Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Darlehen wegen unabweisbarem Bedarf. Grundrenovierung und -reinigung der Wohnung. Verwahrlosung durch psychische bzw gesundheitliche Probleme des Hilfebedürftigen. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine Wohnung aufgrund gesundheitlicher und psychischer Probleme des Hilfebedürftigen in einen absolut verwahrlosten Zustand geraten, kann unter bestimmten Umständen der Grundsicherungsträger verpflichtet sein, die Kosten für eine Grundrenovierung und einer Grundreinigung gem § 23 Abs 1 SGB 2 als Darlehen zu übernehmen. In einem solchen Fall kann auch eine Erstausstattung gem § 23 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 2 zu gewähren sein.

 

Tenor

Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller ein Darlehen für die Kosten einer Grundreinigung und Grundrenovierung der Wohnung A-Straße, A-Stadt (voraussichtliche Kosten: 3.188,60 Euro) zu gewähren. Das Darlehen ist in monatlichen Raten zu je 30,00 Euro zurückzuzahlen. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zudem verpflichtet, dem Antragsteller für die Beschaffung von Hausrat und Möbeln 1.500,00 Euro zu gewähren. Die Auszahlung der Leistungen erfolgt vorläufig. Sie stehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller (Ast.) begehrt Leistungen für eine Grundreinigung und Grundrenovierung seiner Wohnung sowie für die Beschaffung neuer Möbel und neuen Hausrates.

Der 39 Jahre alte Antragsteller ist 2,07 m groß und wiegt ca. 200 kg. Er steht im laufenden Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin, der Trägerin der Grundsicherung in A-Stadt. Der Ast. bewohnt eine 1,5 - Zimmer-Wohnung. Die Wohnung befindet sich nach einem Schreiben des Amtes für Soziale Dienste - Sozialzentrum AXO vom 11. Dezember 2009 in einem "absolut renovierungsbedürftigen Zustand". Die vorhandenen Gebrauchsgegenstände, wie eine Schlafmatratze (kein Bett vorhanden), Bestuhlung (nur ein Stuhl), Waschmaschine, Radio, Staubsauger, sind defekt und in unbrauchbarem Zustand. Das Sozialzentrum vertrat in dem Schreiben die Auffassung, der Antragsteller benötige alle diese Gegenstände neu, sowie Bettzeug (Laken und Bettwäsche) in Übergröße. Der Antragsteller sei bei der Inneren Mission in Schuldenberatung, ein Insolvenzverfahren sei beantragt. Eine Grundreinigung der Wohnung sei dringend erforderlich, da der Ast. von Obdachlosigkeit bedroht sei. Der Ast. sei aufgrund seiner gesundheitlichen und psychischen Situation restlos überfordert und nicht allein in der Lage, diese "schlimme wohnliche Situation zu beheben. Unseres Erachtens ist durch diese absolut verwahrloste Situation keine Integration in Arbeit möglich." (Unterstreichung im Original). Am 7. Januar 2010 hat die Antragsgegnerin entschieden, dass der Antrag auf Übernahme der Kosten abgelehnt wird. Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme gem. § 16 SGB II nicht erfüllt seien, denn eine Arbeitsaufnahme stünde nicht konkret an. Es lägen weder ein Arbeitsvertrag, noch eine Einstellungszusage vor. Mit Schreiben vom 22. Januar 2010 hat der Antragsteller hiergegen schriftlich Widerspruch erhoben. Er erklärt, er wolle, sobald die Renovierung der Wohnung bewilligt sei, vorübergehend die aufsuchende Hilfe der Inneren Mission in Anspruch nehmen. Dadurch wolle er lernen, den Ist-Zustand der Wohnung zu erhalten, seinen Haushalt zu führen und soziale Kontakte zu knüpfen. Er hoffe zudem, dass er dann auch in den Arbeitsmarkt wiedereingliedert werden könne. Aufgrund von finanziellen Krisen sei es ihm nicht möglich gewesen, Geld von der Regelleistung anzusparen. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom Dezember 2009 sei er nun für die nächsten 6 Jahre in Verbraucherinsolvenz. Daher bitte er erneut um die Bewilligung von Renovierungskosten für die Wohnung und die Gewährung von Mitteln für die Anschaffung neuer Möbel und Haushaltsgegenständen. Dies alles sei lebensnotwendig, um drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden und in Arbeit eingegliedert werden zu können.

Der Antragsteller hat beim Verwaltungsgericht Bremen am 26. Januar 2010 einen Eilantrag gestellt, den dieses nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 4. Februar 2010 an das Sozialgericht verwiesen hat. Der Antragsteller hat zur Begründung des Eilantrages sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er hat insbesondere darauf verwiesen, dass er wegen des laufenden Verbraucherinsolvenzverfahrens keine Mittel zur Verfügung habe, um die Renovierung und Neuanschaffung von Möbeln selbst zu übernehmen. Er hat dem Eilantrag neben dem Schreiben des Amtes für Soziale Dienste - Sozialzentrum AXO vom 11. Dezember 2009 noch zwei Kostenvoranschläge der Fa. SS. für die Wohnungsreinigung über 1.487,30 Euro sowie über 1.701,30 für Maler- und Lackiererarbeiten in der Wohnung beigelegt, außerdem eine Kopie des Beschlusses des Amtsgerichts Bremen vom 14.12.09 über ...

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