0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 2, Art. 13 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz – PrävG) v. 17.7.2015 (BGBl. I S. 1368) mit Wirkung zum 25.7.2015 eingefügt worden.

Mit Art. 3 Nr. 2a und Nr. 2b, Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) v. 3.6.2021 (BGBl. I S. 1444) wurden mit Wirkung zum 10.6.2021 in der Überschrift das Wort "Geschlechtsspezifisch" durch die Worte "Geschlechts- und altersspezifische" und im Gesetzestext das Wort "geschlechtsspezifischen" durch die Worte "geschlechts- und altersspezifischen" ersetzt.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Mit dem Präventionsgesetz (PrävG) wurden Regelungen im Leistungsrecht des SGB V getroffen, die die Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten stärken, die Wirksamkeit und Qualität von Präventionsmaßnahmen sicherstellen, die Leistungen der Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten weiterentwickeln und das Zusammenwirken von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz verbessern sollen (zum Präventionsgesetz vgl. Schneider, SGb 2015 S. 599). Dazu ist vorgesehen, dass die Krankenkassen in ihren Satzungen (§ 194 Abs. 1 Nr. 3) entsprechende Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention), sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsförderung) vorsehen (§§ 20 ff.), die auch zur Verminderung sozial bedingter sowie geschlechtsbezogener Ungleichheiten von Gesundheitschancen beitragen sollen (§ 20 Abs. 1 Satz 2).

 

Rz. 3

Hieran knüpfte der neu eingefügte § 2b an, in dem ausdrücklich bestimmt wurde, dass bei Leistungen der Krankenkassen geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen sei, die sich aus der Frauen- und Männergesundheitsforschung insbesondere für die gesundheitliche Versorgung und aus der Etablierung entsprechender medizinischer Behandlungsleitlinien ergeben. Dies bedeute, dass geschlechtsspezifische Besonderheiten insbesondere bei der Prävention und der Krankenbehandlung zu beachten seien (so die Begründung in BT-Drs. 14/4282 S. 32).

 

Rz. 3a

Die Ergänzungen der Vorschrift auch um altersspezifische Besonderheiten durch das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) ist in BT-Drs. 19/26107 S. 124 damit begründet worden, dass damit erreicht werden solle, dass die Krankenkassen auch den altersabhängigen Erfordernissen bei der Versorgung ihrer Versicherten ausreichend Rechnung tragen. Hierzu gehöre insbesondere auch die angemessene Berücksichtigung der besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen.

2 Rechtspraxis

2.1 Geschlechtsspezifische Besonderheiten bei der Leistungsgewährung

 

Rz. 4

Die Vorschrift richtet sich in erster Linie an die Krankenkassen bei der Leistungsgewährung und ist auf die Fälle der Leistungsgewährung, also das Leistungsrecht, beschränkt. Sie kann und will also keine Differenzierung nach dem Geschlecht im Versicherungs- oder Beitragsrecht begründen (so auch Bittner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 2b Rz. 15, Stand: 15.6.2020). Die Regelung verlangt, dass geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. Geschlechtsspezifische Besonderheiten sind insbesondere die medizinischen und biologischen Unterschiede von Männern und Frauen in der Anatomie, des Hormonhaushalts, des Stoffwechsels, der Psyche etc.; dies schließt die jeweilige altersgemäße körperliche und seelische Entwicklung ein. Dementsprechend ist auch schon bei der ärztlichen Behandlung und Medikation (ohnehin) auf diese geschlechtsspezifischen Unterschiede abzustellen. Vor dem Hintergrund der Zwecksetzung des Präventionsgesetzes sind aber auch geschlechtsspezifische Besonderheiten und Unterschiede gerade hinsichtlich von Krankheitsrisiken, im Verhalten bezüglich der Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken (primäre Prävention) und des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten (Gesundheitsförderung) als geschlechtsbezogene Besonderheit zu berücksichtigen (verhaltensbezogene Prävention nach § 20 Abs. 4 Nr. 1).

 

Rz. 5

Die Regelung stellt, anders als z. B. § 19a SGB IV (vgl. Komm. dort) nicht auf die sexuelle Orientierung, sondern allein auf die biologische Zugehörigkeit oder Zuordnung ab. Dafür spricht, neben der sich aus der biologischen Zuordnung ergebenden gesundheitsspezifischen Unterscheidung zwischen Männern und Frauen, insbesondere, dass sich auch in der Gesetzesbegründung keine Aussage zur sexuellen Orientierung und auch nicht zu Trans- oder Intersexuellen befindet (so auch Bittner, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, § 2b Rz. 15, Stand: 15.6.2020). Es erscheint schon fraglich, ob vor dem Hintergrund und der Zwecksetzung des Präventionsgesetzes bei der Prävention nach den §§ 20 ff. die sexuelle Orientierung an sich ein Kriterium für Präventionsleistungen sein kann. Jedenfalls haben Versicherte ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung keinen Anspruch auf Leistungen, die zu einem regelwidrigen körperlichen Zustand führt (vgl. BSG, U...

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