Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion des Leistungsantrags eines Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Durch die Fiktion der Genehmigung eines Leistungsantrags des Versicherten bei Versäumung der Bescheidungsfrist durch die Beklagte gilt die beantragte Leistung nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB 5 als genehmigt.

2. Die beantragte Leistung gilt als bewilligt, wenn sie subjektiv für den Berechtigten erforderlich ist und nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt.

3. Liegen alle gesetzlich geforderten Voraussetzungen für das Eintreten der fiktiven Genehmigung vor, so ist eine Aufhebung nach § 45 SGB 10 ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Bescheide vom 23.07.2015 sowie vom 11.11.2015 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die beantragte Schlauchmagen-Operation als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme für eine bariatrische Operation.

Die 1972 geboren Klägerin ist bei der Beklagten gesetzliche krankenversichert. Bei einer Größe von 1,56 Metern und einem Gewicht von ca. 89 Kilogramm (BMI von ca. 36,63) leidet sie unter einer Adipositas Grad III. Nach eigenen Angaben sowie nach Angabe der behandelnden Ärzte habe sie den multimodalen Therapieversuch leitliniengerecht verfolgt, wobei es über den gesamten Zeitraum der Maßnahmen zu keiner nennenswerten Gewichtsreduktion gekommen sei.

Mit Schreiben vom 12.06.2015, bei der Beklagten eingegangen am selben Tag, beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Adipositas-Chrirurgische Operation in Form einer Schlauchmagen-Operation zur Behandlung ihrer langjährigen Adipositas Grad III. Sie gab hierbei an, dass sie sich vielfach bemüht habe, ihr Gewicht dauerhaft zu reduzieren und somit ihren Gesundheitsstatus zu verbessern. Sie habe trotz aller Versuche der Ernährungsumstellungen und des Bewegungstrainings keinen dauerhaften Erfolgt erzielt.

Dem Antrag beigefügt waren diverse, auch medizinische, Unterlagen, unter anderem eine Stellungnahme des Prof. Dr. ... , Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie Exzellenzzentrum für Adipositas Chirurgie vom 02.06.2015, welcher die medizinische Notwendigkeit beschreibt und um Kostenübernahme bittet. Weitere Atteste waren beigefügt von der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Dr. ... , der orthopädischen Gemeinschaftspraxen in ... sowie des Facharztes für Innere Medizin, Dr. ... . Zudem lag dem Antrag sowohl ein Ernährungsprotokoll als auch ein Bewegungsprotokoll bei.

Mit Schreiben vom 24.06.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie aufgrund des Antrages der Klägerin vom „22.06.2015„ (Eintragseingang 12.06.2015) beabsichtige, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einzuschalten. Die Unterlagen würden an den MDK weitergeleitet werden.

Der MDK erstellte unter dem 09.07.2015 sein Gutachten. Ein BMI-Wert von 40 werde bei der Klägerin nicht überschritten, sodass eine OP-Indikation pauschal nicht anzunehmen sei. Bei dem vorliegenden BMI sei die OP-Indikation im Zusammenhang mit Folge- bzw. Begleiterkrankungen zu prüfen. Schlussendlich würden weiterhin konservative Maßnahmen empfohlen werden.

Ausweislich einer Aktennotiz in der Verwaltungsakte teilte die Beklagte der Klägerin am 21.07.2015 telefonisch die Ablehnung der begehrten Operation mit.

Mit Bescheid vom 23.07.2015 lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Operation ab.

Die Klägerin hat am 24.07.2015 Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass der Leistungsantrag als genehmigt gelte, da die Beklagte nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen hierüber entschieden habe. Die Beklagte habe es versäumt, die Klägerin darüber zu informieren, dass sie die gesetzliche Frist nicht einhalten können werde. Als Rechtsfolge trete daher die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) ein.

Die Beklagte hat sodann in dem hiesigen Verfahren mit Schreiben vom 11.11.2015 den fiktiven Verwaltungsakt gemäß § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch     - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) aufgehoben.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt könne, auch wenn er fiktiv sei, unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 SGB X zurückgenommen werden. Insbesondere sei die begehrte Operation noch nicht durchgeführt worden, womit eine Vermögensdisposition nicht getroffen worden sei, sodass kein schutzwürdiges Vertrauen vorliege. Durch die Aufhebung des fiktiven Verwaltungsaktes verbleibe es bei der Ablehnung vom 23.07.2015, die mittlerweile bestandskräftig geworden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.2015 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 11.11.2015 zu verurteilen, die Klägerin mit einer Schlauchmagen-Operation als Sachleistung gemäß des Antrages vom 12.06.2015 zu versorgen.

Die...

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