Rz. 6

Nach Abs. 1 Satz 1 kann der Zulassungsausschuss ein medizinisches Behandlungszentrum zur ambulanten Behandlung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen ermächtigen. Dies setzt zunächst einen Antrag an den für den Sitz des medizinischen Behandlungszentrums zuständigen Zulassungsausschuss voraus, mit dem nachzuweisen ist, dass

  1. Erwachsene, d. h., Patienten älter als 18 Jahre, mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen versorgt werden sollen,
  2. das medizinische Behandlungszentrum fachlich unter ständiger ärztlicher Leitung steht und
  3. das medizinische Behandlungszentrum die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Behandlung bietet.

Wäre eine dieser zwingenden Voraussetzungen nicht erfüllt, käme eine Ermächtigung nicht in Betracht. Die Inanspruchnahme eines medizinischen Behandlungszentrums ist keinesfalls allein wegen des Vorliegens einer Behinderung gerechtfertigt, sondern nach Abs. 2 Satz 1 nur, soweit und solange die vorgelagerten Versorgungsstufen den fachlichen Erfordernissen nicht gerecht werden können. Das bedeutet, dass die medizinische Versorgung von Erwachsenen mit geistigen Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nicht auf medizinische Behandlungszentren verlagert werden sollen, wenn die medizinische Versorgung dieser Patienten im Regelversorgungssystem durch Hausärzte oder Fachärzte erfolgen kann. Auch bei einer solchen Konstellation würde daher eine Ermächtigung des medizinischen Behandlungszentrums ausscheiden. Dagegen besteht auf die Ermächtigung ein einklagbarer Rechtsanspruch (vgl. "ist zu erteilen" in Abs. 1 Satz 2), soweit und solange die Ermächtigung notwendig ist, um eine ausreichende Versorgung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen sicherzustellen. Der Rechtsanspruch auf Ermächtigung unterliegt somit der Bedarfsprüfung durch den Zulassungsausschuss. Dazu kann auf die BSG-Rechtsprechung zu sozialpädiatrischen Zentren (§ 119) zurückgegriffen werden, insbesondere auf das BSG-Urteil v. 17.2.2016 (B 6 KA 6/15), in dem ausführlich auf die Maßstäbe für die Bedarfsermittlung bei der Ermächtigung sozialpädiatrischer Zentren (SPZ) eingegangen wird. Nach Auffassung des BSG gebe es für die Ermittlung des Bedarfs für die Ermächtigung eines SPZ zwar keine konkreten rechtlichen Vorgaben, wie sie insbesondere im Bereich der vertragärztlichen Versorgung oder der Versorgung mit Krankenhäusern bestehen, was aber nicht bedeute, dass für die Ermächtigung von SPZ keine Maßstäbe existieren würden, an denen sich die Zulassungsgremien zu orientieren hätten.

Dies gilt im Prinzip auch für die Ermittlung des Bedarfs bei der Ermächtigung eines medizinischen Behandlungszentrums, wobei das Anforderungsprofil und eine damit verbundene Mindestgröße für eine wirtschaftliche Betriebsführung sowie Vorgaben zum Einzugsbereich zu ermitteln wären. Den fachkundig besetzten Zulassungsgremien steht nach Auffassung des BSG bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Entfernungen, die Patienten zurückzulegen haben, ein Beurteilungsspielraum zu, in den die Gerichte nur in engem Maße eingreifen können. Bei der Ermächtigung eines medizinischen Behandlungszentrums kommt es also darauf an, ob bei den in Abs. 1 und 2 verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffen (Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Behandlung, Notwendigkeit der Ermächtigung für eine ausreichende Versorgung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen, Angewiesensein auf die ambulante Behandlung im medizinischen Behandlungszentrum) die zu ermittelnden Grenzen eingehalten sind. So kann z. B. bei nahe beieinander liegenden medizinischen Behandlungszentren die Ermächtigung des hinzugekommenen Behandlungszentrums versagt werden, weil diese Grenzen offensichtlich nicht eingehalten sind. Eine Konkretisierung von Vorgaben zur Bedarfsprüfung von medizinischen Behandlungszentren war bei Einführung der Vorschrift zum 23.7.2015 schon deshalb nicht naheliegend, weil zu diesem Zeitpunkt kaum medizinische Behandlungszentren existierten, sodass zunächst der Auf- bzw. Ausbau der Versorgung der Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen im Vordergrund steht. Wenn sich die Rahmenbedingungen in Zukunft mit dem Aufbau eines immer dichteren Netzes von medizinischen Behandlungszentren verändern, werden gesetzliche Vorgaben durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses oder durch verpflichtende Vereinbarung auf Bundesebene sinnvoll werden, um die Handhabung der unbestimmten Rechtsbegriffe zu erleichtern und die Transparenz der Entscheidungen der Zulassungsgremien zu erhöhen.

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