Zusammenfassung

 
Begriff

Soziotherapie ist eine ambulante Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie soll helfen, den sogenannten "Drehtüreffekt" zu vermeiden. Damit ist gemeint, dass es bei Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus oft sehr schnell zur Wiederaufnahme kommt. Die Soziotherapie dient hier der Verkürzung oder Vermeidung einer (weiteren) Krankenhausbehandlung von Versicherten mit schweren psychischen Störungen, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sind, andere notwendige ambulante Behandlungen selbstständig in Anspruch zu nehmen. Dazu werden Trainings- und Motivationsmethoden sowie Koordinierungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt, damit die Versicherten lernen, ihren Alltag wieder selbstständig zu meistern, z. B. Arzttermine wahrzunehmen, Arzneimittel einzunehmen oder Selbsthilfegruppen zu besuchen.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Sozialversicherung: Der Anspruch auf Soziotherapie ergibt sich aus § 37a SGB V. Die konkreten Voraussetzungen, Art, Umfang und Inhalt der Versorgung sowie die Details der Zusammenarbeit des Verordners mit dem Leistungserbringer enthalten die Richtlinien über die Durchführung der Soziotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung (SoziothRL).

Für die Zuzahlungsregelung ist § 61 Satz 1 SGB V anzuwenden; Zweifelsfragen dazu sind im Gemeinsamen Rundenschreiben der damaligen Spitzenverbände der Krankenkassen zum GKV-Modernisierungsgesetz vom 26.11.2003 (GR v. 26.11.2003) geklärt.

1 Anspruchsvoraussetzungen

1.1 Schwere psychische Erkrankungen

Soziotherapie kann nur bei Vorliegen einer schweren psychischen Erkrankung geleistet werden. Erkrankungen in diesem Sinne sind solche aus den Bereichen

  • des schizophrenen Formenkreises, ICD-10-Nrn.:

    • F 20.0 – 20.6 [Schizophrenie],
    • F 21 [schizotype Störung],
    • F 22 [anhaltende wahnhafte Störung],
    • F 24 [induzierte wahnhafte Störung] und
    • F 25 [schizoaffektive Störung]

    und

  • der affektiven Störungen, ICD-10-Nrn.:

    • F 31.5 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung],
    • F 32.3 [schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen] und
    • F 33.3 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung]).

Schwer psychisch Erkrankte mit anderen Diagnosen aus dem ICD-10 Bereich F00 bis F99 erhalten in begründeten Einzelfällen eine Verordnung von Soziotherapie, wenn ein GAF-Wert ≤ 40[1] gilt und wenn sich aufgrund der Gesamtsituation und nach fachärztlicher Einschätzung eine medizinische Erforderlichkeit insbesondere aus einem der nachfolgend genannten Kriterien ergibt:

  • relevante Co-Morbiditäten (psychiatrische, wie z. B. Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen oder somatische, wie z. B. Mobilitätseinschränkungen oder chronische Schmerzerkrankungen),
  • stark eingeschränkte Fähigkeit zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben,
  • eingeschränkte Fähigkeit zur selbstständigen Inanspruchnahme ärztlicher und psychotherapeutischer sowie ärztlich oder psychotherapeutisch verordneter Leistungen sowie zur Koordination derselben, oder
  • stark eingeschränkte Wegefähigkeit.
[1]

S. Abschn. 1.3.

1.2 Eingeschränkte Kompetenz/Fähigkeitsstörungen

Weitere Anspruchsvoraussetzung ist, dass der Versicherte durch die schwere psychische Erkrankung nicht in der Lage ist, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbstständig in Anspruch zu nehmen. Es müssen folgende Beeinträchtigungen (kumulativ oder alternativ) vorliegen:

  • Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, durch Unfähigkeit zu strukturieren, durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezugs,
  • Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit,
  • Einbußen im Sinne von Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens,
  • mangelnde Compliance im Sinne eines krankheitsbedingt unzureichenden Zugangs zur eigenen Krankheitssymptomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen.

Außerdem muss durch die Verordnung von Soziotherapie eine Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt werden oder eine Krankenhausbehandlung ist geboten, aber nicht ausführbar.

1.3 GAF-Skala

Zur Bestimmung des Ausmaßes der unter Abschn. 1.2 genannten Beeinträchtigung der Aktivität soll die GAF Skala herangezogen werden. Orientierungswert ist 40 (höchstens ≤ 50).

1.4 Verordnung

Nicht alle Vertragsärzte dürfen Soziotherapie verordnen. Die Befugnis zur Verordnung bedarf der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung. Ärzte, die berechtigt sind, die Gebietsbezeichnung Psychiatrie, Neurologie, Nervenheilkunde oder psychosomatische Medizin und Psychotherapie zu führen, sind grundsätzlich berechtigt, Soziotherapie zu verordnen. Auch psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten können verordnungsberechtigt sein.

Auch im Rahmen des Krankenhaus-Entlassmanagements kann eine Verordnung bis zur Dauer von 7 Tagen erfolgen.[1]

1.5 Genehmigungspflicht

Die Verordnung von ...

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