Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Landespflegegeld

 

Leitsatz (amtlich)

Die Leistungen des Bayerischen Landespflegegeldgesetzes (juris: PflGG BY) sind - auch entgegen dem Gesetzesnamen - in vollem Umfang privilegiert iS des § 83 Abs 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und dürfen auch nicht auf Pflegeleistungen nach dem SGB XII angerechnet werden. Denn der Bayerische Landtag hat - wie sich aus der Landtags-Drucksache 17/23219 vom 9.7.2018 ergibt - die Zweckbestimmung des Landespflegegeldes selbst definiert.

 

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 17.07.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung R. vom 31.05.2021 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anrechnung von Bayerischen Landespflegegeld auf Sozialhilfeleistungen in Höhe von 2.000,00 €.

Die 1956 geborene Klägerin ist seit 2005 in der Pflegeeinrichtung Haus A. in A-Stadt (M.) untergebracht. Die Kosten für die Heimbetreuung werden von der Stadt D-Stadt (Sozialamt) getragen. Im Rahmen der jährlichen Überprüfung der aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse stellte die Stadt L. fest, dass die Klägerin Leistungen nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz (BayLPflGG) erhalten hatte. Nach den vorgelegten Kontoauszügen hatte die Klägerin am 09.01.2019 und am 08.01.2020 jeweils einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € erhalten.

Mit Bescheid vom 17.07.2020 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Betrag in Höhe von 2.000,00 € als Aufwendungsersatz an die Beklagte zu überweisen.

Dagegen erhob die Betreuerin der Klägerin Widerspruch mit Telefax vom 26.07.2020. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass das Bayerische Landespflegegeld nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet werden dürfe. Dieses Geld sei ausschließlich für Zusatzleistungen und zur eigenen Verwendung des Pflegebedürftigen gedacht. In Bayern werde diese Leistungen von keinem Kostenträger berücksichtigt oder verrechnet. Auch Kostenträger anderer Länder hätte sich danach zu richten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 31.05.2021 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Widerspruchsbehörde aus, gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) hätten Personen, die u.a. Hilfe zur Pflege erhielten und denen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen möglich und zumutbar sei, für die erbrachten Leistungen dem Träger Sozialhilfe die Aufwendungen zu ersetzen. Die Voraussetzungen seien im Fall der Klägerin in einem Umfang von 2.000,00 € gegeben. Die Beklagte trage die Kosten der Betreuung der Klägerin in der Pflegeeinrichtung. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII werde u.a. Hilfe zur Pflege nur geleistet, soweit dem Leistungsberechtigten und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften der §§ 82 ff. SGB XII nicht zuzumuten sei. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehörten zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahmen der dort ausdrücklich genannten Leistungen. Hiernach sei auch das Bayerische Landespflegegeld als Einkommen anzusehen. Nach § 83 Abs. 1 SGB XII seien Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht würden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck diene. Eine entsprechende Zweckbestimmung lasse sich für das Bayerische Landespflegegeld aus den Voraussetzungen für die Leistungsgewährung und den Zusammenhang der Regelung ableiten. Einen Anspruch auf Bayerisches Landespflegegeld hätten pflegebedürftige Personen, bei denen mindestens ein Pflegegrad 2 anerkannt worden sei. Die Pflegebedürftigkeit müsse von der Pflegekasse oder von einem Versicherungsunternehmen, das eine private Pflege-Pflichtversicherung durchführe, nach § 18 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) oder von einem Träger der Sozialhilfe nach § 62 SGB XII festgestellt sein. Die Zweckidentität ergebe sich auch daraus, dass das Bayerische Landespflegegeld, wie auch die Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Unterstützung der pflegebedürftigen Personen und somit auch demselben Zweck diene.

Die Prozessbevollmächtigen der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 18.06.2021, der beim Sozialgericht Nürnberg am 23.08.2021 eingegangen ist, Klage erhoben.

Das Gericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 20.09.2021 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Die Beklagte hat unter dem 20.07.2021 ablehnend Stellung genommen.

Das Gericht hat der Klägerseite Akteneinsicht gewährt.

Die Prozessbevollmächtige der Klägerin hat die Klage unter dem 16.09.2021 näher begründet; das in den Jahren 2019 und 2020 gezahlte Landespflegegeld von jeweils 1.000,00 € sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht als anrechenbares Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen. G...

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