Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Kostenerstattung bei Krankenhausbehandlung des Versicherten im Ausland. Deutsch-Türkisches Sozialversicherungsabkommen

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch des Versicherten auf Leistungen der Krankenversicherung, u. a. auf Krankenhausbehandlung, ruht gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 während dessen Auslandsaufenthalt. Die Vorschriften des SGB 5 werden u. a. durch diejenigen des deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommens (DT-SVA) überlagert.

2. Nach Art. 4a, 12 Abs. 1b DT-SVA gilt dies nicht bei Vorliegen eines Notfalls.

3. In einem solchen Fall richtet sich der Anspruch des Versicherten gemäß Art. 15 DT-SVA nach türkischem Recht. Der krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsanspruch ist auf die nach dem türkischen Krankenversicherungssystem zustehenden Leistungen beschränkt.

4. Wählt der Versicherte Krankenhausbehandlung in einer türkischen Privatklinik, so beschränkt sich sein Kostenerstattungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse auf den Kostenansatz, den die türkische Sozialversicherungsanstalt bei einer vergleichbaren Behandlung in einem Vertragskrankenhaus zu zahlen gehabt hätte.

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligen haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Erstattung weiterer Kosten einer Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik in der Türkei in Höhe von 1.925,88 Euro.

Die 2002 geborene Klägerin ist über ihre 1971 geborene Mutter, Frau C. A., bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Mit Datum vom 18.03.2014 (Bl. 38 der Gerichtsakte) stellte die Beklagte für die Mutter der Klägerin einen Auslandskrankenschein für die Türkei aus. Die Klägerin reiste dann im April 2014 mit ihrem Onkel, dem Bruder ihrer Mutter, und einem Freund des Bruders in die Türkei. Die Reise war am Sonntag, den 13.04.2014 angetreten worden, die Rückreise war für Sonntag, den 20.04.2014 gebucht. Am Donnerstag, den 17.04.2014 bekam die Klägerin Fieber, war dehydriert, schwach, hatte einen verringerten Hautunterdruck, ferner wurden Rasselgeräusche in der Lunge festgestellt und sie hatte starke Schmerzen (vgl. Arztberichtbericht des Privatkrankenhauses D., Bl. 1 der Verwaltungsakte). Auf Veranlassung des Hotelarztes wurde die Klägerin unverzüglich in die nächste Klinik, nämlich die 2, 7 km entfernte private Klinik D. verbracht. Die Klägerin wurde dort bis zum 19.04.2014 behandelt. Am Entlassungstag (19.04.2014), stellte das Krankenhaus für die Behandlung 6.757,85 Türkische Lira (TL) in Rechnung. Da - so jedenfalls die Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2016 – die Klinik auf sofortige Bezahlung bestand, beglich der Onkel der Klägerin die Rechnung an Ort und Stelle über Kreditkarte.

Am 25.04.2014 beantragte die Mutter der Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten der Auslandskrankenhausbehandlung. Hierzu legte sie die Rechnung Nr. xxx1 des türkischen Krankenhauses vom 19.04.2014 vor, in der 14 Abrechnungspositionen aufgelistet waren. Die Beklagte legte die Krankenhausrechnung der Verbindungsstelle nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen (DT-SVA), der „Sosyal Güvenlik Kurumu, Baskanligi“ in Antalya/Türkei vor. Diese erteilte die Auskunft, dass bei Erbringung der Krankenhausbehandlung als Sachleistung durch den türkischen Sozialversicherungsträger der Klägerin von der Beklagten 1.094,13 TL zu erstatten gewesen wären, was einem Euro-Betrag in Höhe von 371,79 Euro entspricht.

Daraufhin erstattet die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 25.07.2014 einen Betrag in Höhe von 371,79 Euro. Hiergegen erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 08.08.2014 Widerspruch, der mit Schreiben vom 21.10.2014 begründet wurde. Nach Aussage des vor Ort behandelnden Arztes sei bei der 12-jährigen Klägerin eine sofortige Krankenhausbehandlung notwendig gewesen. Da der Gesamtzustand der Klägerin während des Transportes sich hätte verschlechtern können, habe der behandelnde Arzt entschieden, sie in die nur 2,7 km entfernte Privatklinik D. zu verbringen. Die nächste staatliche Klinik befände sich in E-Stadt. Diese liege 15,4 km vom Hotel entfernt. Aufgrund des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin und der Tatsache, dass ein Transport in die mehr als 5-mal so weit entfernte staatliche Klinik erhebliche Gesundheitsrisiken beinhaltete, sei die Behandlung in der Privatklinik in jedem Fall unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens in entsprechender Anwendung des § 13 Abs. 3 SGB V zu erstatten. Es sei daher auch der Differenzbetrag der Rechnung der Privatklinik gegenüber dem bisher ausgezahlten Betrag in Höhe von 371,79 Euro zu erstatten. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung bestehe auch aus dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Mutter der Klägerin habe einen Auslandskrankenschein beantragt und diesen von der Beklagten mit Schreiben vom 18.03.2014 erhalten. In diesem Zusammenhang sei der Leistungsakte keine weitere Aufklärung über die Grenzen de...

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