Entscheidungsstichwort (Thema)

Landwirtschaftliche Unfallversicherung. Versicherungs- und Beitragspflicht. Waldgrundstückseigentümer. Widerlegung der Vermutung des Bestehens eines forstwirtschaftlichen Unternehmens. plausibles Bestreiten einer forstwirtschaftlichen Nutzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die an Waldeigentum oder sonstige Nutzungsrechte geknüpfte Vermutung des Bestehens eines forstwirtschaftlichen Unternehmens ist dann widerlegt, wenn der Betroffene eine forstwirtschaftliche Nutzung plausibel bestreitet.

2. Die Begründung einer Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung allein aufgrund von Waldeigentum oder sonstigem Nutzungsrecht an einem bewaldeten Grundstück ist mit Art 2 Abs 1 GG nicht vereinbar.

 

Tenor

Die Bescheide vom 20. Juni 2012 und der Bescheid vom 11. Februar 2013, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2013, sowie der Bescheid vom 8. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 2013 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.274,82 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zur Beitragszahlung zur gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund Eigentums an einem mit Wald bewachsenen Grundstück.

Der Kläger ist seit dem 23. Juli 1996 Eigentümer eines Grundstücks in der Gemarkung … (Thüringen) mit einer Fläche von 0,58 Hektar. Dieses Flurstück besteht zu 0,4327 Hektar aus Wald und zu 0,1473 Hektar aus Grünland.

Im Rahmen des von der Beklagten eingeleiteten Anhörungsverfahrens teilte der Kläger mit, dass er keinen Nutzen aus seinem Grundstück ziehe. Das Grundstück würde nur zur dauerhaften Verwilderung bzw. als Brachland, als Anfahrgrundstück und zur Werterhaltung genutzt. Die Flächen lägen schon immer brach. Eine Bewirtschaftung sei nicht vorgesehen.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2012 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger ihre Zuständigkeit für das von ihm “betriebene landwirtschaftliche Unternehmen„ seit dem 15. November 1995 als zuständiger gesetzlicher Unfallversicherungsträger fest. Sie kündigte an, dass für dieses Unternehmen jährlich Beiträge erhoben würden.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Juni 2012 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Beitragsforderung in Höhe von je 40,00 Euro für die Jahre 2007 bis 2009 fest.

Mit weiterem Bescheid vom 20. Juni 2012 setzte sie Beiträge für das “Unternehmen„ in … für das Jahr 2010 in Höhe von 42,90 Euro und für das Jahr 2011 in Höhe von 42,22 Euro fest.

Gegen den Bescheid über die Versicherungs- und Beitragspflicht für ein forstwirtschaftliches Unternehmen erhob der Kläger am 10. Juli 2012 Widerspruch. Er führte aus, dass ein forstwirtschaftliches Unternehmen von ihm nicht geführt werde. Die Waldfläche sei aufgrund ihrer geringen Größe für eine wirtschaftliche Nutzung nicht geeignet. Der Wald sei zur Verwilderung bestimmt, um seinen “Öko-Terrorismus vollstens auszuleben sowie Karl dem Käfer eine Heimat zu bieten„.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2013 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Beitragsforderung in Höhe von 43,55 Euro für das Jahr 2012 fest. Hiergegen erhob der Kläger am 11. März 2013 Widerspruch.

Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers mit Bescheid vom 25. Juni 2013 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die gesetzliche landwirtschaftliche Unfallversicherung u. a. Unternehmen der Forstwirtschaft umfasse. Dabei sei für das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Unternehmens eine Gewinnerzielungsabsicht bzw. Gewerbsmäßigkeit keine Voraussetzung. Für die Qualifizierung als forstwirtschaftliches Unternehmen sei es unerheblich, ob die forstwirtschaftliche Nutzung jährlich (Nachhalte-Unternehmen) oder nur in größeren zeitlichen Abständen (aussetzende Unternehmen) anfalle. Forstwirtschaftliches Unternehmen im Sinne des Unfallversicherungsrechts sei vielmehr jedes Unternehmen, das der Gewinnung von Holz zu dienen bestimmt sei oder nach seiner Beschaffenheit zu dienen in der Lage sei und nach gesetzlichen Vorschriften forstwirtschaftlich bearbeitet werden müsse. Nach dem Sinn und Zweck der landwirtschaftlichen Unfallversicherung sei entscheidend, dass entweder konkrete forstwirtschaftliche Arbeiten selbst oder von Dritten verrichtet würden oder aber bei im Einzelfall nicht feststellbaren Tätigkeiten aufgrund der dem Waldbesitzer durch die Waldgesetze auferlegten Bewirtschaftungspflichten solche Tätigkeiten und damit die Eigenschaft als forstwirtschaftlicher Unternehmer vermutet würden. Eine solche Vermutung werde in tatsächlicher Hinsicht dadurch unterstützt, dass von einem Brachliegenlassen in der Forstwirtschaft jedenfalls dann keine Rede sein könne, wenn auf den forstwirtschaftlichen Flächen noch Bäume stünden, wüchsen oder nachwüchsen. In rechtlicher Hinsicht sei für die Vermutung anzuführen, dass der Waldbesitzer nach den Waldgesetzen zur Erhaltung des Waldes und damit zur Bewirtschaftung des Waldes verpflichtet sei, wobei es keine Rolle spiele, wie die Einh...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge