Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufforderung zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente. unbillige Härte. nicht ausreichende Begründung der Ermessensentscheidung

 

Orientierungssatz

1. Sowohl die Stellung eines Rentenantrags durch den Grundsicherungsträger für den Leistungsberechtigten gem § 5 Abs 3 S 1 SGB 2 als auch die Aufforderung an den Leistungsberechtigten zur Rentenbeantragung iS des § 12a SGB 2 stehen im Ermessen. Bei der Ermessensausübung hat der Grundsicherungsträger auch andere als die in der UnbilligkeitsV aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Der in der UnbilligkeitsV aufgeführte Katalog von Unbilligkeitstatbeständen ist nicht abschließend.

2. Bei der Ermessensausübung ist auch zu berücksichtigen, ob eine vorzeitige Inanspruchnahme einer geminderten Altersrente voraussichtlich zu einer dauerhaften Bedarfsunterdeckung und zu einer dauerhaften Inanspruchnahme von Existenzsicherungsleistungen führen würde.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 06.11.2012 (S 25 AS 4434/12) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2012 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I:

Der am 15.03.19xx geborene Antragsteller (im Folgenden: Ast) und seine am 11.02.19xx geborene Ehefrau beziehen von der Antragsgegnerin (im Folgenden: Ag) Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) aufgrund des Bescheides vom 12.07.2012 in Höhe von 1.027,99 EUR monatlich.

Nach der Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung-Rheinland vom 18.07.2012 würde der Ast nach Erreichen der Regelaltersgrenze am 13.07.2015 ab dem 01.08.2015 eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 964,50 EUR zu erwarten haben. Die Regelaltersrente seiner Ehefrau würde zum 01.07.2015 465,30 EUR betragen (Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung - Bund vom 24.04.2012).

Im Haushalt des Ast lebt noch dessen volljährige Tochter, für die von der Ag anteilige Unterkunftskosten gezahlt werden.

Mit Bescheid vom 10.09.2012 forderte die Ag ihn auf, unverzüglich einen Antrag auf vorzeitige Altersrente, beginnend ab Vollendung des 63. Lebensjahres bei dem für ihn zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Sie wies darauf hin, dass dieser Aufforderungsbescheid kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei und führte zur Begründung an, dass er gem § 12 a SGB II verpflichtet sei, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sei. Hierzu gehöre auch die Inanspruchnahme einer vorzeitigen - auch geminderten - Altersrente. Da sämtliche Versuche, seine Hilfebedürftigkeit durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu beenden oder zu reduzieren in der Vergangenheit fehlgeschlagen seien, sei der Verweis auf den Bezug einer geminderten Altersrente angemessen und geeignet, die Hilfebedürftigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschrift zu vermindern. Da weder Bestandsschutz im Sinne der §§ 65 Abs 4 SGB II, 428 Sozialgesetzbuch III (SGB III) gegeben sei und auch kein Härtefall nach der Unbilligkeitsverordnung eingreife, sei er zur Stellung des Antrags auf vorzeitige Altersrente unmittelbar gesetzlich verpflichtet. Den gegen den Bescheid fristgerecht eingelegten Widerspruch, mit dem der Ast geltend machte, die Beantragung einer vorzeitigen Altersrente sei unbillig, wies die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2012 als unbegründet zurück. Unter Hinweis auf das Nachrangprinzip des § 5 Abs 1 SGB II vertrat sie die Auffassung, dass der Ast vor Inanspruchnahme von Grundsicherungsleistungen zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Abwendung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit zu nutzen habe. Hierzu gehöre auch die Inanspruchnahme einer Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt, auch wenn dies mit Abschlägen verbunden wäre, da die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung, nach der ausnahmsweise keine vorzeitige Altersrente in Anspruch genommen werden müsse, nicht vorlägen. Entgegen der Auffassung des Ast seien die in der Unbilligkeitsverordnung festgeschriebenen Gründe abschließend, so dass weitere, in der Unbilligkeitsverordnung nicht genannten Umstände, nicht zu berücksichtigen seien.

Am 06.11.2012 hat der Ast unter dem Az.: S 25 AS 4434/12 Klage erhoben und am 30.11.2012 den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bei Gericht gestellt. Zur Begründung trägt er vor, dass er ohne Anordnung der aufschiebenden Wirkung befürchten müsse, dass nunmehr die Ag - wie angekündigt - gegen seinen Willen im Wege der Ersatzvornahme einen entsprechenden Rentenantrag stellen werde. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente sei ihm nicht zumutbar, weil aufgrund der zu erwartenden Rentenabschläge zu befürchten sei, dass er und seine Ehefrau dauerhaft auf Leistungen der Grundsi...

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