Leitsatz (amtlich)

Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an das Gericht (§ 69 Abs. 3 FGO) setzt auch im Geltungsbereich des Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VGFG EntlG nicht voraus, daß gegen die Ablehnung eines Aussetzungsantrags durch die Verwaltungsbehörde zunächst ein Beschwerdeverfahren durchgeführt worden ist. Ebensowenig ist erforderlich, daß über den außergerichtlichen Rechtsbehelf in der Hauptsache bereits eine Entscheidung getroffen worden ist.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; VGFG-EntlG Art. 3 § 7

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -FA-) erließ gegen den Antragsteller und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) am 4. Dezember 1978 fünf Haftungsbescheide. Die Haftungsbescheide wurden mit dem Einspruch angefochten, über den noch nicht entschieden ist. Mit dem Einspruch wurde auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt, den das FA ablehnte. Über die hiergegen erhobene Beschwerde ist ebenfalls noch nicht entschieden.

Der Beschwerdeführer beantragte daneben beim Finanzgericht (FG) u. a., die Vollziehung der Haftungsbescheide auszusetzen.

Der Antrag hatte insoweit Erfolg, als das FG die Vollziehung der streitigen Bescheide bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung gegen Sicherheitsleistung aussetzte. Zur Zulässigkeit des Aussetzungsantrags vertrat das FG die Auffassung, daß Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit IVGFG-EntlG) der Entscheidung über den Antrag nicht entgegestehe. Wenn in dieser Bestimmung als Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags nach § 69 Abs 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gefordert werde, daß grundsätzlich zuvor ein entsprechender Antrag von der Finanzbehörde abgelehnt worden sein müsse, so bedeute das nicht, daß zunächst auch noch ein an diese Ablehnung sich anschließendes Beschwerdeverfahren abgewartet werden müsse. Mit der Beschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung und die ihm teilweise die Kosten auferlegende Kostenentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

Ein Erfolg der Beschwerde wäre allerdings ausgeschlossen, wenn der vom Beschwerdeführer in der Vorinstanz nach § 69, Abs. 3 FGO gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der streitigen Lohnsteuerhaftungsbescheide unzulässig gewesen wäre. Mit Recht hat das FG jedoch die Zulässigkeit, die hier insbesondere im Hinblick auf Art. 3 § 7 VGFG-EntlG zu prüfen war, bejaht. Nach Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes ist ein Antrag i. S. von § 69 Abs. 3 FGO grundsätzlich (Ausnahme Satz 2 des Art. 3 § 7 Abs. 1 VGFGEntlG) nur zulässig, wenn die Finanzbehörde einen bei ihr gestellten Aussetzungsantrag ganz oder teilweise abgelehnt hat. Im Streitfall hatte das FA einen solchen Antrag abgelehnt. Es fragt sich, ob diese Ablehnung genügt, obwohl das im Anschluß an die Ablehnung in Gang gesetzte Beschwerdeverfahren und auch das in der Hauptsache anhängige außergerichtliche Vorverfahren (Einspruchsverfahren) noch nicht abgeschlossen waren. Das ist zu bejahen.

a) Mit Recht ist das FG davon ausgegangen, daß eine Antragsablehnung i. S. von Art. 3 § 7 Abs. 1 Satz 1 VGFG EntlG nicht erst dann vorliegt, wenn auch das Beschwerdeverfahren erfolglos durchgeführt worden ist. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Satzes 1 im Zusammenhang mit den in Satz 2 aufgezählten Sonderfällen, bei denen die vorherige Durchführung eines Beschwerdeverfahrens ohnehin nicht in Betracht kommt. Daß die "schlichte" Ablehnung des Aussetzungsantrags ausreichen soll, folgt auch aus der Gesetzesbegründung zu Art. 3 § 7 VGFG-EntlG (Bundestags-Drucksache 8/1530 S. 13; vgl. auch Ziemer/Haarmann/Lohse, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 12 734).

b) Nach § 69 Abs. 3 Satz 2 FGO ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht schon vor Klageerhebung zulässig. Der Senat geht davon aus, daß sich hieran nicht dadurch etwas geändert hat, daß Art. 3 § 7 VGFG-EntlG die für die Zulässigkeit des gerichtlichen Antrags erforderliche Antragsablehnung durch die Behörde als eine solche i. S. von § 69 Abs. 2 FGO bezeichnet hat, eine Bestimmung, die strenggenommen erst nach Klageerhebung die entsprechende Vorschrift des § 361 Abs. 2 AO 1977 ablöst (vgl. Beermann, Deutsches Steuerrecht 1981 S. 28 - DStR 1981, 28 -). Voraussetzung für die Vollziehungsaussetzung ist daher lediglich, daß der auszusetzende Verwaltungsakt überhaupt angefochten, d. h. noch nicht unanfechtbar geworden ist (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 69 Anm. 1) Es genügt deshalb die Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs, im Streitfall also des Einspruchs. Der z. T. in der Rechtsprechung der FG (vgl. die Hinweise bei Beermann, a. a. O. Fußnote 4) als Voraussetzung für die gerichtliche Aussetzung angesehene Erlaß der Einspruchsentscheidung in der Hauptsache ist nicht erforderlich (Beermann, a. a. O., S. 31). Wollte man verlangen, daß zunächst die Einspruchsentscheidung abgewartet werden müsse, so wäre ein effizienter vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz nicht mehr in ausreichendem Maße gewährleistet. Daß bei dieser Auslegung die Regelung in Art. 3 § 7 VGFG-EntlG ihres Entlastungseffekts weitgehend beraubt wäre (so die Entscheidung des FG Düsseldorf, Senate in Köln, vom 3. Dezember 1979 VIII 338/79 A, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 138 - EFG 1980, 138-), kann nicht anerkannt werden. Die Entlastung liegt darin, daß Aussetzungsanträge zunächst durch eine Verwaltungsentscheidung vorgefiltert werden müssen - und sich dadurch z. T. auch erledigen -bevor sie an das Gericht herangetragen werden dürfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413598

BStBl II 1981, 440

BFHE 1981, 516

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