Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. Schülerbeförderung. gewählter Bildungsgang des beruflichen Gymnasiums. keine Verweisung auf nächstgelegene gymnasiale Oberstufe. kein Abschlag für im Regelbedarf enthaltene Kosten. Beschränkung des Streitgegenstandes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein berufliches Gymnasium stellt einen eigenständigen Bildungsgang iS des § 28 Abs 4 SGB 2 dar.

2. Es ist dem Grundsicherungsträger verwehrt, einen Antrag auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten eines Leistungsberechtigten - der ein berufliches Gymnasium besucht - mit der Begründung abzulehnen, beim Besuch einer näher gelegenen gymnasialen Oberstufe entstünden keine zusätzlichen Kosten.

3. Eine Reduzierung der erstattungsfähigen Kosten der Schülerbeförderung, um einen im Regelsatz enthaltenen Teilbetrag scheidet so lange aus, bis der Gesetzgeber einen solchen konkreten Absatzbetrag festgelegt hat.

 

Orientierungssatz

Bei Ansprüchen auf Übernahme von Schülerbeförderungskosten gem § 28 Abs 4 SGB 2 handelt es sich um eigenständige und abtrennbare Streitgegenstände, die isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen geltend gemacht werden können.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 27.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verurteilt, dem Kläger für die Zeit von März 2011 bis Mai 2012 Schülerbeförderungskosten in Höhe 446,50 € zu gewähren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Beklagte hat dem Kläger 83 % seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Schülerbeförderungskosten.

Der 1991 geborene Kläger besucht seit dem Schuljahr 2010/2011 die D-Schule in A-Stadt. Er besucht dort das berufliche Gymnasium. Die Entfernung vom Wohnort des Klägers zur D-Schule beträgt ca. 8 km und kann mit einem Ticket der Tarifgruppe A-Stadt des NVV erreicht werden.

Die E-Schule ist vom Wohnort des Klägers ca. 600 m entfernt. An dieser Schule gibt es eine gymnasiale Oberstufe.

Der Kläger bildet mit seinen Eltern und Geschwistern eine Bedarfsgemeinschaft, welche seit 2007 Leistungen nach dem SGB II bezieht.

Bis einschließlich Dezember 2010 wurden die Schülerbeförderungskosten über die “XY.„ übernommen.

Seit Dezember 2010 hat der Kläger folgende Ausgaben getätigt: 2 Job-Tickets Monatskarten A-Stadt plus (jeweils 44,70 €) für die Zeit vom 16.12.2010 bis 15.01.2011 und 16.01.011 bis 15.02.2011. Für die Zeit vom 08.03.2011 bis 08.04.2011 hat der Kläger ein Diakonieticket A-Stadt plus (50,-- €) genutzt. Im Zeitraum 13.04.2011 bis 13.05.2011 sowie vom 19.05.2011 bis 19.06.2011 hat der Kläger ein Diakonie-9-Uhr-Ticket A-Stadt plus (37,-- €) genutzt. In der Zeit vom 08.08.2011 bis 08.09.2011, 09.09.2011 bis 09.10.2011, 10.10.2011 bis 10.11.2011 sowie 11.11.2011 bis 11.12.2012 hat Kläger Monatskarten für Auszubildende im Tarif A-Stadt plus (jeweils 44,70 €) genutzt. In der Zeit vom 13.12.2011 bis 13.01.2012, 14.01.2012 bis 14.02.2012, 15.02.2012 bis 15.03.2012 sowie im Monat April und Mai hat der Kläger ebenfalls Monatskarten für Auszubildende im Tarif A-Stadt plus genutzt (in diesem Zeitraum 45,90 €).

Die Monatskarte für Auszubildenden im Tarif A-Stadt (ohne plus) kostete Im Jahr 2011 38,00 € und 38,90 € ab Januar 2012. Die Kosten für ein Diakonie-9-Uhr-Ticket im Tarif A-Stadt (ohne plus) betrugen im Jahr 2011 31,-- €.

Am 03.03.2011 beantragte der Kläger zunächst telefonisch die Übernahme der Schülerbeförderungskosten und am 13.07.2011 unter Beifügung von Belegen nochmals schriftlich.

Mit Bescheid vom 27.07.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, bei der D-Schule handele es sich nicht um die nächstgelegene Schule. Der Kläger könne den von ihm erstrebte Abschluss, namentlich das Abitur, auch an der E-Schule erlangen. Beim Besuch dieser Schule würden keine zusätzlichen Fahrkosten entstehen, so dass der Antrag abzulehnen sei.

Dagegen erhob der Kläger am 03.07.2011 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er sich bewusst für das berufliche Gymnasium mit der Fachrichtung Wirtschaft entschieden habe. Ein Verweis auf die näher gelegene E-Schule sei daher nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2011 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten über § 28 Abs. 4 SGB II scheide vorliegend aus, weil der gewählte Bildungsgang die allgemeine Hochschulreife sei. Dieses Bildungsziel könne der Kläger an der E-Schule erreichen.

Dagegen hat der Kläger am 08.09.2011 Klage zum SG Kassel erhoben, mit der er sein Anliegen weiterverfolgt, und weitere Belege vorgelegt. Er hält den Verweis auf die E-Schule für rechtswidrig. In der mündlichen Verhandlung hat er sein Begehren insoweit präzisiert, als er auf die Erstattung für die Jobtickets A-Stadt plus im Zeitraum 16.12.2010 bis 15.01.2011 und 16.01.2011 bis 15.02.2011 verzichte, weil er nicht ausschließen könne, diese Kosten über die XY. erstattet bekommen zu haben.

Der Kläger b...

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