragsaussichten entspricht. Die Ermittlung des Geschäftswerts stellt eine dem FG als Tatsacheninstanz obliegende Würdigung von Tatsachen dar (BFH-Urteil vom 29. März 1973 IV R 158/68, BFHE 109, 47, BStBl II 1973, 489). Das FG konnte ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß die Klägerin ihre eigene Ertragserwartung zutreffend eingeschätzt hat.

b) Demgegenüber soll nach dem Revisionsvorbringen lediglich die auf den Angaben der Klägerin beruhende Schätzung des FG durch eine andere Schätzung ersetzt werden. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Revision, daß in Fällen, in denen sich Gesellschafter einer GmbH gleichzeitig oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung der GmbH an dieser still beteiligen, ,,der vom BFH entwickelte Prüfungsmaßstab" allgemein untauglich sei. Zwar kann bei einem neugegründeten Unternehmen naturgemäß nicht auf in der Vergangenheit tatsächlich erwirtschaftete Gewinne zurückgegriffen werden, die einen Anhaltspunkt für die Schätzung der für die Zukunft zu erwartenden Gewinne bilden können (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1979 IV R 56/75, BFHE 127, 32, BStBl II 1979, 302). Aus den Feststellungen des FG ergibt sich jedoch, daß die beiden stillen Gesellschafter und GmbH-Gesellschafter bereits vor Gründung der GmbH Einzelunternehmen in derselben Branche wie später die Klägerin betrieben haben. Die Einzelunternehmen wurden nach Gründung der GmbH (nur noch) auf einem Teilgebiet fortgeführt.

Unter diesen Umständen ist es als eine zumindest mögliche Tatsachenwürdigung nicht zu beanstanden, wenn das FG von der von der Klägerin selbst bezifferten Ertragserwartung ausgegangen ist. Daß eine zukunftsbezogene Bewertung von Ertragsaussichten unsicher ist, liegt in der Natur der Sache. Die Klägerin hat nicht vorgebracht, daß die zwischenzeitlich bekannte Ertragsentwicklung hinter der damaligen Vorausschau zurückgeblieben ist. Der Senat kann daher offenlassen, ob bei einem neugegründeten Unternehmen eine Kontrolle der vorausgeschätzten Erträge durch die tatsächliche Entwicklung vorstellbar wäre.

2. Bei überschlägiger Prüfung sind auch die von der Revision angegriffenen weiteren Berechnungen des FG nicht zu beanstanden.

a) Es trifft nicht zu, daß das FG bei dem Vergleich des Werts der Einlagen der stillen Gesellschafter mit dem Wert der ,,Beteiligung" der GmbH an den stillen Gesellschaften (vgl. BFHE 130, 268, BStBl II 1980, 477) den Wert der GmbH einschließlich des (Nominal-)Wertes der stillen Einlagen angesetzt hat. Denn die stillen Einlagen mindern als Schuldposten den Substanzwert. Es ist nicht erkennbar und von der Klägerin nicht dargetan, inwieweit in dem vom FG angenommenen Substanzwert von 20 000 DM die stillen Einlagen von 500 000 DM eingeschlossen sein sollen.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch nicht in sich widersprüchlich, wenn das FG ,,den GmbH-Gesamtwert vor Zuführung der stillen Einlagen aus den Gewinnerwartungen nach Zuführung der stillen Einlagen" ableitet. Zwar mag es - wie die Klägerin ausführt - zutreffen, ,,daß ohne die stillen Einlagen der Geschäftszweck gar nicht zu erreichen gewesen wäre und damit auch keine Gewinnaussichten für die GmbH vorgelegen hätten". Umgekehrt hätte der Geschäftszweck aber auch nicht ohne das Unternehmen der GmbH erreicht werden können. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das FG bei seiner Schätzung der den Wert des Unternehmens beeinflussenden Ertragsaussichten die stillen Einlagen zunächst wie Eigenkapital behandelt hat. Denn die Angemessenheitsprüfung der Gewinnverteilung kann eine entsprechende Gewinnminderung durch die Anteile der stillen Gesellschafter bei der Ermittlung der Wertbeiträge nicht voraussetzen; diese Gewinnminderung wird erst daraus gefolgert.

3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das FG Ertragswert und Gewinnverteilung aus dem nicht mit Körperschaftsteuer belasteten Gewinn abgeleitet hat.

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob es betriebswirtschaftlichen Grundsätzen der Unternehmensbewertung entspricht, die Körperschaftsteuer (alten Rechts) vor der Kapitalisierung des Gewinns abzusetzen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 13. März 1978 II ZR 142/76, Die Wirtschaftsprüfung 1978, 302, 305; Helbling, Unternehmensbewertung und Steuern, 4. Aufl. 1982 S. 305 ff.). Denn der Wertbeitrag einer GmbH in einer stillen Gesellschaft ist ohne ertragsteuerliche Belastungen zu ermitteln, weil auch die Beiträge der stillen Gesellschafter ohne solche Belastungen bewertet werden. Die Vermögensteuer kann im Streitfall als eine geringe, im Rahmen der Schätzung zu vernachlässigende Größe gewertet werden.

b) Es ist nicht erforderlich, der GmbH einen Vorabanteil am Gewinn für ihre Belastung mit Körperschaftsteuer zuzuweisen. Das FG konnte die Vereinbarung, wonach der sich ,,vor Abzug der Gewinnanteile der stillen Gesellschafter ergebende Steuerbilanzgewinn" für die Gewinnverteilung maßgeblich sein soll, entsprechend der Berechnungsweise der Klägerin dahingehend verstehen, daß Bemessungsgrundlage für den Gewinnanteil der stillen Gesellschafter der Gewinn der GmbH ,,vor Steuern" ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1974 I R 35/74, BFHE 113, 298, BStBl II 1974, 774). Der sich danach ergebende (höhere) Gewinnanteil der stillen Gesellschafter wirkt steuerrechtlich zugunsten der Klägerin.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413894

BFH/NV 1987, 263

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