Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen. Podologin. Mutterschutz im vierten Quartal 2019. Teilnahme an der Versorgung wieder ab Januar 2020. analoge Anwendung von § 2 Abs 2 S 2 Nr 3 COVID-19-VSt-SchutzV

 

Leitsatz (amtlich)

Die Höhe einer Ausgleichszahlung an eine bis zum 30. September 2019 zugelassene Heilmittelerbringerin (hier: Podologin), die im gesamten 4. Quartal 2019 wegen Inanspruchnahme von Mutterschutz keine Heilmittel abgegeben hatte und erst im Januar 2020 wieder an der Versorgung teilgenommen hat, richtet sich nicht nach § 2 Abs 2 S 2 Nr 1 der COVID-19-VSt-SchutzV. Es besteht eine unbeabsichtigte Regelungslücke. Die Verordnung ist ergänzend dahingehend auszulegen, dass in diesem Fall die Berechnung analog Absatz 2 S 2 Nr 3 zu erfolgen hat wie im Fall einer Zulassung erst im Zeitraum Januar bis April 2020.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30. Januar 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2021 verurteilt, der Klägerin eine Ausgleichszahlung nach der COVID-19-VSt-SchutzV in Höhe von 4.500 € zu gewähren. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 55 %, die Beklagte 45 %.

Der Streitwert wird endgültig auf 10.105,33 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung höherer Ausgleichszahlungen nach der Verordnung zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Zahnärztinnen und Zahnärzte, der Heilmittelerbringer und der Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartigen Einrichtungen sowie zur Pflegehilfsmittelversorgung (COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung - COVID-19-VSt-SchutzV, vom 30. April 2020).

Die Klägerin ist bereits seit mehreren Jahren als selbstständige Podologin (medizinische Fußpflegerin) tätig und als Heilmittelerbringerin im Rahmen der GKV zugelassen. Zur Abrechnung ihrer Leistungen mit den jeweiligen Krankenkassen ihrer Patienten verfügt sie über zwei IK-Nummern.

Wegen ihrer Schwangerschaft in 2019 und beabsichtigten Nichtausübung ihrer Tätigkeit während der gesetzlichen Mutterschutzzeiten wandte sie sich frühzeitig an die für die Zulassung zuständige Mitarbeiterin der AOK, um die notwendigen Formalitäten zu klären. Die Mitarbeiterin riet ihr, die Verträge stillschweigend weiterlaufen zu lassen, da der mit der Rückgabe der Zulassung für die kurze Dauer des Mutterschutzes und anschließenden Neubeantragung verbundene Verwaltungsaufwand zu hoch sei.

Das Kind wurde am 16. November 2019 geboren. Die Klägerin führte in der Zeit vom 24. September 2019 bis 12. Januar 2020 wegen ihrer Mutterschaft keine Behandlungen im Rahmen der GKV durch. Im 4. Quartal 2019 erhielt sie lediglich aus einer Abrechnung einer Behandlung aus dem Vorquartal insgesamt € 198,60.

Wegen Umsatzeinbußen im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie stellte die Klägerin nach der o.a. Verordnung unter dem 22. Juni 2020 einen Antrag auf Ausgleichszahlungen.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2020 und Widerspruchsbescheid vom 9. August 2021 gewährte die Beklagte nach Maßgabe dieser von der Klägerin im 4. Quartal 2019 abgerechneten Leistungen insgesamt € 79,44. Zur Begründung führte sie aus, die Höhe der Ausgleichszahlung richte sich nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 COVID-19-VSt-SchutzV. Danach seien Ausgleichszahlungen in Höhe von 40 % der Vergütung, die sie im 4. Quartal 2019 abgerechnet habe, zu gewähren. Weitere Ansprüche stünden ihr nicht zu, da sie im 4. Quartal 2019 keine weiteren Leistungen erbracht und abgerechnet habe, insbesondere kein Pauschalbetrag gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 COVID-19-VSt-SchutzV für neu zugelassene Leistungserbringer, da sie eben nicht erst nach dem 01.01.2020 zugelassen worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die schriftliche Begründung Bezug genommen.

Zur Begründung ihrer am 8. September 2021 erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass sie im 4. Quartal 2019 ihren Beruf nicht habe ausüben können. Die Berechnung der Beklagten führe zu unsachgemäßen, mit Sinn und Zweck der COVID-19-VSt-SchutzV nicht zu vereinbarenden Ergebnissen. Die COVID-19-VSt-SchutzV sei ergänzend auszulegen. Die COVID-19-VSt-SchutzV sei unter dem Eindruck der Corona Pandemie unter einem erheblichen Zeitdruck erlassen worden. Dabei seien etwaige Sonderfälle - wie die besondere Situation, in der sie sich befunden habe - unberücksichtigt geblieben. Zweck der Verordnung sei es gewesen, die finanziellen Belastungen, die Heilmittelerbringern durch die Corona-Pandemie in der Zeit des "Lockdowns" entstanden seien, auszugleichen (also der Zeit, in der die Behandlungen Corona-bedingt entfallen seien - 1. und 2. Quartal 2020). Dabei sei es zwar grundsätzlich sinnvoll, die Ersatzleistungen an die kurz vor Ausbruch der Pandemie erwirtschafteten Umsätze anzuknüpfen (4. Quartal 2019). In ihrem Fall führe dies jedoch zu unangemessenen Ergebnissen, da sie aufgrund ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihres Kindes nicht in der Lage gewesen sei, im 4. Quartal 2019 Behandlu...

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