Rz. 37

Auch für bereits zugelassene und im Verkehr befindliche Arzneimittel konnte der Gemeinsame Bundesausschuss eine Nutzenbewertung veranlassen. Die Nutzenbewertung war dann Grundlage der nachfolgenden Vereinbarung eines Erstattungsbetrages zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem pharmazeutischen Unternehmer. Die Formulierung in Abs. 6 Satz 1 zeigte, dass dieses Verfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss auf Antrag seiner Mitglieder eingeleitet wurde. Der Verweis auf die entsprechende Anwendung von Abs. 5 in Abs. 6 Satz 3 betraf lediglich das dann einzuhaltende Verfahren und dessen Voraussetzungen, eröffnete allerdings nicht ein selbstständiges Antragsrecht des pharmazeutischen Unternehmers. Der Beschluss, eine Bestandsmarkt-Nutzenbewertung zu veranlassen, war keine Regelung i. S. v. § 31 Satz 1 SGB X. Abweichend von den Bestimmungen zur sog. Frühnutzenbewertung nach § 35a Abs. 1 Satz 3, die unmittelbar das Gebot zur Vorlage des Dossiers einschließlich des maßgeblichen Einreichungszeitpunktes beinhalten, entstand bei der Bestandsmarkt-Nutzenbewertung lediglich die Obliegenheit zur Dossierübermittlung erst nach Aufforderung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.2.2013, L 7 KA 106/12 KL ER). Die Einleitungsentscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses löste lediglich eine gesetzliche Mitwirkungsobliegenheit des pharmazeutischen Unternehmers hinsichtlich der Übermittlung der für die Nutzenbewertung erforderlichen Nachweise nach Abs. 1 aus.

 

Rz. 38

Der Gemeinsame Bundesausschuss war nach Maßgabe von Abs. 6 Satz 2 gehalten, vorrangig Arzneimittel zu bewerten, die für die Versorgung von Bedeutung sind oder mit Arzneimitteln im Wettbewerb stehen, für die ein Beschluss nach Abs. 3 bereits vorlag. Arzneimittel sind insbesondere dann von Bedeutung, wenn sie eine Vielzahl von Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung betreffen, die Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung relevant sind sowie die Qualität der Versorgung maßgeblich ist. Arzneimittel, die im Wettbewerb stehen mit Arzneimitteln, für die bereits Nutzenbewertungen abgeschlossen sind, können insbesondere Arzneimittel mit gleichem Anwendungsgebiet sein. Der Gesetzgeber wollte insofern eine Gleichbehandlung der nicht festbetragsfähigen Arzneimittel mit gleichem Anwendungsgebiet gewährleisten (BT-Drs. 17/2413 S. 23).

 

Rz. 39

Abs. 6 Satz 4 betraf Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits im Verkehr waren (Bestandsmarktarzneimittel). Maßgeblicher Zeitpunkt war insofern unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 1 AMNOG der 1.1.2011. Bei Zulassung eines neuen Anwendungsgebietes für dieses Arzneimittel hat der pharmazeutische Unternehmer ein Dossier spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung nur in dem Fall zu übermitteln, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss für dieses Arzneimittel eine Nutzenbewertung nach Satz 1 veranlasst hat. Abs. 6 Satz 4 stand in seiner ursprünglichen Fassung in Widerspruch zu § 4 Abs. 3 Nr. 2 AM-NutzenV, der den in Abs. 1 Satz 3 genannten Zeitpunkt für die Pflicht zur Dossiereinreichung für Arzneimittel, die ein neues Anwendungsgebiet erhalten, wenn bereits eine Nutzungsregelung durchgeführt wurde, konkretisierte. Danach war das Dossier des pharmazeutischen Unternehmers für Arzneimittel nach Zulassung des neuen Anwendungsgebiets für den Fall einer erneuten Nutzenbewertung innerhalb von 4 Wochen nach Zulassung des neuen Anwendungsgebietes zu übermitteln (hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.2.2013, L 7 KA 106/12 KL LR; Urteil v. 15.5.2013, L 7 KA 112/12 KL). Mit der Änderung von Abs. 1 Satz 3 und Abs. 6 Satz 4 durch das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften v. 7.8.2013 war der Wortlaut dem § 4 Abs. 3 Nr. 2 AM-NutzenV angeglichen worden. Infolgedessen wurde in allen Fällen auf die Veranlassung der Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss abgestellt, die die Aufforderung zur Dossiereinreichung für eine Nutzenbewertung nach Abs. 1 ebenso umfasste wie die Veranlassung einer Nutzenbewertung nach Abs. 6 Satz 1. Die Konkretisierung des Zeitpunktes (4 Wochen nach Zulassung des neuen Anwendungsgebietes) war in Abs. 1 und 6 für beide Fallgestaltungen gesetzlich geregelt.

 

Rz. 39a

Für das Verfahren der Nutzenbewertung nach Bestandsmarktaufruf verwies Abs. 6 Satz 3 im Übrigen auf den entsprechend anwendbaren Abs. 5, der das Verfahren der Nutzenbewertung auf Antrag des pharmazeutischen Unternehmers regelt und seinerseits in Satz 4 auf die übrigen Absätze des § 35a verweist. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Verweisung insbesondere auch im Hinblick auf die Rechtsbehelfsregelung des Abs. 8 (hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.2.2013, L 7 KA 106/12 KL ER) hatte der Gesetzgeber mit der Änderung von Abs. 6 Satz 3 und 4 sowie von Abs. 8 durch das Dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften v. 7.8.2013 Rechnung getragen. Die Verweisungskette war a...

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