Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Umfang der Pauschgebührenpflicht bei mehrfacher Klageerhebung gegen denselben Bescheid. Rechtshängigkeit. Niederschlagung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die "Streitsache" iSd § 184 SGG ist formal verfahrensbezogen, nicht streitgegenstandsbezogen zu verstehen.

2. Erhebt ein Kläger irrtümlicherweise mehrfach Klage gegen denselben Bescheid, hindert die der Zulässigkeit der späteren Klage entgegenstehende anderweitige Rechtshängigkeit die Pauschgebührenpflicht der Beklagten auch für das später rechtshängig gewordene Verfahren nicht, selbst wenn dieses auf gerichtlichen Hinweis sogleich durch Klagerücknahme beendet wird.

 

Orientierungssatz

Eine Niederschlagung gemäß § 190 SGG ist im Rahmen des Erinnerungsverfahrens ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen die Feststellung und Anforderung der Pauschgebühr für das Verfahren S 11 KR 300/13 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Erinnerungsführerin zur Zahlung der Pauschgebühr gem. § 184 SGG.

Die Erinnerungsführerin ist die Beklagte des dem Erinnerungsverfahren zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens S 11 KR 300/13 (im Folgenden nur: Ausgangsverfahren), in dem der Kläger mit Klageschrift seiner Bevollmächtigten vom 21. Mai 2013, die am selben Tag bei dem Sozialgericht Fulda eingegangen ist, einen Anspruch auf Krankengeld geltend machte.

Die Kammervorsitzende verfügte am 28. Mai 2013 die Mitteilung der Klageschrift an die Beklagte und nunmehrige Erinnerungsführerin sowie die Bestätigung des Klageeingangs bei Gericht an die Klägerbevollmächtigten; diesen gegenüber wies sie gleichzeitig darauf hin, dass am 21. Februar 2013 bereits eine Klage mit identischem Streitgegenstand erhoben worden sei (S 11 KR 241/13). Daraufhin erklärten die Bevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 24. Juni 2013 das Ausgangsverfahren für erledigt, was die Kammervorsitzende als Klagerücknahme wertete.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle stellte daraufhin die Pflicht der Erinnerungsführer zur Zahlung der Pauschgebühr gem. § 184 Abs. 1 SGG in Höhe von 75 EUR fest und forderte sie mit Kostenrechnung vom 17. Februar 2013 bei der Erinnerungsführerin an.

Mit Schriftsatz vom 6. März 2013, der bei dem Sozialgericht Fulda am 10. März 2013 eingegangen ist, hat die Erinnerungsführerin Erinnerung gegen die Gebührenrechnung vom 17. Februar 2013 erhoben und führt zur Begründung aus, dass es sich bei dem Ausgangsverfahren um dieselbe Angelegenheit handele wie im Verfahren S 11 KR 241/13, so dass auch die Pauschgebühr nur einmal zu zahlen sei.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß,

die Kostenrechnung vom 17. Februar 2013 (Kassenzeichen: xxxxx) aufzuheben und die gezahlte Pauschgebühr zurückzuerstatten.

Das Gericht hat davon abgesehen, den Erinnerungsgegner um Stellungnahme zu ersuchen.

II.

Die gem. § 198 Abs. 2 S. 2 SGG zulässige Erinnerung ist nicht begründet. Die Pauschgebührenfeststellung und -anforderung ist rechtmäßig.

1. Gem. § 184 Abs. 1 S. 1 SGG hat die Erinnerungsführerin als Beklagte des Ausgangsverfahrens, als die sie nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehörte, “für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten„. Diese entsteht gem. § 184 Abs. 1 S. 2 SGG (bereits), “sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist„ und wird gem. § 185 SGG mit der Erledigung durch Rücknahme fällig. Diese Voraussetzungen liegen nach Abschluss des Verfahrens durch Zurücknahme vor.

a) Im Sozialprozess tritt die Rechtshängigkeit einer “Streitsache„ gem. § 94 SGG bereits mit “Erhebung der Klage„ ein, was gem. § 90 SGG “bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich„ erfolgen kann. Folglich ist die Streitsache des Ausgangsverfahrens durch Eingang der Klageschrift der Bevollmächtigten des Klägers vom 21. Mai 2013 bei dem Sozialgericht Fulda in diesem Sinne rechtshängig geworden, was sodann die Pauschgebührenpflicht ausgelöst hat.

b) Anders könnte nur dann entschieden werden, wenn man den Begriff der “Streitsache„ nicht verfahrensbezogen verstehen wollte, sondern streitgegenstandsbezogen. Denn dann wäre diese Streitsache bereits mit der Klageerhebung im Verfahren S 11 KR 241/13 rechtshängig geworden und es hätte durch die erneute Rechtshängigkeit keine weitere Pauschgebühr ausgelöst werden können, da diese Gebühr nur einmal zu zahlen ist. Dies ist jedoch unzutreffend.

Denn nach allgemeiner Meinung ist der Begriff der “Streitsache„ verfahrensbezogen zu verstehen, nicht in Hinblick auf den Streitgegenstand, da andernfalls im Falle der objektiven Klagehäufung mehrere Pauschgebühren erhoben werden müssten, was nicht der Fall ist (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 184 Rn. 7; BeckOK SozR/Jungblut SGG § 184 Rn. 6 [Stand: 1. Juni 2014]). Es kommt für die Entstehung der Pauschgebührenpflicht allein darauf an, dass ein formelles Klageverfahren bei Gericht in Gang gesetzt worden ist. Welchen Streitgegenstand dieses Verfahren aufweist oder ob die Klage zu...

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