Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Knieoperation. Spendersehne. selbstbeschaffte privatärztliche Leistung. Kostenerstattung

 

Orientierungssatz

1. Anders als bei gewählter Kostenerstattung ist der Erstattungsumfang bei § 13 Abs 3 SGB 5 nicht auf die Sachleistungssätze begrenzt; vielmehr sind die Kosten der selbstbeschafften Leistung grundsätzlich in der tatsächlich entstandenen Höhe zu erstatten (vgl BSG vom 24.5.2007 - B 1 KR 18/06 R = BSGE 98, 257 = SozR 4-6928 Allg Nr 1). Der Versicherte soll so gestellt werden, als hätte die Krankenkasse die Sachleistung rechtzeitig zur Verfügung gestellt.

2. Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (vgl BSG vom 11.9.2012 - B 1 KR 3/12 R = BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23).

 

Tenor

Die Bescheide der Beklagten vom 21. September 2010 sowie vom 21. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2011 werden abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die gemäß der Rechnung vom 18. Februar 2011 in Höhe von 1350,49 € entstandenen Kosten für die vom 25. bis 29. November 2010 durchgeführte stationäre Behandlung zu erstatten.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Kostenerstattung für eine stationär durchgeführte Knieoperation, bei der ein Spendertransplantat verwendet wurde.

Der Kläger ist Zimmermann und bei der Beklagten krankenversichert. Am 25. August 2010 ging bei der Beklagten eine ärztliche Bescheinigung von Dr., Klinik, ein: Hiernach bestehe beim Kläger eine Indikation für einen stationären Eingriff mit vorderer und hinterer Kreuzbandrekonstruktion am linken Kniegelenk unter Einsatz einer Spendersehne sowie für eine Augmentation des Innenbandes. Bereits 2006 sei auswärtig eine hintere Kreuzbandrekonstruktion erfolgt. Es bestehe eine komplexe Instabilität des linken Kniegelenkes. In seinem Beruf sei er im jetzigen Zustand nicht arbeitsfähig. Es werde um Kostenübernahme für den stationären Eingriff im Rahmen der Fallpauschale plus Kosten für die Spendersehne von 2.500 € gebeten (Bl. 1 der Beklagtenakten).

Mit Bescheid vom 21. September 2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 10. September 2010 (Bl. 5/6 der Beklagtenakten) ab: Die “Kosten für die Spendersehne„ könnten nicht übernommen werden. Zwar bestehe zweifelsfrei eine medizinische Indikation zur Rekonstruktion der Kreuzbänder - gerade wegen des bereits fehlgeschlagenen Stabilisierungsversuchs. Aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Klägers sei eine Versorgung mit einem Patellarsehnentransplantat ungünstig. Hier könnten nämlich beim Knien Beschwerden im Bereich der Kniegelenkscheibe auftreten. Jedoch sei im DRG-System ein gesondertes Entgelt für den Einsatz eines Spendertransplantats nicht vorgesehen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, die Beklagte sei zur Kostenübernahme der notwendigen medizinischen Behandlung unter Verwendung einer Spendersehne verpflichtet.

Die Beklagte holte daraufhin ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK, nunmehr vom 14. Oktober 2010 (Bl. 13/15 der Beklagtenakten), ein: Weiterhin sei eine Versorgung der Knieinstabilität beim Kläger medizinisch indiziert. Hierzu stünden verschiedene Techniken zur Verfügung, die auf der Verwendung von körpereigenem Material zum Ersatz der zerstörten Kniebänder basierten. Hierzu zähle auch das im Vorgutachten erwähnte Patellarsehnentransplantat als Ersatz für das zerstörte Kreuzband. Diese Technik sei jedoch aufgrund des Berufes des Klägers ungünstig und auch im konkreten Fall vom Kläger nicht beantragt worden. Vielmehr gehe es hier um die Verwendung einer Spendersehne. Es handle sich um eine selten angewandte Technik. Hierfür sei eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich. Die Stabilisierung mittels Spendertransplantat sei möglich und die Verwendung der eigenen Kniescheibensehne eher ungünstig. Allerdings sei eine zusätzliche Vergütung des verwendeten Transplantats nicht individuell abrechenbar. Es handle sich um eine vertragsrechtliche, nicht um eine medizinische Problematik.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag erneut ab. Zwar würden die Kosten für den geplanten Eingriff im Rahmen des DRG-Systems (Fallpauschale) übernommen, die “Mehrkosten für die Spendersehne„ seien aber vom Kläger zu tragen.

Der Kläger schloss daraufhin mit der einen privatärztlichen Behandlungsvertrag und vereinbarte zusätzlich eine wahlärztliche Behandlung durch die Chefärzte und leitenden Ärzte der Klinik (Bl. 67 der Gerichtsakten). Vom 25. bis 29. November 2010 wurde der vom Kläger gewünschte Eingriff sodann im stationär durchgeführt.

Die Widerspruch...

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