Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB 12 in Form der Kraftfahrzeughilfe aufgrund regelmäßiger Ausübung eines Ehrenamtes

 

Orientierungssatz

1. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs gilt nach § 8 Absatz 1 Eingliederungshilfe-VO als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Sie wird nach § 8 Absatz 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist. Die Ausübung eines Ehrenamtes kann unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls den Stellenwert haben, den für andere Menschen die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit hat, indem darin die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt.

2. Ein Angewiesensein liegt vor, wenn das Bedürfnis, die Wohnung zu verlassen, gerade aus Gründen besteht, denen die Eingliederungshilfe dient und wenn sich ein regelmäßiges Bedürfnis stellt. Maßgeblich ist vorliegend somit das Angewiesensein auf das Kfz, um an die Orte der Ausübung des Ehrenamtes zu gelangen. Nicht ausreichend wäre hingegen, dass der Wagen gleichsam als "Dienstwagen" für den Verein, in dem das Ehrenamt ausgeübt wird, eingesetzt werden soll.

3. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht insoweit zudem unabhängig von ggf. vorhandenen Vermögenswerten. Denn es liegt ein Härtefall nach § 90 Absatz 3 SGB 12 vor, wenn der Leistungsberechtigte als Schwerstbehinderter, der nicht mehr erwerbstätig sein kann, dessen ehrenamtliche Tätigkeit unter dem Aspekt der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft aber gerade als einer Berufstätigkeit gleichwertig erachtet wurde, nun die behinderungsspezifische Sonderausstattung selbst bezahlen müsste, während in dem günstigeren Fall, dass ein Leistungsberechtigter noch eine Erwerbstätigkeit ausüben könnte, die Kosten der Sonderausstattung nach § 7 Kraftfahrzeughilfe-VO vollständig übernommen würden. Parallel verhält es sich mit dem Zuschuss zur Neuanschaffung eines PKW.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 04.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2008 verpflichtet, der Klägerin die Übernahme der notwendigen Kosten für den für die Klägerin behindertengerechten Umbau eines Kraftfahrzeugs einschließlich der Material- und Anschaffungskosten der behinderungsbedingten Sondereinbauten, sowie einen Zuschuss zur Beschaffung des Kraftfahrzeugs in Höhe von 8.000 Euro zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form von Kraftfahrzeughilfe.

Die am 00.00.1947 geborene Klägerin ist schwerbehindert mit einem GdB von 70 und den Merkzeichen aG und B. Sie leidet an einer erblichen, spastischen Spinalparalyse. Diese genetisch bedingte Erkrankung verursacht eine Degeneration von Nervenzellen im Rückenmark, die eine Verschlechterung des Gehvermögens nach sich zieht, die in der Regel in einer Rollstuhlpflichtigkeit mündet, wie es auch bei der Klägerin inzwischen der Fall geworden ist. Bis dahin fuhr die Klägerin einen Opel Corsa des Baujahres 2000 mit einem aktuellen Wert von 1500 Euro.

Am 28.11.2006 beantragte die Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Anschaffung eines Automatikfahrzeugs. Dieses müsse zu einem späteren Zeitpunkt auf Lenkradschaltung bzw. Handgas umgebaut werden. Außerdem sei ein Umbau für die Einziehung eines Rollstuhls erforderlich. Ohne Auto sei sie völlig isoliert und könne keine Fahrten mehr zur medizinischen Rehabilitation machen. Durch ihre geringe Erwerbsminderungsrente könne sie weder das eine noch das andere bezahlen. Ferner benötige sie das Auto zur Ausübung ihres Ehrenamtes. Mit Bescheid vom 04.03.2007 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin gehöre zwar grundsätzlich zum berechtigten Personenkreis nach § 53 SGB XII. Sie übe jedoch keine Erwerbstätigkeit aus. Ein Elektrorollstuhl sei daher ausreichend. Eine ehrenamtliche Tätigkeit könne keine Berücksichtigung finden. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie sei ständig auf ein behindertengerechtes Auto angewiesen. Sie sei ehrenamtlich in Selbsthilfegruppen tätig, außerdem lebe sie allein und müsse sich selbst versorgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2008 wies die

Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei nicht annähernd täglich auf ein Kfz angewiesen, wie eine berufstätige Person.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter und wiederholt ihre Ausführungen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2008 zu verurteilen, der Klägerin gemäß Antrag vom 28.11.2006 die Kosten für ein behindertengerechtes Kraftfahrzeug einschließlich behindertengerechtem Umbau in angemessenem Umfang zu überne...

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