0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 45 trat durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I. S. 1014) zum 1.4.1995 in Kraft. Mit dem Pflegequalitätssicherungsgesetz (PQsG) v. 9.9.2001 (BGBl. I S. 2320) wurde Abs. 1 Satz 3 zum 1.1.2002 zur Sollvorschrift umgestaltet.

Art. 8 Nr. 16 des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) hat dann mit Wirkung zum 1.7.2008 Abs. 3 geändert.

Art. 1 Nr. 23 des Zweiten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften (Zweites Pflegestärkungsgesetz – PSG II) v. 21.12.2015 (BGBl. I S. 2424) verpflichtet die Pflegekassen zum 1.1.2016 Pflegekurse anzubieten.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift ist Bestandteil des Grundkonzepts der sozialen Pflegeversicherung, dass Pflege vorrangig im häuslichen Bereich stattfinden soll. Nach § 3 Satz 1 soll die Pflegeversicherung mit ihren Leistungen vorrangig die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn unterstützen, damit die Pflegebedürftigen möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung bleiben können. Zu den Leistungen der Pflegeversicherung gehören dabei, wie § 28 Abs. 1 Nr. 11 zu entnehmen ist, Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen. Die Teilnahme an einem solchen Pflegekurs wird häufig Ergebnis einer Pflegeberatung sein, die gemäß § 7a Abs. 2 Satz 1 auf Wunsch unter Einbeziehung von Dritten, insbesondere Angehörigen und Lebenspartnern zu erfolgen hat.

§ 45 – ebenso wie § 3 – war bis 31.12.2015 als Soll-Vorschrift ausgestaltet – ab 1.1.2016 sind die Pflegekassen verpflichtet, Pflegekurse anzubieten.

2 Rechtspraxis

2.1 Adressaten

 

Rz. 3

Die Schulungskurse wenden sich an Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen. Aus dieser weiten Formulierung des Abs. 1 folgt, dass die Kursteilnehmer nicht bereits Pflegepersonen i. S. v. § 19 sein müssen. Interessenten müssen auch nicht nachweisen, dass sie unmittelbar vor der Ausübung einer Pflegetätigkeit stehen. Sofern für den Interessenten an einem Kurs die Pflege eines Pflegebedürftigen konkret in Aussicht steht oder sogar bereits durchgeführt wird, ist nicht erforderlich, dass der betreffende Pflegebedürftige Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhält.

2.2 Kursinhalte und -ziele

 

Rz. 4

Die Kurse können ganz unterschiedlich ausgestaltet sein.

Es kann sich um Orientierungskurse handeln, in denen grundsätzliche Dinge angesprochen werden und in denen die potenzielle Pflegeperson sich ein Bild machen kann von den Herausforderungen, die auf sie zukommen würden, wenn sie sich zur Durchführung der Pflege entschließt. Insbesondere können die körperlichen und seelischen Anforderungen, denen eine Pflegeperson regelmäßig ausgesetzt ist, dargestellt, die Rollen von Pflegebedürftigem und Pflegeperson in psychologischer Hinsicht erörtert, Möglichkeiten des behindertengerechten Wohnens vorgestellt und finanzielle Fragen und Fragen im Zusammenhang mit dem Versicherungsschutz nach dem SGB XI thematisiert werden.

Den Kernbereich der Kurse nach § 45 stellen indes Kurse dar, die pflegerische Grundkenntnisse vermitteln. Dazu gehören etwa Unterweisungen in der Körperpflege allgemein, im Heben und Lagern, im rückenschonenden Arbeiten, in Standards der Hygiene, in der sachgerechten und pflegeerleichternden Bekleidung des Pflegebedürftigen, in der Inkontinenzversorgung, in der Ernährung, im Gebrauch von Hilfsmitteln, in der Abwehr von (weiteren) Gesundheitsgefahren (Dekubitus, Pneumonie, Kontrakturen und Thrombosen), in der Verminderung pflegeerschwerender Umstände und Unterstützung bei besonderen krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen. Mit Hilfe der Schulungskurse soll der Entstehung von körperlichen und seelischen Belastungen bei den Pflegepersonen vorgebeugt werden.

Diese Unterweisungen finden auf Wunsch der Pflegeperson oder der pflegebedürftigen Person nach Maßgabe von Abs. 1 Satz 3 auch in der häuslichen Umgebung der Pflegebedürftigen statt. Es bietet sich dabei die Möglichkeit, auf die individuellen räumlichen Gegebenheiten einzugehen und konkrete Hinweise zum Einsatz von bestimmten Hilfsmitteln und zu denkbaren Maßnahmen der Verbesserung des Wohnumfeldes zu geben. Da die Beratung in einem durch Art. 13 GG geschützten Bereich stattfindet, ist die Einwilligung des Pflegebedürftigen erforderlich.

Sämtlichen Kursen ist das Ziel zu eigen, soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern und pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern (Abs. 1 Satz 1) sowie Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege zu vermitteln (Abs. 1 Satz 2).

2.3 Durchführung der Kurse und Kosten

 

Rz. 5

Nach Maßgabe von Abs. 2 stehen den Pflegekassen 3 verschiedene Wege offen, Pflegekurse anzubieten. Entweder führt die betreffende Pflegekasse den Kurs selbst durch oder sie bietet ihn mit einer oder mehreren anderen Kassen gemeinsam an oder aber sie beauftragt geeignete andere Einrichtungen mit der Veranstaltung.

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