Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Beitragsbemessung. Zuordnung eines "Reinigungsservice" spezialisiert auf die Betreuung öffentlich zugänglicher Toilettenanlagen zB in Einkaufszentren mit der Erlaubnis zum Sammeln von Trinkgeldern als Betrieb der Gebäudereinigung. Mindestlohnfestsetzung für Toilettenfrauen als angestellte Reinigungskräfte nach den Tarifverträgen für das Gebäudereinigerhandwerk

 

Orientierungssatz

Ein Betrieb, der sich für die Erlaubnis zum Sammeln von Trinkgeldern verpflichtet, zB in Warenhäusern und Einkaufszentren öffentlich zugängliche Kundentoiletten sauber zu halten, ist ein Reinigungsbetrieb. Die bei ihm angestellten Toilettenfrauen sind schwerpunktmäßig Reinigungskräfte und nicht lediglich Bewacherinnen von Trinkgeldtellern. Für sie gilt der Tarifvertrag des Gebäudereinigerhandwerks. Die Höhe der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge berechnet sich deshalb nach den tarifvertraglich vorgeschriebenen Mindestlöhnen und nicht nach den niedrigeren tatsächlich gezahlten Löhnen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Beitragsnachforderungen nach einer Betriebsprüfung für den Zeitraum der Jahre 2005 bis 2008 in Höhe von insgesamt 118.218,87 EUR im Hinblick auf die bisherige Zahlung geringerer Arbeitsentgelte als nach den Tarifverträgen für das Gebäudereinigerhandwerk.

Die Klägerin führt einen Betrieb, der die Betreuung von Toiletten zum Gegenstand hat. Dazu beschäftigte die Klägerin im Prüfzeitraum der Jahre 2005 bis 2008 die Beigeladenen 21) bis 43), überwiegend Rentnerinnen, welche zu ihrer Rente einen Nebenverdienst erzielen wollten. Hauptsächlich handelte es sich um geringfügig Beschäftigte. Der Stundenlohn betrug 3,60 EUR bis 4,50 EUR.

Während der September 2009 begonnen Betriebsprüfung gab die Klägerin an, die Beschäftigten würden hauptsächlich die Trinkgelder beaufsichtigen. Eine Reinigungstätigkeit spiele für die Tätigkeit der Mitarbeiterinnen eine untergeordnete Rolle.

Mit Bescheid vom 1. März 2010 stellte die Beklagte für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008 fest, dass sich aus der Prüfung eine Nachforderungen von insgesamt 118.218,87 EUR ergeben habe. Es handele sich um Beiträge aus geschuldetem Arbeitsentgelt. Der Betrieb der Klägerin falle unter den Geltungsbereich der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks. Die darin vorgesehenen Mindestlöhne seien von der Klägerin nicht gezahlt worden. Für die Differenzen werden Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert. Teilweise sei durch die höheren Arbeitsentgelte Versicherungspflicht bei einzelnen Mitarbeitern eingetreten. Wegen der Einzelheiten des Bescheides, insbesondere der einzelnen Beitragsforderungen für die verschiedenen Mitarbeiterinnen und wegen der Einzelheiten der weiteren Begründung wird gemäß § 136 Abs 2 SGG auf den Bescheid vom 1. März 2010 Bezug genommen.

Gegen den Bescheid wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 5. März 2010. Die Forderung sei für die Klägerin existenzvernichtend. Es sei unklar, ob der Lohntarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk 2005 allgemein verbindlich gewesen sei. Der Rahmentarifvertrag enthalte keine Regelungen zum Stundenlohn. Die Beklagte habe sich zudem nicht mit der Anwendbarkeit der Tarifverträge auf Mischbetriebe auseinander gesetzt. Insofern komme es auf die überwiegende Beschäftigung und deren zeitlichen Umfang an. Die Beschäftigten der Klägerin würden zu 75 Prozent der Arbeitszeit lediglich die Teller für das Trinkgeld überwachen. Während des Widerspruchsverfahrens wurden Verträge mit Auftraggebern und Personalunterlagen eingereicht.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2010 zurück. Die Nachforderung bleibe bestehen. Nach den Pachtverträgen und den Personalbögen ergebe sich eine überwiegende Reinigungstätigkeit, so dass die tarifliche Zuordnung zum Gebäudereinigerhandwerk korrekt sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der weiteren Gründe für die Entscheidung der Beklagten wird gemäß § 136 Abs 2 SGG auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. Juli 2010 Bezug genommen und auf die weitere Darstellung des Sachverhalts insofern verzichtet.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Klage vom 10. August 2010 weiter. Die Beklagte habe nicht hinreichend deutlich gemacht, wie sich der zeitliche Schwerpunkt der Tätigkeit der Arbeitnehmerinnen darstelle. Diese hätten überwiegend die Teller für das Trinkgeld bewacht und dabei “quasi als Automaten„ gehandelt. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin bestritten, dass es für den Prüfzeitraum allgemeinverbindlich erklärte Lohntarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk gegeben habe. Dies sei erst durch das im Bundesanzeiger Nr 37 vom 9. März 2010 bekannt gegebene Regelwerk geschehen, das nicht für den Prüfzeitraum zurückwirke.

Die Klägerin beantragt,

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