Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung von VA; Bestimmtheit eines Haftungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

1. Die Frage, wie ein VA auszulegen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Ihr kommt daher im allgemeinen keine grundsätzliche Bedeutung zu.

2. Die Nennung des Steuerschuldners gehört nicht zum notwendigen Inhalt eines Haftungsbescheids.

3. Von der Bezeichnung des Zeitraums, auf den sich die Steuerschuld bezieht, kann in einem Haftungsbescheid dann abgesehen werden, wenn dieser dem Haftungsschuldner bekannt ist.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2; AO 1977 § 191

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Gründe

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig und im übrigen unbegründet. Sie war deshalb insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) mit ihr Divergenzen zwischen der Vorentscheidung und bestimmten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) rügt. Die Begründung genügt insoweit nicht den in § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genannten Anforderungen. Danach muß die Divergenz bezeichnet werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn in der Beschwerdebegründung ein abstrakter Rechtssatz genannt wird, der das erstinstanzliche Urteil trägt. Ihm ist ein anderer Rechtssatz gegenüberzustellen, der in einer zu zitierenden Entscheidung des BFH enthalten ist und von dem Rechtssatz aus der Vorentscheidung inhaltlich abweicht. In der vom Kläger eingereichten Beschwerdebegründung wird jeweils nur ein Rechtssatz wiedergegeben. So stützt sich die Begründung zu 2. a darauf, daß das Finanzgericht (FG) einen im Lohnsteuerhaftungsverfahren für Sammelbescheide geltenden Grundsatz in der Vorentscheidung "ungeachtet gelassen habe". Daß das FG eine BFH-Entscheidung "ungeachtet gelassen" hat, bedeutet jedoch nicht zwingend eine Divergenz. Die Begründung zu 2. b ist in ähn licher Weise darauf gestützt, daß das FG einen allgemeinen Grundsatz der BFH- Rechtsprechung, wonach zumindest eine Aufgliederung nach Anmeldezeiträumen getroffen werden müsse, "außer Ansatz gelassen habe". Auch ein "Außer-Ansatz-lassen" bedeutet nicht notwendigerweise eine Divergenz. Schließlich wird unter 2. c nur ein angeblich vom BFH incidenter formulierter Rechtssatz wiedergegeben, gegen den das FG verstoßen haben soll, indem es die körperschaftsteuerlichen Vorschriften anstelle der einkommensteuerlichen genannt habe. Das Nennen irgendwelcher Vorschriften ist jedoch nicht gleichbe deutend mit der Aufstellung eines Rechtssatzes.

2. Im übrigen ist die Beschwerde unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

a) Die Klärung der Frage, ob die in dem angefochtenen Haftungsbescheid enthaltene Formulierung "Steuer vom Ertrag" ausreicht, um die Steuer hinreichend zu bestimmen, für die der Kläger haften soll, ist für die Allgemeinheit ohne Interesse. Es ist nämlich allgemein anerkannt, daß auch Verwaltungsakte auslegungsfähig sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 118 AO 1977 Tz. 29; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 119 Rz. 1; Jakob, Abgabenordnung, § 4 Rz. 22). Bei der Auslegung gelten die Grundsätze des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Dabei ist auf den objektiven Erklärungsinhalt aus Empfängersicht abzustellen. Die Empfängersicht kann jedoch von Fall zu Fall eine unterschiedliche sein. Deshalb kann nur für den Einzelfall entschieden werden, ob der betroffene Empfänger ernstlich nicht erkennen konnte, was die Behörde wollte. Diese Frage kann nicht generell entschieden werden. Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß der Kläger selbst nicht behauptet hat, daß er die Formulierung des Haftungsbescheides anders verstanden hat und verstehen konnte, als wie das FA sie von Anfang an verstanden wissen wollte. Der Hinweis auf das BFH-Urteil vom 27. Juli 1988 I R 130/84 (BFHE 154, 227, BStBl II 1989, 101) geht schon deshalb fehl, weil der Urteilsfall die falsche Bezeichnung einer Steuer betrifft, während im Streitfall allenfalls von einer ungenauen Bezeichnung der Steuer die Rede sein kann.

b) Die Rechtssache hat auch insoweit keine grundsätzliche Bedeutung, als sie das Erfordernis der Bezeichnung des Steuerschuldners im Haftungsbescheid betrifft. Der Senat hat über diese Frage in seinem Beschluß vom 3. Dezember 1996 I B 44/96 (BFHE 181, 562) entschieden. Es werden vom Kläger keine Gesichtspunkte geltend gemacht, die eine erneute Entscheidung des Senats über die Rechtsfrage nahelegen.

c) Was die Bezeichnung des Zeitraums anbelangt, so gelten die Ausführungen zu a) entsprechend. Von der Angabe kann jedenfalls dann abgesehen werden, wenn dem Haftungsschuldner der Zeitraum bekannt ist, auf den sich die Steuerschuld bezieht, für die er haften soll (s. a. BFH-Urteil vom 16. Juli 1992 VII R 59/91, BFH/NV 1993, 146).

Der Senat sieht von der Wiedergabe des Tatbestandes in entsprechender Anwendung des Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422327

BFH/NV 1997, 826

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