Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeldes. verspätete Meldung. frühzeitige Arbeitssuche. befristetes Arbeitsverhältnis. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Der Wortlaut der Sonderregelung des § 37b S 2 SGB 3 lässt offen, welche Zeitspanne dem Arbeitnehmer für seine Meldung eröffnet ist; dh wann er sich spätestens zu melden hat. Im Hinblick auf befristete Arbeitsverhältnisse enthält der Wortlaut des § 37b SGB 3 insofern eine Regelungslücke.

2. Da diese Lücke weder durch eine ergänzende Heranziehung des Satzes 1 dieser Vorschrift noch eine sonstige Auslegung nach Sinn und Zweck des Gesetzes in verfassungsgemäßer Weise zu schließen ist, kann bei befristeten Arbeitsverhältnissen der Tatbestand einer Verletzung der Meldeobliegenheit gem § 37b SGB 3 nicht vorliegen und die in § 140 SGB 3 geregelte Anspruchskürzung nicht eintreten.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 29.07.2004 und der Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 werden aufgehoben.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob dem Kläger wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung gemindertes Arbeitslosengeld zu zahlen ist.

Der 1974 geborene Kläger wurde nach Abschluss seiner Ausbildung am 10.07.2003 in ein Beschäftigungsverhältnis als Anlagenmonteur übernommen, das bis zum 04.07.2004 befristet war.

Nachdem ihn sein Arbeitgeber mit Schreiben vom 28.04.2004 auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hingewiesen hatte, meldete sich der Kläger am 03.05.2004 bei der Beklagten arbeitssuchend und beantragte Arbeitslosengeld mit Wirkung ab 05.07.2004.

Im Bescheid vom 29.07.2004 stellte die Beklagte die Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um jeweils 35,-- € für 28 Kalendertage fest, weil sich der Kläger nicht rechtzeitig zum 05.04.2004 arbeitsuchend gemeldet habe.

Den am 05.08.2004 erhobenen Widerspruch wies sie im Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 zurück.

Zur Begründung seiner am 12.11.2004 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, in § 37 b Satz 2 SGB III sei lediglich festgelegt, wann er sich frühestens arbeitsuchend melden könne; bis wann er sich spätestens zu melden habe, sei gesetzlich nicht geregelt, weshalb eine Minderung seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht eintreten könne.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 29.07.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 21.10.2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig. Eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen verspäteter Meldung ist nicht eingetreten.

Gem. § 140 Satz 1 SGB III mindert sich das Arbeitslosengeld, wenn sich der Arbeitslose entgegen § 37 b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat.

Für den Kläger hat aus § 37 b SGB III keine gesetzliche Obliegenheit bestanden, sich vor dem 03.05.2004 arbeitsuchend zu melden.

Gem. § 37 b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung nach Satz 2 dieser Vorschrift jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen.

Allein nach dem Wortlaut des § 37 b Satz 1 SGB III bestände für den Beschäftigten bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages die Obliegenheit, sich für den Zeitpunkt nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses arbeitslos zu melden; in Abweichung dazu regelt § 37 b Satz 2 SGB III, dass eine solche Meldung “frühestens„ drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses zu erfolgen hat.

Der Wortlaut der Sonderregelung des § 37 b Satz 2 SGB III lässt jedoch offen, welche Zeitspanne dem Arbeitnehmer für seine Meldung eröffnet ist; dh. wann er sich spätestens zu melden hat. Im Hinblick auf befristete Beschäftigungsverhältnisse enthält der Wortlaut des § 37 b SGB III insofern eine Regelungslücke.

Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. z. B. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 03.11.2004 - L 5 AL 3835/04 -; Coseriu/Jakob, SGB III, 2. Aufl., Anm. 12 ff.zu § 37 b; Kruse-Gagel , SGB III , Anm. 12 zu § 37 b; zweifelnd Spellbrink in Eicher/Schlegel, SGB III Anm. 53 ff. zu § 37 b ) schließt diese Gesetzeslücke mit der Behauptung eines “unglücklichen„ Wortlauts ( Coseriu/Jakob aaO.) in der Weise, dass dem Beschäftigten keine Zeitspanne für seine Meldung eingeräumt werde, sondern er sich genau an dem Tag als arbeitsuchend zu melden habe, der drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses liegt; objektive Hinderungsgründe wie z. B. eine fehlende Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit od...

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