Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wegeunfall. sachlicher Zusammenhang. externe Wege zwecks Nahrungsaufnahme. Beginn und Ende. Außentür des Gebäudes. Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums. sozialgerichtliches Verfahren. Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Klägerin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung auf Wegen zur und von der Nahrungsaufnahme endet bzw beginnt mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem die Kantine oder Gaststätte liegt, dh mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums (Anschluss an BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 24/02 R = HVBG-INFO 2003, 2451).

2. Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig und kann auch gegen den erklärten Willen eines Beteiligten ergehen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin am 22.06.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Die 1973 geborene Klägerin ist seit September 2005 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis am T-Gymnasium, P., beschäftigt. Da die Schule über keine eigene Kantine verfügt, nehmen die dort tätigen Lehrer den Angaben der Klägerin zufolge ihr Mittagessen üblicherweise in der in der Nähe der Schule gelegenen Kantine der Sparkasse P. ein.

Am 22.06.2012 blieb die Klägerin auf dem Rückweg vom Mittagessen beim Heruntergehen einer Treppe innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. mit der Schuhsohle an einer Stufe hängen und verdrehte das rechte Knie (Unfallanzeige des T--Gymnasiums vom 25.06.2012). Dabei zog sie sich eine Ruptur des vorderen Kreuzbands mit begleitender Rissbildung im Bereich des Außenmeniskushinterhorns und Zerrung der medialen und ventromedialen Gelenkkapsel rechts zu (vgl. Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 26.06.2012).

Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, zwar stünden Wege zur und von der Aufnahme des Mittagessens grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Führe der Weg zur Nahrungsaufnahme allerdings aus dem eigenen Betrieb hinaus, beginne und ende der gesetzliche Unfallversicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde (Bescheid vom 13.07.2012).

Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, der Unfall habe sich noch innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. ereignet, in welchem die Kantine untergebracht sei. Schon aus diesem Grund sei vorliegend Unfallversicherungsschutz gegeben (Hinweis auf den Beschluss des Bay. VGH vom 10.05.1999 - 3 ZB 98.2893 - ≪Juris≫). Die Beklagte wies den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Treppensturz habe sich im unversicherten Bereich des Sparkassengebäudes ereignet. Die Klägerin habe das Schulgelände (Betriebsgelände) verlassen, um die Kantine im Sparkassengebäude aufzusuchen. Auf Wegen zur oder von der Nahrungsaufnahme sei ein Versicherter regelmäßig im gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraums geschützt. Mit dem Durchschreiten der Außentür des Sparkassengebäudes habe die Klägerin den öffentlichen Verkehrsraum indes verlassen und diesen im Unfallzeitpunkt noch nicht wieder erreicht. Deshalb habe sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15) im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2012).

Deswegen hat die Klägerin am 26.11.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen einem privaten und einem öffentlichen Verkehrsraum sei nicht nachvollziehbar und willkürlich. Vielmehr seien der öffentliche Verkehrsraum und öffentliche Gebäude gleich zu bewerten, insbesondere, wenn es sich um Gebäude einer öffentlich-rechtlichen Institution wie einer Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts handele.

Die Klägerin beantragt - teilweise sinngemäß -,

den Bescheid vom 13. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2012 aufzuheben und das Unfallereignis vom 22. Juni 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Mit Schreiben vom 04.02.2013 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.02.2013, beim erkennenden Gericht am 04.03.2013 eingegangen, Gebrauch gemacht.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungskla...

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