Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. keine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Beziehern von Arbeitslosengeld. keine erneut erforderliche Arbeitsunfähigkeits-Feststellung. keine "Lückenlosigkeit" von Prognosen für den Fortbestand des Anspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 40 Abs 1 SGB 1 entstehen Ansprüche auf Sozialleistungen, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. § 46 SGB 5 enthält eine solche gesetzliche Regelung im Sinne des § 40 Abs 1 SGB 1 zur Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld. Für Bezieher von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB 5) enthält § 47b Abs 1 S 2 SGB 5 hierzu wiederum eine Spezialregelung. Einer ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bedarf es demnach für die Entstehung des Anspruchs nicht, da anders als nach § 46 S 1 Nr 2 SGB 5 gem § 47b Abs 1 S 2 SGB 5 bei Beziehern von Arbeitslosengeld (Versicherte nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB 5) das Krankengeld vom ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit an gewährt wird (vgl LSG Essen vom 17.7.2014 - L 16 KR 146/14 Rn 37 und - L 16 KR 160/13 Rn 40; entgegen BSG vom 19.9.2002 - B 1 KR 11/02 R = BSGE 90, 72 = SozR 3-2500 § 44 Nr 10).

2. Das Gesetz knüpft den Fortbestand des materiellen Anspruchs auf Krankengeld nicht an die Erfüllung weiterer Obliegenheiten durch den Versicherten. Einen "gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung" gibt es im SGB 5 nicht (entgegen BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 19/14 R Rn 17 und vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R Rn 16). Bevor ein einmal entstandener Anspruch sein Ende gefunden hat, muss kein neuer Anspruch entstehen.

3. Eine ärztliche Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der AU ist keine Voraussetzung für einen Krankengeldanspruch. Daher kann auch nicht die "Lückenlosigkeit" von Prognosen für den Fortbestand des Anspruchs gefordert werden (entgegen BSG vom 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R aaO, B 1 KR 19/14 R aaO und B 1 KR 37/14 R = SozR 4-2500 § 192 Nr 7).

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2013 verurteilt, dem Kläger weiteres Krankengeld für die Zeit vom 08.05.2013 bis zum 28.04.2014 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Eine weitergehende Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von weiterem Krankengeld über den 07.05.2013 hinaus bis zum 28.04.2014.

Der 1970 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er bezog seit dem 27.10.2012 Arbeitslosengeld I von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 34,22 Euro kalendertäglich, im hier streitigen Zeitraum zuletzt bis zum 24.04.2013 in Form der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall.

Der Kläger ist Rechtshänder und leidet seit Jahren an einer fortschreitenden Erkrankung des rechten Handgelenkes, bei der es zu einem teilweisen oder sogar vollständigen Absterben (Nekrose) des Os lunatum (Mondbein, Handwurzelknochen) kommt (Lunatummalazie, auch als Lunatumnekrose oder Morbus Kienböck bezeichnet). Am 14.03.2013 unterzog sich der Kläger ein erstes Mal einem operativen Eingriff bei dem Handchirurgen Dr. W… in F…. Dieser führte zunächst eine diagnostische Arthroskopie durch. Am 23.05.2013 erfolgte beim selben Arzt ein weiterer operativer Eingriff am rechten Handgelenk, bei dem eine STT-Arthrodese vorgenommen wurde. Hierbei handelt es sich um eine Versteifungsoperation, bei der die Handwurzelknochen Scaphoid, Trapezium und Trapezoid miteinander vereinigt (arthrodesiert) werden. Der Kläger befand sich hierzu vom 23.05.2013 bis 25.05.2013 stationär im Kreiskrankenhaus G…. Aufgrund der fortbestehenden Beschwerden wurde der Kläger letztlich am 28.01.2014 im Rahmen eines stationären Aufenthaltes in der BG Unfallklinik L…-O… ein weiteres Mal operiert. Ausweislich des Entlassberichts vom 30.01.2014 erfolgte nunmehr eine Handgelenksdenervierung sowie die Entfernung der zuvor eingelegten Metallplatte.

Dr. W… hatte dem Kläger am 14.03.2013 eine Erstbescheinigung über bestehende Arbeitsunfähigkeit ausgestellt und hierbei angegeben, der Kläger sei voraussichtlich arbeitsunfähig bis zum 31.03.2013. Auf einer Folgebescheinigung vom 26.03.2013 prognostizierte er weitere Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 24.04.2013.

In einer sozialmedizinischen Stellungnahme nach Aktenlage vom 24.04.2013 gab die Ärztin im MDK Dr. H… nach Rücksprache mit Dr. W… an, es bestehe ein positives Leistungsbild für leichte körperliche Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des rechten Handgelenkes. Die Arbeitsunfähigkeit ende “per Bescheid„ mit 07.05.2013.

Mit Bescheid vom 29.04.2013 teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, der Gutachter des MDK sei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger in der Lage sei, eine leichte körperliche Tätigkeit ohne besondere Beanspruchung des rechten Handgelenkes vollschichtig auszuüben. Daher ende di...

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