Rz. 26

Die Befreiung von der Pflegeversicherungspflicht tritt nicht schon deshalb ein, weil eine Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 entsteht und das Risiko der Pflegebedürftigkeit anderweitig adäquat abgesichert ist. Erforderlich ist, obwohl im Gesetz so nicht ausdrücklich vorgeschrieben, der Erlass eines Befreiungsbescheides durch die Pflegekasse nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens i. S. d. § 8 SGB X. Soweit der Gesetzestext davon spricht, dass die betroffenen Personen von der Pflegeversicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 befreit werden "können", bedeutet dies nicht, dass damit der Pflegekasse ein Ermessen zusteht. Das "können" bezieht sich auf das Befreiungsrecht des von der Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 Betroffenen. Die Entscheidung der Pflegekasse ist dagegen eine gebundene Entscheidung, wenn und soweit die Voraussetzungen vorliegen (h. M. vgl. Karl Peters, in: KassKomm. SGB XI, § 22 Rz. 15, Stand: Juni 2016; Luthe, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 22 Rz. 15, Stand: Dezember 2015; Klein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, § 22 Rz. 15, Stand: 14.1.2019). Dieser Befreiungsbescheid als Verwaltungsakt nach § 31 SGB X hat rechtsgestaltende Wirkung und wirkt auch für und gegen Dritte. Dies gilt insbesondere auch für andere Pflegekassen. Wenn z. B. der freiwillig Krankenversicherte seine Krankenkasse wechselt und dadurch an sich die Pflegekasse bei der neu gewählten Krankenkasse zuständig wäre, entfaltet die ausgesprochene Befreiung auch für diese Bindungswirkung. Desgleichen hat der Befreiungsbescheid Wirkung gegenüber Arbeitgebern hinsichtlich des Beitragszuschusses nach § 61.

2.2.1 Befreiungsantrag

 

Rz. 27

Die Befreiung von der Pflegeversicherungspflicht erfolgt nur auf Antrag des Berechtigten, also der Person die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert ist. Dieser Antrag setzt das Befreiungsverfahren in Gang und ist materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Befreiungsbescheid. Er setzt daher Geschäftsfähigkeit voraus, wobei § 36 SGB I nicht anwendbar ist. Es handelt sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht des Versicherungspflichtigen gegenüber dem für die Pflegeversicherung zuständigen Träger. Der Antrag kann grundsätzlich nicht mit Bedingungen verbunden werden. Bei Unklarheit über das Bestehen einer freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung kann er unter der Rechtsbedingung des Bestehens von Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 gestellt werden. Eine bestimmte Form ist für diesen Antrag nicht vorgeschrieben; in der Praxis haben sich, auch aus Beweisgründen, schriftliche Anträge durchgesetzt.

 

Rz. 28

Der Befreiungsantrag ist bei der Pflegekasse zu stellen, die bei der Krankenkasse errichtet ist, bei der die freiwillige Mitgliedschaft besteht oder nach § 188 Abs. 4 SGB V bestehen würde. Der Befreiungsantrag als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung wird mit dem Zugang bei der Pflegekasse wirksam. Dieser Antrag kann jedoch bis zum Ausspruch der Befreiung zurückgenommen werden.

2.2.2 Antragsfrist

 

Rz. 29

Der Antrag auf Befreiung ist nach Abs. 2 innerhalb von 3 Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 zu stellen. Nach § 26 Abs. 1 SGB X gelten für die Berechnung der Frist die §§ 187 bis 193 BGB. Fällt der letzte Tag der Antragsfrist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist nach § 26 Abs. 3 SGB X i. V. m. § 193 BGB mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Geht der Antrag innerhalb der Frist bei einer unzuständigen Stelle ein (z. B. bei der Krankenkasse, bei der die Pflegekasse besteht, oder einer nicht zuständigen Kranken- oder Pflegekasse), so gilt der Antrag nach § 16 Abs. 2 SGB I als fristgerecht gestellt.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer ist versicherungspflichtig zur Kranken- und damit zur sozialen Pflegeversicherung. Er scheidet wegen Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze mit Ablauf des 31.12. d. J. aus der Krankenversicherungspflicht aus (§ 6 Abs. 4 SGB V) und wird zum 1.1. des Folgejahres freiwilliges Mitglied seiner Krankenkasse. Somit bestünde von diesem Zeitpunkt an aufgrund der freiwilligen Krankenversicherung eine Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 3 SGB XI). Er kann sich auf Antrag von der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung befreien lassen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

 
Beginn der Versicherungspflicht zur Pflegeversicherung 1.1.
Antragsfrist vom 1.1. bis 31.3.
Antrag auf Befreiung: 25.2.
Wirkung der Befreiung: 1.1.
 

Rz. 30

Es handelt sich hier um eine von Amts wegen zu beachtende Ausschlussfrist (so auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 12/5952 S. 37) und Karl Peters, in: KassKomm. SGB XI, § 22 Rz. 16, Stand: Juni 2016; Wiegand, in: Udsching, SGB XI, 5. Aufl., § 22 Rz. 5; zweifelnd Klein, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, § 22 Rz. 15, Stand: 14.1.2019). Wird sie versäumt, kommt eine Befreiung auch für die Zukunft nicht mehr in Betracht. Dies wird durch die Regelung in Abs. 2 Satz 1 bestätigt, wonach der Antrag "nur" innerhalb von 3 Monaten ge...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge