Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlaß von Grunderwerbsteuer, deren bestandskräftige Festsetzung im Widerspruch zu späterer Rechtsprechung des BFH steht

 

Leitsatz (NV)

Hat das FA für den Erwerb eines zum Zweifamilienhaus umzubauenden Mehrfamilienhauses keine Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GrEStEigWoG gewährt, so kann die bestandskräftig festgesetzte Grunderwerbsteuer nicht erlassen werden, wenn nach der späteren Rechtsprechung des BFH dieser beabsichtigte (und durchgeführte) Umbau des Hauses die Steuerbefreiung gerechtfertigt hätte.

 

Normenkette

AO 1977 § 227; GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

Die Entscheidung ergeht gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BFHEntlG - (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind unterrichtet und gehört worden (Schreiben des Senats vom 26. Juni 1986).

Bestandskräftige Steuerfestsetzungen können im Billigkeitsverfahren nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977) nur dann sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig falsch ist und wenn dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten war, sich gegen die Fehlerhaftigkeit rechtzeitig zu wehren (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. April 1981 VI R 169/78, BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611).

Schon die erstgenannte Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Der gegen den Kläger ergangene Steuerbescheid vom 22. Februar 1980 war nicht offensichtlich und eindeutig falsch. Zu dieser Zeit gab es keine einheitliche Ansicht darüber, ob die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11. Juli 1977 (GrEStEigWoG) von der beabsichtigten Verwendung des Gebäudes (als Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus) oder von dessen Zustand beim Erwerb abhängig sei. So hatte z. B. das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein durch Urteil vom 20. März 1979 III 3/78 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1979, 462) übereinstimmend mit der Verwaltungsansicht entschieden, daß regelmäßig der Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbes maßgebend sei; es reiche nicht aus, wenn die Voraussetzungen der Steuervergünstigung erst durch Umbauarbeiten des Erwerbers geschaffen würden. Dieselbe Ansicht vertrat der Kommentar von Boruttau/Klein/Egly/Sigloch zum Bundesgesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung (Tz. 1591). Dagegen hatte das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 19. Februar 1979 IV 282/77 (EFG 1979, 353) entschieden, es komme auf die Verhältnisse zu Beginn der einjährigen Nutzung an. Wenn sich daher das Finanzamt (FA) beim Erlaß des Steuerbescheides vom 22. Februar 1980 der (offenbar überwiegenden) Ansicht anschloß, daß der Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt des Erwerbes maßgebend sei, so verstieß es damit nicht offensichtlich und eindeutig gegen geltendes Recht. Erst durch das später - am 25. Juni 1980 - ergangene BFH-Urteil vom 25. Juni 1980 II R 21/79 (BFHE 131, 93, BStBl II 1980, 728) wurde die Rechtslage dahin geklärt, daß die beabsichtigte Verwendung des Gebäudes für die Steuerbefreiung maßgebend war.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob der Steuerbescheid nach der ,,heutigen Rechtserkenntnis" offensichtlich und eindeutig falsch ist. Maßgebend ist nur, ob das FA bei der Veranlagung der Steuer (damals) die Rechtslage richtig beurteilt hat (vgl. das BFH-Urteil vom 3. März 1970 II 135/64, BFHE 99, 8, BStBl II 1970, 503). Der Umstand allein, daß eine bestandskräftig veranlagte oder durch rechtskräftiges Urteil festgesetzte Steuer im Widerspruch zu einer späteren Rechtsprechung steht, rechtfertigt noch nicht den Erlaß der Steuer (vgl. das BFH-Urteil vom 22. September 1976 I R 68/74, BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15).

Im übrigen sieht der Senat von einer Begründung der Entscheidung in der Hauptsache gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG ab.

 

Fundstellen

Haufe-Index 423402

BFH/NV 1988, 217

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