Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der auf eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte anrechenbaren Versicherungszeiten

 

Orientierungssatz

1. Auf die erforderliche Wartezeit von 45 Jahren zur Bewilligung von Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach §§ 38, 236b Abs. 1 SGB 6 wird u. a. der Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht angerechnet, es sei denn, der Bezug dieser Entgeltersatzleistung der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt.

2. Hat der ehemalige Arbeitgeber des Versicherten nur einen Teilbereich seiner Arbeiten ausgegliedert und den Versicherten deshalb gekündigt, so stellt dieser Umstand keine vollständige Geschäftsaufgabe dar. Es ist unzulässig, weitere Ausnahmetatbestände zu schaffen.

3. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 und 14 GG.

4. Hat der Rentenversicherungsträger bei einer Vorsprache des Versicherten, um sich über seine Anwartschaft zu informieren, seine Beratungspflicht verletzt, so folgt hieraus grundsätzlich ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Ein Anspruch auf die begehrte Altersrente für besonders langjährig Versicherte scheitert aber daran, dass der Rentenversicherungsträger seinen Fehler nicht durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln beheben kann. Der dem Versicherten entstandene Schaden ist im Wege des Amtshaftungsanspruchs vor dem ordentlichen Gericht geltend zu machen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 16.10.2019; Aktenzeichen B 13 R 175/18 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versi-cherte. Streitig ist zum einen, ob die letzten Monate vor dem gewünschten Rentenbe-ginn, in denen sie Arbeitslosengeld bezog, bei der erforderlichen Wartezeit zu berück-sichtigen sind und zum anderen, ob sie ggf. aufgrund eines Beratungsfehlers der Be-klagten trotz nichterfüllter Wartezeit Anspruch auf die begehrte Rente hat.

Die am 00.00.1951 geborene Klägerin beantragte im Januar 2015 bei der Beklagten die Gewährung einer ungekürzten Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit sofor-tiger Wirkung und hilfsweise eine Altersrente für Frauen ab Mai 2015. Sie war zuletzt bei einem MC1T-H beschäftigt. Zum 30.06.2014 wurde ihr Arbeitsverhältnis gekündigt. Für den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 29.04.2015 wurde der Klägerin Arbeitslosengeld bewil-ligt. Außerdem ging sie einer geringfügigen Beschäftigung nach, die sie im Antragsfor-mular auch angab. Am 27.02.2015 führte die Klägerin ein Telefonat mit einem Mitarbeiter der Beklagten. Darin wurde ihr mitgeteilt, dass die Arbeitslosenzeiten ab 08.07.2014 nicht bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte berücksichtigt werden könnten, da die Arbeitslosigkeit nicht durch eine Insolvenz oder eine völlige Geschäftsaufgabe verursacht worden sei. Daher werde die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt mit der Fol-ge, dass kein Anspruch auf die Rente für besonders langjährig Versicherte bestünde. Diese Auskunft wurde der Klägerin auch nochmal schriftlich erteilt. Ihr wurde mitgeteilt, dass 540 Monate Wartezeit erforderlich wären, sie aber nur 532 Monate habe.

Mit Bescheid vom 20.03.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab Mai 2015 Altersrente für Frauen in Höhe von 930,51 EURO netto. Die Rente enthält einen Rentenabschlag in Höhe von 3,3%, da die Rente 11 Monate vorzeitig in Anspruch genommen wurde. Mit weiterem Bescheid vom 13.04.2015 lehnte die Beklagte den Antrag auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab. Bis zum 31.12.2014 enthalte das Konto nur 534 Monate, die auf die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monaten) angerechnet werden könn-ten.

Hiergegen erhob die Klägerin am 20.04.2015 Widerspruch. Sie hielt die Regelung, die die Zeiten ihres Arbeitslosengeldbezugs von der Anrechnung bei der Wartezeit aus-schließt, für verfassungswidrig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2015 wies die Beklagte den Widerspruch als un-begründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.09.2015 Klage erhoben. Sie trägt vor, seit dem 01.09.2012 beim MC1T-H C2 beschäftigt und für die Bestandsakquise zuständig gewe-sen zu sein. Außer ihr habe C2 noch eine Sekretärin und eine Auszubildende beschäf-tigt. Das Arbeitsverhältnis sei unter anderem auch deshalb zustande gekommen, weil die Agentur für Arbeit dem Arbeitgeber einen Zuschuss gezahlt hatte, da die Klägerin zuvor arbeitslos gewesen und bei C2im Rahmen eines Minijobs tätig gewesen sei. Nach Ab-lauf der Förderung und weiteren Monaten der Tragung der vollen Lohnkosten sei eine weitere Beschäftigung der Klägerin für das Büro aus finanziellen Gründen nicht weiter tragbar gewesen. Das Arbeitsfeld der "Bestandsakquise" sei vollständig weggefallen und nach der Kündigung der Klägerin durch einen selbstständigen Versicherungsmakler be-treut worden. Dieses Gebiet werde auch in anderen Büros regelmäßig von selbstständi-gen Vers...

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