Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertrags(zahn)arzt. Zulassungsentziehung wegen Pflichtverletzung. Fertigung von Videobildaufnahmen seiner Helferinnen in den Umkleideräumen und Duschen. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 6 KA 4/18 R

 

Orientierungssatz

Ein Vertrags(zahn)arzt verstößt gegen seine vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten in gröblicher Weise, wenn er Videobildaufnahmen von seinen Helferinnen in den Umkleideräumen und Duschen fertigt. Damit liegt ein Eingriff von hohem Gewicht in den Schutz der Intim- und Privatsphäre der Mitarbeiterinnen innerhalb des dienstlichen Bereichs vor.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.04.2019; Aktenzeichen B 6 KA 4/18 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichtes Gotha vom 23. März 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wehrt sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung.

Der Kläger ist als Vertragszahnarzt in G. zu- und niedergelassen. Am 15. Februar 2012 befand sich der Kläger tagsüber nicht in seiner Praxis. Die anwesenden Mitarbeiterinnen führten ihren Angaben zufolge unter anderem Reinigungsarbeiten aus, bei denen sie den Schlüssel zum Arbeitszimmer des Klägers entdeckten; sie öffneten das verschlossene Zimmer. Bei den polizeilichen und späteren Zeugenvernehmungen gaben sie an, sie hätten das Gefühl gehabt, dass der Kläger sie abhöre. Er habe von vertraulichen Dingen gewusst, die sie ihm nicht berichten hätten und sie sehr stark kontrolliert. In dem Arbeitszimmer entdeckten sie, dass der Kläger von seinem Computer aus ihr Umkleidezimmer nebst Dusche beobachten konnte. Zunächst nahm eine Mitarbeiterin zwei Speicherkarten sowie ein Batterieladegerät mit nach Hause. Gegen Abend trafen sich die Mitarbeiterinnen mit der Zahnärztin K., die eine Zeit lang in der Praxis gearbeitet hatte, und deren Anwalt wieder in der Praxis. Die Speicherkarten wurden zurückgelegt und die Polizei informiert. Diese traf vor 20:00 Uhr ein, inspizierte die Praxisräume und stellte den Computer nebst Kamera sowie weiteres Zubehör sicher.

Die Staatsanwaltschaft wurde davon am 21. Februar 2012 unterrichtet und stellte Antrag auf richterliche Bestätigung der Beschlagnahme. Mit richterlichem Beschluss vom 19. März 2012 wurde die Beschlagnahme genehmigt. Die Beschwerde dagegen wurde vom Landgericht Gera als unzulässig verworfen.

Die Zahnarzthelferinnen stellten Strafanträge gegen den Kläger. Sie wurden von der Polizei als Zeuginnen vernommen. Hierbei kamen auch andere Verhaltensweisen des Klägers, unter anderem, dass er die Mitarbeiterinnen gelegentlich unter die Dusche trug oder brachte und mit Arbeitskleidung abbrauste, zur Sprache. Die beschlagnahmten Dateien wurden ausgewertet. Der Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichtes Gera vom 27. September 2013 wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dagegen legten der Kläger und die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichtes beantragte die Beigeladene zu 7. die Entziehung der Zulassung des Klägers bei dem Zulassungsausschuss für Zahnärzte für den Freistaat Thüringen.

Im Januar 2014 ließ das Landgericht Gera eine Anklage der Staatsanwaltschaft Gera über weitere Straftaten nach § 201a StGB zur Hauptverhandlung zu und eröffnete das Hauptverfahren. Gleichzeitig wurde das Hauptverfahren mit dem anhängigen Berufungsverfahren verbunden.

Der Kläger teilte nach Anhörung durch den Zulassungsausschuss mit, dass Urteil des Amtsgerichts Gera sei durch den Verbindungsbeschluss des Landesgerichtes gegenstandslos geworden. Die Anklageschrift sei zu unbestimmt und daher in dem Strafverfahren nicht zugelassen worden. Das vorgeworfene Fehlverhalten stehe in keinem Zusammenhang mit der vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Eine Patientengefährdung sei nicht ersichtlich. Auch eine Gefährdung des Systems der vertragszahnärztlichen Versorgung sei nicht zu befürchten. Er habe an seine ehemaligen Mitarbeiterinnen bereits erhebliche Schmerzensgeldbeträge gezahlt. Das belege, dass er zur Wiedergutmachung und zum Schadensausgleich bereit sei. Er sei bisher weder strafrechtlich noch disziplinarisch in Erscheinung getreten.

In der Sitzung des Zulassungsausschusses am 5. März 2014 führte er aus, er habe jetzt andere Helferinnen eingestellt, die technischen Vorkehrungen seien entfernt worden und es hätte ein Disziplinarverfahren als milderes Mittel durchgeführt werden müssen.

Mit Beschluss vom gleichen Tag entzog der Zulassungsausschuss dem Kläger die Zulassung zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit. Er sei ungeeignet für die Ausübung dieser Tätigkeit im Sinne des § 21 der Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV). Er habe unstreitig über einen sehr langen Zeitraum unberechtigt Bildaufnahmen seiner Helferinnen gefertigt, Videoaufnahmen ohne deren ...

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