Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. Taxifahrer im "Mietmodell". abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit

 

Orientierungssatz

Taxifahrer, die von einer Taxizentrale gegen ein kilometerabhängiges Entgelt die Fahrzeuge mieten und ansonsten wie festangestellte Fahrer bei der Auftragsvergabe und -abwicklung eingesetzt werden, unterliegen als abhängig Beschäftigte der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung.

 

Tenor

Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.10.2017 wird stattgegeben, soweit die Antragsgegnerin von der Antragstellerin Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigung von Taxifahrern vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 i.H.v. 152.051,94 Euro nacherhebt und die Zahlung von Säumniszuschlagen i.H.v. 184.583,50 Euro verlangt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 40 %. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 60 %.

Der Streitwert wird auf 141.523,63 Euro festgestellt.

 

Gründe

Der Antrag der Antragstellerin vom 02.01.2018, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 25.10.2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17.10.2017 im Hinblick auf die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beschäftigung von Taxifahrern in der Zeit vom 01.01.2011 bis 30.04.2016 i.H.v. 381.511,05 Euro und die Erhebung von Säumniszuschlägen i.H.v. 184.583,50 Euro anzuordnen, ist zulässig und teilweise begründet.

Die Antragsgegnerin lehnt es zu Unrecht ab, die sofortige Vollziehung der streitigen Forderung von Beiträgen aus der Betriebsprüfung für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 auszusetzen. Die Sozialversicherungsbeiträge für diesen Zeitraum sind verjährt. Für die Zeit ab 01.01.2013 werden die Beiträge jedoch zutreffend nacherhoben.

Zunächst stellt die in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG angeordnete sofortige Vollziehbarkeit des Beitragsbescheides für die unternehmerisch tätige Antragstellerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar. Darüber hinaus haben Rechtsbehelfe gegen Beitragsbescheide prüfender Rentenversicherungsträger nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV aufschiebende Wirkung (LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2012, Az.: L 8 R 565/12 B ER, mit ausführlicher Begründung; S.a. LSG NRW, Beschluss vom 28.10.2015, Az.: L 8 R 442/15 B ER, Beschluss vom 11.05.2015, Az.: L 8 R 106/15 B ER und Beschluss vom 16.09.2013, Az.: L 8 R 361/13 B ER, jeweils nach juris). Der von der Antragstellerin angeführten abweichenden Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 10.11.2016, Az.: L 1 R 153/16 B ER, ASR 2017, 107 und Beschluss vom 01.12.2017, Az.: L 1 R 312/17 B ER, juris), die sich mit der überzeugenden Argumentation des in NRW zuständigen Beschwerdegerichts nicht auseinander setzt, folgt die Kammer nicht.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestehen hinsichtlich der Beitragsnacherhebung für die Zeit ab 01.01.2013 auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG, die es rechtfertigen könnten, die grundsätzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit des Beitragsbescheides außer Kraft zu setzen. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ergeben sich insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung der Antragsgegnerin. So erscheint der Erfolg des Rechtsbehelfs nicht überwiegend wahrscheinlicher als der Misserfolg (Zu diesem Prüfungsmaßstab: LSG NRW, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: L 8 R 114/13 B ER, ASR 2014, 26; LSG NRW, Beschluss vom 03.07.2012, Az.: L 8 R 878/11 B ER; LSG NRW, Beschluss vom 20.09.2012, Az.: L 8 R 630/12 B ER).

Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass die Fahrer der Taxis im vorliegenden "Mietmodell" abhängig beschäftigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV waren und damit der Versicherungspflicht in den Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung unterlagen. Sie stellt gestützt auf die Ermittlungsergebnisse des Hauptzollamtes (Vgl. insbesondere Schlussbericht vom 14.09.2017; Zur Zulässigkeit der Verwertung durch die Rentenversicherung: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2017, Az.: L 10 R 592/17, juris) in dem angefochtenen Bescheid überzeugend dar, dass vorliegend die Kriterien einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Für eine abhängige Beschäftigung der am "Mietmodell" beteiligten Taxifahrer spricht zunächst, dass sie weder über eine Konzession nach dem Personenbeförderungsgesetz noch über ein eigenes Taxi verfügten. Hierbei handelt es sich um zwei gegen eine selbständige Tätigkeit sprechende Indizien (BSG, Urteil vom 23.05.2017, Az.: B 12 KR 9/16 R, SozR 4 - 2400 § 26 Nr. 4; LSG Hamburg, Urteil vom 04.12.2013, Az.: L 2 R 116/12, juris). Die Fahrer der Antragstellerin stellten darüber hinaus lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügu...

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