Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. zahnprothetische Versorgung. Mangelhaftigkeit oder Unbrauchbarkeit. Beurteilung der Versorgungsqualität erst nach Abschluss einer umfangreichen Gebiss-Sanierung möglich. Gewährleistungsverpflichtung des behandelnden Zahnarztes. Zumutbarkeit der Weiterbehandlung

 

Orientierungssatz

1. Ist eine durchgeführte zahnprothetische Versorgung mängelbehaftet oder unbrauchbar, hat der behandelnde Zahnarzt eine Mangelgewährleistungsverpflichtung; er ist nach § 136a Abs 4 S 3 und 4 SGB 5 innerhalb 2-Jahresfrist verpflichtet, eine Erneuerung oder Wiederherstellung von Zahnersatz einschließlich der Kronen kostenfrei zu übernehmen. Dieses Gewährleistungsrecht für dazu, dass das grundsätzliche Recht auf eine freie Arztwahl nach § 76 Abs 1 S 1 SGB 5 eingeschränkt wird, denn der Verzicht eines Patienten auf die Inanspruchnahme der (kostenlosen) Gewährleistung des behandelnden Zahnarztes, ist mit seinen Folgen am Wirtschaftlichkeitsgebot, § 12 SGB 5, zu messen.

2. Bei einer umfangreichen Gebiss-Sanierung wie hier ist es naheliegend, dass bis zum Erreichen einer vollständigen Beschwerdefreiheit zahlreiche (also mehr als zwei) Nachbesserungen erforderlich sein können und dass eine aussagekräftige Beurteilung der Versorgungsqualität erst nach einem Abschluss der Behandlung möglich ist.

3. Zur Zumutbarkeit der Weiterbehandlung bei dem ursprünglichen Zahnarzt (vgl BSG vom 10.5.2017 - B 6 KA 15/16 R = SozR 4-5555 § 21 Nr 3 RdNr 35).

 

Tenor

Der Eilantrag wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Genehmigung zu einem Zahnarztwechsel für die erforderliche Nachbesserung bzw. Neuanfertigung ihres im Jahr 2018 durch die Zahnärztin B. begonnenen Zahnersatzes.

Die 1947 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert.

Seit Juli 2018 ist sie ohne ausreichenden Zahnersatz. Die Behandlung bei dem bis Juli 2018 behandelnden Zahnarzt Dr. C., brach die Antragstellerin ab. Die Antragsgegnerin stimmte (nach Aktenlage) einem Behandlerwechsel in der Folgezeit zu. Die Antragstellerin stellte sich daraufhin in der Praxis Dres. B. vor. Wegen einer umfassenden prothetischen Versorgung erstellte die Zahnarztpraxis B. einen Heil- und Kostenplan vom 22.8.2018 über Gesamtbehandlungskosten von rund 5442,- € und einen Festzuschuss der Antragsgegnerin von rund 5163,- €. Geplant waren Kronen an den Zähnen 17, 11, 21, 33, 43 und 42; außerdem an Ober- und Unterkiefer Modellgussprothesen zum Ersatz der fehlenden restlichen Zähne.

Am 12.10.2018 bemängelte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die bis dahin erfolgte zahnärztliche Behandlung. Dem war nach Aktenlage voraus gegangen:

Nachdem von Frau Dr. B. B. der Heil - und Kostenplan erstellt und an die Antragsgegnerin geleitet worden war, folgte der Behandlungsbeginn am 6.9.2018 mit provisorischen Kronen, am 26.9.2018 mit permanenten Kronen und einer anschließenden Anpassung; am 8.10.2018 sollten in einem zweiten Schritt die herausnehmbaren, von den Kronen stabilisierten Prothesen eingepasst werden. An diesem Tag brach die Antragstellerin die Behandlung ab - zu einem Einsetzen der fertigen Prothesen kam es nicht mehr. Die Prothesen befinden sich derzeit noch in der Praxis Dres. B.

Die Antragstellerin hat derzeit lediglich 6 Kronen.

Mit Schreiben vom 30.10.2018 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass ein Mängelgutachten aufgrund des nicht vollständig eingegliederten Zahnersatzes nicht zielführend sei. Der behandelnde Vertragszahnarzt habe auch eine 2-jährige Gewährleistungsfrist, innerhalb dieser Frist sei ein neuer Zahnersatz grundsätzlich nicht möglich.

Zu diesem Schreiben legte die Antragstellerin, anwaltlich vertreten, Widerspruch ein (Schreiben vom 13.11.2018). Die angefertigten Kronen seien zu groß und schmerzhaft. Die Zahnärztin habe sich geweigert, die Kronen zu entfernen bzw. zu bearbeiten - dies sei jedoch Voraussetzung für eine weitere Behandlung. Eine weitere Behandlung durch Fr. Dr. B. sei nicht zumutbar.

Mit Bescheid vom 30.1.2019 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Dazu ist ein Klageverfahren unter dem Aktenzeichen S 35 KR 369/19 anhängig.

Am 8.4.2019 hat die Antragstellerin zur Niederschrift bei Gericht einen Eilantrag gestellt. Sie trägt im Wesentlichen vor, sie habe im Sichtbereich im Oberkiefer nur noch zwei vordere Zähne. Die darunterliegenden Zähne im Unterkiefer fehlten, so dass es ihr schwerfiele, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen. Sie sei Diabetikerin und könne sich nicht entsprechend ernähren, weil sie mit den vorhandenen Zähnen nicht richtig kauen könne. Darüber hinaus habe sie starke Schmerzen vorwiegend im Oberkiefer, weil der benötigte Biss fehle, womit sie die Eilbedürftigkeit begründe.

Unter Beifügung der Begründung im Klageverfahren wird ferner ausgeführt, die Eingliederung der 6 Kronen liege außerhalb des Toleranzbereiches. Die Kronen seien nur eingeschrän...

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