Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung und -berechnung. Absetzbeträge. angemessene Versicherungsbeiträge für private Rentenversicherungen. Befreiung von der Rentenversicherungspflicht. geringfügig beschäftigter Leistungsbezieher. Mindestbeitrag als unterste Grenze

 

Leitsatz (amtlich)

Versicherungsbeiträge für private Rentenversicherungen sind nicht gemäß § 11b Abs 1 Nr 3 Buchst b SGB II vom Einkommen eines von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreiten Leistungsberechtigten abzusetzen, soweit sie den Betrag übersteigen, den der Leistungsberechtigte bei bestehender Versicherungspflicht zu zahlen hätte; der jeweils aktuelle Mindestbeitrag ist bei geringfügig Beschäftigten stets anzuerkennen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Bewilligungsbescheide zweier streitgegenständlicher Bewilligungszeiträume in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide des Beklagten und begehren in der Sache die Anerkennung von Beiträgen für zwei private Rentenversicherungen.

Der Kläger zu 1 erzielte in den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen ein Bruttoeinkommen in Höhe von 450,00 Euro aus einer geringfügigen Beschäftigung. Für die Monate Oktober bis Dezember 2019 führte seine Arbeitgeberin für ihn Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 16,20 Euro monatlich ab. Aufgrund eines Antrags des Klägers zu 1 auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht stellte die Arbeitgeberin die Beitragsabführung ab Januar 2020 ein.

Der Kläger zu 1 zahlte monatlich 159,78 Euro für eine private Rentenversicherung bei der H. Lebensversicherung AG mit einer Rentenanwartschaft ab dem 01.04.2041 in Höhe von 247,82 Euro sowie monatlich 62,40 Euro für eine private Rentenversicherung bei der P. Lebensversicherung AG mit einer Rentenanwartschaft ab dem 01.12.2040 in Höhe von 132,26 Euro. Beide Versicherungen sind kapitalbildend, sodass der Kläger zu 1 von erwirtschafteten Erträgen und Überschussbeteiligungen profitiert. Ferner handelte es sich bei beiden Versicherungen nicht um nach § 82 Einkommensteuergesetz (EStG) geförderte Altersvorsorgebeiträge (sog. Riester-Rente). Schließlich verfügt der Kläger zu 1 bei der Deutschen Rentenversicherung noch über eine Anwartschaft auf eine Altersrente ab dem 01.06.2042 in Höhe von monatlich 157,47 Euro.

Mit Bewilligungsbescheid vom 10.09.2019 in der Fassung mehrerer Änderungsbescheide bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2019 bis 30.09.2020. Hierbei berücksichtigte der Beklagte die Beiträge für die privaten Rentenversicherungen des Klägers zu 1 nicht in voller Höhe.

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 16.09.2019, 04.11.2019 und 08.12.2019 Widerspruch und führten zur Begründung u.a. aus, dass die Beiträge zweier privater Rentenversicherungen in voller Höhe als Absetzung vom Einkommen anzuerkennen wären. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2020 verwarf der Beklagte die Widersprüche der Kläger teilweise als unzulässig und wies diese im Übrigen als unbegründet zurück. Hinsichtlich der geltend gemachten Versicherungsbeiträge führte der Beklagte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass eine Berücksichtigung dem Grunde nach erst ab dem Zeitpunkt der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht in Betracht komme. Der Höhe nach seien zudem nur angemessene Beiträge anzuerkennen, wobei ein Vergleich zu den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung anzustellen und daher lediglich der Mindestbeitrag in Höhe von 83,70 Euro anzuerkennen sei. Darüberhinausgehende Versicherungsbeiträge seien unangemessen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 11.06.2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 16.09.2020 sowie der endgültigen Festsetzung nebst Erstattung vom 11.02.2021 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen für die Zeit vom 01.08.2020 bis 31.01.2021. Auch diesmal lehnte der Beklagte eine Anerkennung der geltend gemachten Versicherungsbeiträge über den Mindestbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung hinaus ab.

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 08.07.2020 und 22.09.2020 Widerspruch mit im Wesentlichen gleicher Begründung wie zuvor. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2020 verwarf der Beklagte die Widersprüche der Kläger teilweise als unzulässig und wies diese im Übrigen als unbegründet zurück.

Die Kläger sind der Ansicht, die streitgegenständlichen Versicherungsbeiträge seien gemäß § 11b Abs. 2 S. 2 SGB II nicht nur im Rahmen einer Pauschale von 100,00 Euro, sondern als angemessene Beiträge zur Altersvorsorge i.S.d. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. b) SGB II in voller Höhe vom Einkommen des Klägers zu 1 abzusetzen. Diese Beiträge seien zur Vermeidung einer Altersarmut angesichts der geringen gesetzlichen Rentenansprüche erforderlich. Soweit in der Literatur davon ausgegangen werde, dass nur ein mit der gesetzlichen Rentenversicher...

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