Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 2 S 1 iVm Abs 1 Nr 1 SGB 7. Wie-Beschäftigter. fremdnützige Tätigkeit. Sonderbeziehung: familienhafte Bindung. Bruder des Bauherrn. Sturz vom Gerüst bei Sanierung des Hauses

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Bruder des Bauherrn steht während der Mithilfe bei nicht gewerbsmäßigen Bauarbeiten nicht gem § 2 Abs 2 S 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn die verrichtete Tätigkeit ihr maßgebliches Gepräge aus der Sonderbeziehung zum Bauherrn erhielt.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1, § 8 Abs. 1 S. 1, §§ 121, 129 Abs. 1 Nr. 3; SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; BRTV Baugewerbe § 3; SGG § 54 Abs. 1, 4

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 4. Februar 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht, ob es sich bei dem Ereignis vom 28. Oktober 2008 um einen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) handelte.

Der Kläger ist Bruder des Beigeladenen zu 1. und Schwager der Beigeladenen zu 2. Vom 5. September 2008 bis zum 28. Oktober 2008 sanierten bzw. modernisierten die Beigeladenen die Fassade ihres Wohnhauses in Eigenleistung. Am 28. Oktober 2008 half der Kläger von ca. 16.30 Uhr bis 18.00 Uhr dem Beigeladenen zu 1. beim Gerüstrückbau, mit dem auch das Ende der Bauarbeiten einherging. Im Zuge der Gerüstrückbauarbeiten verlor das Gerüst an Halt und der Kläger sprang bzw. stürzte vom Gerüst. Dabei zog er sich eine zweitgradige offene Tibia-Trümmerfraktur am linken Fuß zu.

Der Beigeladene zu 1. meldete das Ereignis gegenüber der Beklagten als Unfall. Dabei gab er an, dass der Kläger am 11. Oktober 2008 zwei Stunden bei der Anbringung von Dämmung Hilfestellung geleistet habe. Am Tag des Unfalls habe der Kläger 1,5 Stunden beim Gerüstrückbau geholfen. Weiterhin ist der übersandten Auflistung zu entnehmen, dass ein weiterer Bruder des Klägers, der Zeuge S A, insgesamt 15,5 Stunden beim Gerüstaufbau und der Anbringung von Unterkonstruktionen und von Dämmung Hilfe geleistet habe, gleichfalls der Vater des Klägers, der Zeuge E A, welcher insgesamt 7 Stunden bei der Anbringung von Dämmung und Unterkonstruktionen Hilfestellung geleistet habe und schließlich S H (ein Nachbar), der bei Putzarbeiten insgesamt 5 Stunden geholfen habe. Seine Eigenleistung als Bauherr habe 74 Stunden betragen. Auf Befragen der Beklagten teilte der Kläger mit, dass hinsichtlich der Gerüstrückbauarbeiten zunächst von einer Unterstützungsarbeit mit einem zeitlichen Umfang von 1,75 Stunden ausgegangen worden sei.

Mit Bescheid vom 5. März 2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Es habe sich um einen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst zwischen Verwandten gehandelt, der einen Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 SGB VII ausschließe. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2009 zurückgewiesen. Die Beigeladenen wurden im Verwaltungsverfahren nicht beteiligt.

In einem vor dem Landgericht Meiningen unter dem Az.: (348) 1 O 1177/13 geführten Schadensersatzverfahrens des Klägers gegen die Beigeladenen erfolgte unter dem 5. Juni 2015 der richterliche Hinweis, dass hinsichtlich des sozialrechtlichen Verfahrens auch die Beteiligung der hiesigen Beigeladenen erforderlich sei. Sodann wurde das Verfahren nach § 108 Abs. 2 SGB VII bis zum Abschluss eines solchen Verfahrens ausgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2015 beantragte der Kläger die erneute Durchführung des Verfahrens unter Beteiligung der Beigeladenen. Dies wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Daraufhin gab die Beklagte den Beigeladenen mit Schreiben vom 1. Juli 2015 Gelegenheit, sich zum Antrag des Klägers zu äußern. Mit Bescheid vom 5. Dezember 2016 wurde der Überprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Bescheid vom 5. März 2009 sei nicht rechtswidrig. Es liege eine Sonderbeziehung als Familienangehörige vor, die der Annahme einer Wie-Beschäftigung entgegenstünde. Der Bescheid wurde auch den Beigeladenen bekanntgegeben.

Der nur vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2017 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls und Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung erhoben. Eine versicherte Tätigkeit im Sinne einer Wie-Beschäftigung sei anzuerkennen. Er hätte den Beigeladenen nicht ohne Versicherungsschutz geholfen. Ohnehin sei das Verhältnis der Brüder untereinander „nicht das Beste“ gewesen. Die Notwendigkeit des Gerüstabbaus habe sich kurzfristig ergeben. Er habe nur geholfen, weil andere Helfer nicht zur Verfügung gestanden hätten. Im Übrigen spreche auch der nur geringe Stundenanteil der Unterstützungsleistung durch den Kläger dafür, dass diese nicht wegen eines besonderen Verwandtschaftsverh...

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