2.1 Auslandsaufenthalt

 

Rz. 3

Ähnlich wie § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung normiert Abs. 1 Nr. 1 für den Bereich der Pflegeversicherung das Territorialprinzip. Leistungen werden nach diesem Grundsatz nur bei Aufenthalt im Inland zur Verfügung gestellt. Der Grundsatz steht unter dem Vorbehalt über- oder zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen. Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 normiert mit der Einschränkung des nachfolgenden Satzes 3 sodann eine Ausnahmeregelung im Falle des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes.

Voraussetzung ist jeweils, dass die Leistung des Pflegegeldes bzw. die Pflegesachleistung bereits vor Beginn des vorübergehenden Auslandsaufenthaltes bewilligt worden ist. Für die Pflegesachleistung verlangt Nr. 1 Satz 3 zudem, dass die betreffende bekannte Pflegekraft den Pflegebedürftigen während des Auslandsaufenthaltes begleitet.

 

Rz. 4

Der Ruhenstatbestand des Auslandsaufenthaltes hat zudem durch Rechtsprechung des EuGH eine sehr starke Einschränkung erfahren. Mit seiner Entscheidung v. 5.3.1998 (C-160/96, NJW 1998 S. 1767) hat der EuGH klargestellt, dass Versicherte der deutschen Pflegeversicherung bei Aufenthalt oder Wohnsitznahme in Ländern der EU bzw. des EWR abweichend vom Prinzip des § 34 Abs. 1 Nr. 1 auch über einen Zeitraum von 6 Wochen hinaus Leistungen erhalten können. Der EuGH hat in dem Verbot, während eines dauernden Auslandsaufenthaltes Pflegegeld zu zahlen, einen Verstoß gegen europäisches Recht in Gestalt der EWG-VO 1408/71 gesehen. Personen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit im europäischen Wirtschaftsraum Gebrauch machen wollen, dürfen nach Auffassung des EuGH hierdurch keine unangemessenen sozialrechtlichen Nachteile erleiden.

 

Rz. 5

Das Urteil hat nur für solche Personen Bedeutung gewonnen, die sich in einem Land des EWR aufhalten. Es bezieht sich auf Versicherte, die trotz Aufenthaltes oder Wohnsitzes im EWR-Ausland in der deutschen Pflegeversicherung versichert sind und entsprechend Beiträge zur deutschen Pflegeversicherung entrichten. Es gilt darüber hinaus für die mitversicherten Familienangehörigen.

Sachleistungen, auch in Gestalt von Kombinationsleistungen gemäß §§ 36, 38, Pflegehilfsmittel gemäß § 40 und Pflegekurse gemäß § 45 sind nicht exportfähig. Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH jedenfalls dann, wenn das System der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die pflegebedürftige Person wohnt, im Gegensatz zum System des zuständigen Staates keine Sachleistungen vorsieht (EuGH, Urteil v. 16.7.2009, C-208/07).

Der bundesdeutsche Gesetzgeber hat auf die Rechtsprechung des EuGH nunmehr durch Einfügung des Abs. 1a zustimmend reagiert. Zu beachten ist dabei indes, dass der Tatbestand dieser Vorschrift nur das Pflegegeld nach § 37 oder das anteilige Pflegegeld nach § 38 erfasst. Details regelt das Gemeinsame Rundschreiben zu Leistungen der Pflegeversicherung bei Auslandsaufenthalt v. 13.4.2017.

Das BSG hat mit Urteil v. 20.4.2016 (B 3 P 4/14 R) ebenfalls festgestellt, dass bei vorübergehendem Auslandsaufenthalt auch ein Anspruch auf Verhinderungspflege nach § 39 besteht. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ersatzpflegeperson aus Deutschland heraus mitreist oder sich vor Ort befindet (z. B. in Spanien lebende Großeltern) und ob sie mit dem Pflegebedürftigen bis zum 2. Grad verwandt oder verschwägert ist oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt. Die Leistungen können auch von professionellen Pflegekräften bei vorübergehenden Auslandsaufenthalt erbracht werden. Diese Regelung gilt weltweit.

2.2 Bezug von Entschädigungsleistungen

 

Rz. 6

Nach § 13 Abs. 1 gehen die Entschädigungsleistungen wegen Pflegebedürftigkeit nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, die Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und die Leistungen aus öffentlichen Kassen aufgrund gesetzlich geregelter Unfallversorgung oder Unfallfürsorge den Leistungen der Pflegeversicherung vor. Abs. 1 Nr. 2 konkretisiert diese Vorschrift dahin, dass der Vorrang nur besteht, soweit die betreffenden Leistungen bezogen werden. Sind die Leistungen der Pflegeversicherung umfangreicher, ruhen diese nur bis zur Höhe der anderen Leistungen. Der Differenzbetrag ist von der Pflegeversicherung zu erbringen (vgl. BSG, Urteil v. 10.10.2000, B 3 P 2/00 R, Breithaupt 2001 S. 452).

Bei gleichzeitigem Bezug einer Pflegezulage nach § 35 BVG ruht der Anspruch auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung auch insoweit, als in die Bemessung des Pflegebedarfs die Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung einbezogen worden ist (BSG, Urteil v. 2.7.1997, 9 RV 19/95, Breithaupt 1998 S. 317; Urteil v. 29.4.1999, B 3 P 14/98 R, USK 9952; Urteil v. 29.4.1999, B 3 P 15/98 R, SozR 3-3300 § 34 Nr. 1).

Bei beihilfeberechtigten Versicherten der sozialen Pflegeversicherung, die Pflegesachleistungen nur zur Hälfte erhalten, ist die Pflegezulage nach § 35 BVG auch nur zur Hälfte auf die Leistungen der Pflegeversicherung anzurechnen (BSG, Urteil v. 29.4.1999, B 3 P 15/98 R, a. ...

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