Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassungsfreie Revision, Fehlen von Entscheidungsgründen

 

Leitsatz (NV)

1. Ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - einen dort genannten Mangel ergeben.

2. Entscheidungsgründe fehlen i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht, wenn die angefochtene Entscheidung im streitigen Punkt sowohl eine ausreichende Sachverhaltsdarstellung als auch - wenngleich in knapper Form - die daraus zu ziehende rechtliche Folgerung enthält.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, für die für das Streitjahr 1987 ein gemeinsamer Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt wurde. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte dabei Aufwendungen für Verwandte der Klägerin, die im Streitjahr aus der DDR zu Besuch gekommen waren, gemäß § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (anstelle von geltend gemachten 12,50 DM) nur mit 10 DM pro Tag und Person.

Der Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Kläger zunächst nur in einfacher Ausfertigung bekanntgegeben, obwohl diese in ihrer Steuererklärung angegeben hatten, daß sie nicht damit einverstanden seien, daß der Bescheid jedem der Ehegatten zugleich mit Wirkung für und gegen den anderen Ehegatten bekanntgegeben werde. Auf den Einspruch der Kläger erließ das FA am 16. Juni 1988 einen neuen Bescheid und richtete ihn - in getrennten Ausfertigungen - jeweils zu Händen des Bevollmächtigten sowohl an den Kläger als auch an die Klägerin.

Der dagegen erhobene erneute Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies auch die Klage ab. Der Begründung seiner Entscheidung zu § 33 a Abs. 1 EStG schickte es voraus: ,,Die Bekanntgabe der Bescheide vom 16. Juni 1988 ist zutreffend erfolgt."

Dagegen wenden sich die Kläger - außer mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision - auch unmittelbar mit der Revision selbst. Sie machen insoweit geltend, das FG habe seine Entscheidung in der Frage der Bekanntgabe der Steuerbescheide unzureichend begründet, so daß die Revision gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auch ohne vorherige Zulassung statthaft sei. Das FG hätte gemäß § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO darlegen müssen, weshalb die Steuerbescheide zutreffend bekanntgegeben worden seien. Es hätte sich insbesondere mit den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. März 1985 VIII R 225/83 (BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603) und vom 22. Oktober 1975 I B 38/75 (BFHE 117, 205, BStBl II 1976, 136) auseinandersetzen müssen. Denn diese Entscheidungen seien in der Klagebegründung zur Grundlage des Rechtsbehelfs gemacht worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

1. Dies folgt zwar nicht schon daraus, daß die Kläger neben der Revision gleichzeitig auch Beschwerde wegen Nichtzulassung dieses Rechtsmittels eingelegt haben. Denn sie haben die Nichtzulassungsbeschwerde auf andere, von § 116 Abs. 1 FGO nicht erfaßte Gründe gestützt (s. hierzu z. B. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 116 Anm. 5 und 6).

2. Doch ist die Revision unzulässig, weil sie nicht zugelassen ist und der im vorliegenden Verfahren geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO) nicht schlüssig gerügt worden ist.

Ein wesentlicher Verfahrensmangel i. S. des § 116 Abs. 1 FGO ist nur dann schlüssig gerügt, wenn die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - einen dort genannten Mangel ergeben (s. auch dazu Ruban in Gräber, a. a. O., § 116 Anm. 3). Davon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden.

a) Ein Fehlen von Entscheidungsgründen i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO liegt nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt oder wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt bzw. auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt (BFH-Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417, sowie aus jüngerer Zeit z. B. BFH-Beschluß vom 18. April 1989 VII R 14/88, BFH/NV 1990, 169).

b) Die angefochtene Entscheidung enthält im streitigen Punkt jedoch sowohl eine ausreichende Sachverhaltsdarstellung als auch - wenngleich in knappster Form - die daraus zu ziehende rechtliche Folgerung.

Das FG hat im Tatbestand ausgeführt, daß die Kläger begehrt hatten, den Steuerbescheid in zweifacher Ausfertigung übermittelt zu erhalten. Das FA habe daher auf den Einspruch gegen den zunächst in einfacher Ausfertigung bekanntgegebenen Bescheid für beide Kläger je eine gesonderte Ausfertigung versendet. Daraus hat das FG sodann eingangs der Entscheidungsgründe den Schluß gezogen, daß ,,die (späteren) Bescheide vom 16. Juni 1988" zutreffend bekanntgegeben worden seien.

Dieser Schluß ist vor dem Hintergrund der getroffenen Sachverhaltsdarstellung ohne weiteres nachvollziehbar. Hinzu kommt, daß er hinsichtlich der Bekanntgabeproblematik, mit der allein sich das Revisionsvorbringen der Kläger befaßt, auch voll im Einklang mit den Grundsätzen der BFH-Entscheidungen in BFHE 143, 491, BStBl II 1985, 603 und in BFHE 117, 205, BStBl II 1976, 136 steht, auf die sich die Kläger im Klageverfahren und nun auch im Revisionsverfahren berufen haben. Nach beiden Entscheidungen mußte in Fällen wie dem vorliegenden jedem Ehegatten eine Urschrift des Steuerbescheids übermittelt werden; bei Übermittlung lediglich einer Urschrift war der Bescheid keinem der Ehegatten wirksam bekanntgegeben worden.

Danach reichte die rechtliche Begründung des FG im Streitfall aus (vgl. hierzu auch den BFH-Beschluß vom 4. April 1989 VII R 12/87, BFH/NV 1989, 713, Nr. 2 b aa der Entscheidungsgründe).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417241

BFH/NV 1991, 252

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