Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Geschäftsführers für Steuerschulden der GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers als Haftender für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH ergibt sich schon aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer und ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden kann.

2. Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit i. S. von § 69 AO 1977.

3. Zum Inhalt der Ermessenserwägungen bei Inanspruchnahme des Haftenden für die Steuerschulden der GmbH.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 34, 69, 71, 191 Abs. 1, § 227; FGO §§ 102, 142; ZPO § 114

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) ist von Beruf Mechaniker und war seit ihrer Gründung im Februar 1982 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, die am 2. März 1983 wegen Vermögenslosigkeit wieder im Handelsregister gelöscht wurde. Die Zeichnung der Geschäftsanteile durch den Antragsteller erfolgte auf Betreiben des ausländischen Staatsangehörigen A. Vor dem Notar unterschrieb der Antragsteller im Beisein des A den vorbereiteten Gesellschaftsvertrag sowie verschiedene andere Dokumente -- u. a. die Anmeldung zum Handelsregister und die Bestellung des A zum Prokuristen. Als Gegenleistung dafür erhielt der Antragsteller von A einen Betrag von insgesamt ... DM.

Die GmbH fungierte als sogenannte Strohmann-Gesellschaft in einer Kette von Firmen, die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassungen betrieben. Die Tätigkeit dieser Firmen wurde vom Ausland aus gesteuert. In der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) agierten nur Mittelsmänner und Kuriere. Diese traten -- vor allem auf Großbaustellen -- an Bauunternehmen heran und boten diesen zur Überbrückung kurzfristig vermehrten Personalbedarfs Arbeitskräfte an. Formal wurden mit den betreffenden Unternehmen Subunternehmerverträge geschlossen. Die Rechnungen über die erbrachten Leistungen wurden oft an Ort und Stelle gefertigt und von den Auftraggebern entweder in Form von Bargeld oder durch Barschecks beglichen, die sofort bei den bezogenen Banken eingelöst wurden. Steuern und Sozialabgaben wurden von den Firmen nur insoweit abgeführt, als dies zur Erlangung entsprechender Unbedenklichkeitsbescheinigungen erforderlich war.

In der Zeit von April 1982 bis Februar 1983 führte die GmbH nach diesem Muster erhebliche Umsätze aus. Die darauf entfallende Umsatzsteuer wurde den Auftraggebern zwar in Rechnung gestellt, aber nicht bei dem Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) angemeldet. Wegen dieser und weiterer steuerstrafrechtlicher Verfehlungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der GmbH wurde der Prokurist A zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Strafverfahren gegen den Antragsteller wurde gegen Zahlung einer Geldbuße nach § 153 a der Strafprozeßordnung eingestellt.

Nachdem ein Versuch des FA, die rückständige Umsatzsteuer bei der GmbH beizutreiben, erfolglos geblieben war, nahm dieses den Antragsteller und den A durch Haftungsbescheide gemäß § 71 und § 69 i. V. m. § 34 bzw. § 35 der Abgabenordnung (AO 1977) in Anspruch. Aufgrund der hiergegen eingelegten Einsprüche setzte das FA die Haftungsbeträge herab, weil es aufgrund strafgerichtlicher Feststellungen von geringeren Umsatzsteuerschulden der GmbH ausging. Bei dem Antragsteller berücksichtigte es, daß dieser nur bis zu der Löschung der GmbH im Handelsregister deren Geschäftsführer gewesen und als solcher im Handelsregister eingetragen war, und beschränkte seine Inanspruchnahme deshalb auf die bis einschließlich Februar 1983 entstanden Umsatzsteuerverbindlichkeiten in Höhe von ... DM. Im übrigen wies das FA den Einspruch des Antragstellers und den des A zurück.

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt der Antragsteller die Aufhebung des Haftungsbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung. Er ist der Ansicht, daß er nicht für Steuerrückstände der GmbH haftbar gemacht werden könne. Der Haftungsbescheid könne nicht auf § 71 AO 1977 gestützt werden, weil der Antragsteller keine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen habe. Die Einstellung des Strafverfahrens sei erfolgt, weil der Antragsteller in kaufmännischen Dingen völlig unerfahren gewesen sei und die Leitung der GmbH faktisch in den Händen des A und seiner ausländischen Hintermänner gelegen habe. Auch eine Haftung des Antragstellers nach § 69 AO 1977 scheide aus. Im Hinblick auf seine geschäftliche Unerfahrenheit falle ihm keine grob schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne dieser Vorschrift zur Last. Er habe sich voll in die Hände des ihm schon bekannten A begeben und diesem vertraut. Es habe aufgrund der Geschäftsverteilung allein dem A oblegen, die steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Der Antragsteller sei nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nur verpflichtet gewesen, die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln der GmbH zu entrichten. Er habe aber zu keinem Zeitpunkt über die Mittel der GmbH verfügen können. Die vereinnahmten Beträge seien unmittelbar an die ausländischen Hintermänner weitergeleitet worden.

Die Inanspruchnahme des Antragstellers sei auch ermessensfehlerhaft. Es sei nicht erkennbar, weshalb das FA nicht zunächst den A zur Haftung herangezogen habe. Ebensowenig sei ersichtlich, welche Bemühungen das FA angestellt habe, um die vom Ausland aus agierenden Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen. Schließlich verstoße die Inanspruchnahme des Antragstellers auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Angesichts seines Alters sowie seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse laufe sie darauf hinaus, daß ihm seine Einkünfte, soweit sie das Existenzminimum überstiegen, auf Lebenszeit weggepfändet würden, ohne daß dies zu einer nennenswerten Reduzierung der Steuerschuld führen werde.

Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt (§ 142 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung). Bei der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ist es zu dem Ergebnis gelangt, daß der Antragsteller jedenfalls aus § 69 Abs. 1 i. V. m. § 34 AO 1977 hafte, weil er seine ihm als Geschäftsführer der GmbH obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, daß die Umsatzsteuervoranmeldungen zutreffend abgegeben und die hiernach geschuldeten Steuern aus den Mitteln der GmbH fristgerecht an das FA entrichtet werden, grob schuldhaft verletzt habe. Die Inanspruchnahme des Antragstellers durch das FA sei auch ermessensfehlerfrei. Da die GmbH vermögenslos sei, entspreche die Inanspruchnahme des Antragstellers der gesetzlichen Haftungsvorschrift. Auch das Auswahlermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden, weil das FA nicht nur den Antragsteller, sondern auch den A in Anspruch genommen habe. Für die Inanspruchnahme weiterer Personen hätten die im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen keine ausreichende Grundlage geboten. Die Inanspruchnahme des Antragstellers verletze auch nicht den Grundsatz der Verhältnis mäßigkeit. Es bleibe ihm überlassen, die Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz durch die Inanspruchnahme in einem gesonderten Erlaßverfahren nach § 227 AO 1977 geltend zu machen. Die Inanspruchnahme des Antragstellers sei der Höhe nach nicht zu beanstanden; nach den vom Antragsteller nicht substantiiert bestrittenen Darlegungen des FA hätten der GmbH genügend Mittel zur Verfügung gestanden, um sämtliche Verbindlichkeiten in vollem Umfang zu erfüllen.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller geltend, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Dies ergebe sich aus den beizuziehenden Akten des Strafgerichts. Bei der Beurteilung seiner Pflichtverletzung müsse auch sein Bildungs- und Intelligenzgrad berücksichtigt werden. Der Antragsteller sei als Geschäftsführer nur vorgeschoben worden und habe überhaupt keine Machtbefugnisse gehabt. Er habe nicht über die Geschäftskonten der GmbH verfügen können, habe die eigentlichen Betreiber des Geschäfts nicht gekannt und keine Möglichkeit gehabt, sich durchzusetzen. Nachdem er gemerkt habe, daß mit seiner Person Mißbrauch getrieben werde, sei er als Geschäftsführer sofort zurückgetreten. Das FA habe sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Es werde bestritten, daß der wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestrafte A als Haftender in Anspruch genommen worden sei. Dieser noch als Unternehmer tätige Mittäter hätte vor dem Antragsteller, der nunmehr ein Rentnerdasein friste, herangezogen werden müssen. Außerdem hätten bereits bei der Ermessensabwägung Billigkeitsgesichtspunkte berücksichtigt werden müssen; es sei nicht sach gerecht, den Antragsteller insofern auf das Erlaßverfahren zu verweisen. Auf diesen Fall ließen sich die in der neuerlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Haftung mittelloser Familienangehöriger für Kredite anderer Angehöriger -- gemeint ist wohl der Beschluß des BVerfG vom 5. August 1994 1 BvR 1402/89 (Neue Juristische Wochenschrift -- NJW -- 1994, 2749) zum Ausdruck gebrachten Gedanken zwanglos übertragen. Die Inanspruchnahme des Antragstellers durch das FA verstoße gegen die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Das FA hält die Beschwerde für unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von PKH zu Recht mangels einer sich nach summarischer Prüfung ergebenden hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen des FG Bezug. Die hiergegen mit der Beschwerde erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

1. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ergibt sich die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH allein aus seiner nominellen Bestellung zum Geschäftsführer ohne Rücksicht darauf, ob sie auch tatsächlich ausgeübt werden kann (Bundesfinanzhof -- BFH --, Beschluß vom 25. April 1989 VII S 15/89, BFH/NV 1989, 757; Urteile vom 2. Juli 1987 VII R 104/84, BFH/NV 1988, 6; vom 11. November 1986 VII R 201/83, BFH/NV 1987, 212; Beschluß vom 19. November 1985 VII S 13/85, BFH/NV 1986, 266; Urteil vom 7. Mai 1985 VII R 111/78, BFH/NV 1987, 210; Beschluß vom 5. März 1985 VII B 69/84, BFH/NV 1987, 422). Der GmbH-Geschäftsführer kann sich nicht damit entschuldigen, daß er von der Führung der Geschäfte ferngehalten wird und die Geschäfte tatsächlich von einem anderen geführt worden sind. Wenn der Geschäftsführer die Geschäftsführung durch einen anderen duldet, so hat er durch geeignete Aufsichtsmaßnahmen dafür zu sorgen, daß dieser die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt. Der Geschäftsführer wird von seiner Verantwortlichkeit erst dadurch befreit, daß er von der Geschäftsführung der GmbH zurücktritt (vgl. u. a. BFH, Urteile vom 23. März 1993 VII R 38/92, BFH/NV 1994, 71; in BFHE 171, 10, BStBl II 1993, 581; vom 16. März 1993 VII R 57/92, BFH/NV 1993, 707). Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt er für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten voll verantwortlich (BFH in BFH/NV 1993, 707).

Es kommt daher nicht darauf an, ob der Antragsteller überhaupt und welche Machtbefugnisse er als Geschäftsführer der GmbH gehabt hat. Es ist in diesem Zusammenhang auch unerheblich, daß er von seiner Stellung als Geschäftsführer zurückgetreten ist, nachdem er erfahren hat, daß mit seiner Person Mißbrauch getrieben wurde. Denn das FA hat den Antragsteller nur für die auf den Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit entfallenden Steuern als Haftenden in Anspruch genommen. Ferner kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit der Antragsteller über die Mittel der GmbH tatsächlich verfügen konnte. Es ist allein entscheidend, daß er sich als bestellter Geschäftsführer der GmbH die Verfügungsgewalt über die zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten notwendigen Mittel hätte verschaffen müssen und es nicht hätte zulassen dürfen, daß andere ohne sein Zutun über diese Mittel verfügen.

2. Das FG ist ferner zutreffend von einer groben Fahrlässigkeit des Antragstellers ausgegangen. Grob fahrlässig i. S. des § 69 AO 1977 handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer acht läßt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1992 VII R 52/91, BFH/NV 1992, 785 m. w. N.). Der Antragsteller hat grob fahrlässig gehandelt, weil er es vor Übernahme der Geschäftsführerstellung unterlassen hat, sich mit den elementarsten handelsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH vertraut zu machen, und keine Erkundigungen über die hierfür zu beachtenden allgemeinen Pflichten des Steuerrechts eingezogen hat (vgl. BFH in BFH/NV 1992, 785). Er kann sich demgegenüber nicht auf seine mangelnden Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen berufen. Falls er diese -- wie er behauptet -- nicht gehabt hat, hätte er die Geschäftsführertätigkeit bei einer GmbH nicht übernehmen dürfen (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521; Beschluß vom 4. März 1986 VII S 33/85, BFHE 146, 23, BStBl II 1986, 384). Die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften auch steuerlicher Art muß von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebs verlangt werden (BFH-Urteile vom 12. Juli 1988 VII R 108-- 109/87, BFH/NV 1988, 764; in BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521).

3. Auch hinsichtlich der vom FA angestellten Ermessenserwägungen greifen die Bedenken des Antragstellers gegen die Ausführungen des FG nicht durch.

Zur Auswahl standen bei der Entscheidung über die als Haftende heranzuziehenden Personen nur der Antragsteller und A. Der Antragsteller hat gegenüber den im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren getroffenen Feststellungen, daß keine Grundlage für die Inanspruchnahme weiterer Personen bestehe, nicht substantiiert behauptet, daß dennoch weitere Personen hätten in Anspruch genommen werden können.

In bezug auf die nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung bestehen ebenfalls keine Bedenken dagegen, daß der Antragsteller und A gemeinsam gesamtschuldnerisch als Haftende in Anspruch genommen worden sind. Die Behauptung, A sei überhaupt nicht in Anspruch genommen worden, ist unsubstantiiert und wird durch den Inhalt der Akten widerlegt. Es bestand kein Grund, A vor dem Antragsteller in Anspruch zu nehmen. Der Senat hat zwar entschieden, daß das Auswahlermessen nicht fehlerhaft ausgeübt wird, wenn das FA nur denjenigen von mehreren Geschäftsführern in Anspruch nimmt, dem nach der intern getroffenen Geschäftsaufteilung die Erfüllung der steuerlichen Pflichten übertragen war (vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1991 VII B 116/91, BFH/NV 1992, 575). Daraus läßt sich aber nicht schließen, daß die gleichzeitige Inanspruchnahme anderer potentiell Haftender als Gesamtschulder ermessenwidrig wäre.

Der Senat hat es für möglich gehalten, daß für die Ausübung des Auswahlermessens ein unterschiedlicher Grad des Verschuldens der als Haftende in Betracht kommenden Personen erheblich sein könne (vgl. BFH-Urteil vom 29. Mai 1990 VII R 85/89, BFHE 161, 486, 489, BStBl II 1990, 1008). Hieraus kann der Antragsteller aber nichts zu seinen Gunsten herleiten. Es mag zwar im Streitfall so sein, daß der strafrechtliche Schuldvorwurf gegenüber dem Antragsteller geringer als der gegenüber A ist. Darauf kommt es aber für die Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftenden nicht an. Denn dafür ist nur der Grad des Verschuldens im Hinblick auf die Verletzung der steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer (§ 69 AO 1977) entscheidend. Diese Pflichten hat der Antragsteller -- wie bereits ausgeführt -- grob fahrlässig verletzt, so daß auch ihn ein erhebliches Verschulden an dem eingetretenen Schaden trifft. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes könnte es jedenfalls angesichts der Höhe des in Betracht kommenden Haftungsbetrages nicht als ermessensfehlerhaft erachtet werden, daß das FA den Antragsteller und A als Gesamtschuldner gleichzeitig als Haftende in Anspruch genommen hat.

Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung brauchte das FA ferner keine Erwägungen darüber anzustellen, ob die Höhe des Haftungsbetrages dem Grad des Verschuldens des Antragstellers entspricht. Denn die Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftenden ist keine verschuldensabhängige Sanktion für die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, sondern beruht allein darauf, daß er als Geschäftsführer der GmbH einen Steuerausfall schuldhaft verursacht hat und für den daraus der Allgemeinheit entstandenen Schaden ersatzpflichtig ist (vgl. BFH-Urteile vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979, und VII R 62/87, BFH/NV 1990, 348).

Schließlich besteht auch kein Grund, im Rahmen der Betätigung des Auswahlermessens bereits Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die sich aus der Größenordnung der Haftungsschuld im Vergleich zu den finanziellen Möglichkeiten des potentiellen Haftungsschuldners ergeben. Auch insoweit ist es wegen des Schadensersatz charakters des Haftungsanspruchs nicht gerechtfertigt, bereits bei der Feststellung dieses Anspruchs durch den Haftungsbescheid Billigkeitsgesichtspunkte zu berücksichtigen. Hier können deshalb die in der vom Antragsteller genannten Entscheidung des BVerfG in NJW 1994, 2749 für den Fall unverhältnismäßiger Belastungen durch eine vertraglich eingegangene Bürgschaftsverpflichtung entwickelten Gedanken zur gestörten Vertragsparität und der dadurch verletzten Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) nicht die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen begründen. Im übrigen besteht ein entscheidender Unterschied zu dem vom BVerfG entschiedenen Fall darin, daß der Antragsteller nicht aufgrund vertraglicher Verpflichtungen, sondern wegen eines schuldhaft verursachten Schadens vom FA in Anspruch genommen wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420608

BFH/NV 1995, 941

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