Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung. Laktoseintoleranz. Mehrkosten aufgrund gegenläufiger Ernährungsnotwendigkeiten. Kalzium- und Vitamin D3-Mangel. Erforderlichkeit der Einnahme von Laktasetabletten. kein Verweis auf die gesetzliche Krankenversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Kommen zur Laktoseintoleranz gegenläufig noch weitere Ernährungsnotwendigkeiten hinzu, können zusätzliche, teilweise gegenläufige ärztlich verordnete Ernährungsnotwendigkeiten einen Kostenmehraufwand auslösen.

2. Ergibt sich bei bestehender Laktoseintoleranz aus einem Vitamin-D-Mangel die Notwendigkeit, Kuhmilchprodukte zu konsumieren, hat die Beklagte den Mehraufwand für Laktasetabletten als Mehraufwand zu bewilligen. Laktasetabletten sind Lebensmittel und keine Medikamente. Ein Verweis auf das Krankenversicherungssystem scheidet aus.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Beklagte hat der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erhöhung des Arbeitslosengeldes II durch einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung im Recht der Grundsicherung im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012.

Die Klägerin bezieht seit 22. April 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). Sie bildet mit ihrem Partner eine Bedarfsgemeinschaft.

Mit Bescheid vom 26. März 2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012. Mit Schreiben vom 12. Juli 2012 machte die Klägerin einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung geltend. Die Beklagte legte den Antrag als Überprüfungsantrag für den Bescheid vom 26. März 2012 aus.

Sie lehnte mit Bescheid am 13. September 2012 die Gewährung eines Mehrbedarfs ab, da dieser nicht vom Indikationskatalog des § 21 Abs. 5 SGB II umfasst sei, ab.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 19. September 2012.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2011 hat der Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge habe die Krankheiten festgestellt, bei denen ein Mehrbedarf notwendig sei. Hierunter falle Laktoseintoleranz nicht. Die Aufzählung sei zwar nicht abschließend. Laktoseunverträglichkeit sei eine weit verbreitete Erkrankung. Die Mehrkosten seien nicht konkretisiert. Die Vermeidung von Produkten ohne Laktose sei möglich. Die Gewährung eines Mehrbedarfs sei erst angezeigt, wenn ohne teurere Ersatzprodukte gesundheitliche Einschränkungen drohten oder keine ausreichende Auswahl an Alternativprodukten zur Verfügung stehe.

Die Klägerin erhob am 11. Dezember 2012 Klage.

Sie beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid vom 13. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin im Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis 31. Oktober 2012 einen Mehrbedarf für Ernährung zu bewilligen und auszuzahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befunden bei der behandelnden Ärztin Dr. J. Frau J. teilt mit, die Klägerin leide u.a. an Laktoseunverträglichkeit und an im unteren Normbereich liegenden Werten für Vitamin B 12 und Ferritin. Sie sei wegen chronischer Magenschmerzen auf Schonkost mit zusätzlicher wöchentlicher Einnahme von Decristol 2000, Vitamin B12 und Eisen angewiesen.

Das Gericht hat ein Gutachten eingeholt bei der Sachverständigen Dr. S. Die Sachverständige stellte in ihrem Gutachten vom 24. März 2014 eine ausgeprägte Neigung zu Darmverstopfungen, Laktoseintoleranz, manifesten Vitamin D3-Mangel. Die beiden erstgenannten Diagnosen sind auch für den streitgegenständlichen Zeitraum gesichert. Der Vitamin D-Mangel wurde im Januar 2013 diagnostiziert. Parallel zur Substitutionstherapie sei lebenslang eine Vitamin-D- und kalziumreiche Kost mit Fisch, Pilzen, Eigelb, Leber, Butter, Milch und Milchprodukte, Frischwasser und Mineralwasser notwendig. Außerdem sei viel Bewegung im Freien zu praktizieren. Milch sei sowohl für die Aufnahme des Vitamins als auch von Kalzium notwendig. Die Klägerin benötige täglich pro 10g Laktose eine Tablette Lakto-Control. Da die Klägerin wegen des Vitamin D-Mangels reichlich Milch und Milchprodukte verzehren müsse, sollte sie pro Tag 5 Laktasetabletten zur Verfügung haben. Bei Verwendung von Lacto control verursache dies täglich Zusatzkosten in Höhe von 0,50 Euro. Das Vitamin-D-Präparat werde von der Krankenkasse getragen.

Der Beklagte entgegnete, Vitamin D könne in der Sonne gebildet werden. Lactase sei von ihm nicht zu bezahlen, da es sich um ein Medikament handele.

Dem entgegnete die Sachverständige in einer ergänzend eingeholten Stellungnahme, Vitamin D sei für viele molekulare Prozesse des menschlichen Körpers wichtig, insbesondere für den Knochenaufbau. Es werde unter der Einwirkung von UV-Licht in der Haut aus Cholesterin gebildet. Das so ...

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