Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. Anforderung an den Nachweis eines wichtigen Grundes bei Krankheit

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Nachweis eines wichtigen Grundes iS des § 32 SGB 2 für das Nichterscheinen zu einem Meldetermin reicht jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ohne besondere Umstände des Einzelfalls eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus. Sofern eine qualifizierte Bescheinigung der Meldeunfähigkeit verlangt wird, bedarf es einer ausdrücklichen Aufforderung durch den Leistungsträger gegenüber dem Leistungsberechtigten vor Erkrankung.

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 16. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2015 (Aktenzeichen SG Aurich: S 19 AS 103/15) wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Sache um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheides des Antragsgegners vom 16. Januar 2015 in Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2015, mit dem gegenüber der Antragstellerin eine Sanktion von 10 % des ihr zustehenden Arbeitslosengeldes II ausgesprochen wurde.

Die Antragstellerin ist am D. geboren und Mutter dreier Töchter (geboren 1998, 2002 und 2010). Die beiden älteren Töchter besuchen die E. in F.. Die jüngste Tochter geht seit Sommer 2014 in den Kindergarten. Die mittlere Tochter leidet unter anderem unter einem Diabetes mellitus Typ I und ist seit Juni 2014 mit einer implantierten Insulinpumpe versorgt. Die Antragstellerin lebt gemeinsam mit ihren Töchtern in ihrem Elternhaus mit ihren Eltern zusammen, die sich um die jüngste Tochter kümmern können.

Die Antragstellerin steht gemeinsam mit ihren Töchtern als sogenannte Bedarfsgemeinschaft im laufenden Bezug für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) beim Antragsgegner.

Die Antragstellerin leidet an Rückenbeschwerden mit unter anderem einer angeborenen Deformität der Wirbelsäule.

Am 5. November 2014 hatte die Antragstellerin an einer Informationsveranstaltung “Chancen für Frauen„ teilgenommen, aber an dem sich anschließenden Projekt mit einmal wöchentlichen Terminen ab dem 11. November 2014 hat sie nachdem sie zunächst teilnehmen wollte nicht teilgenommen. Die Antragstellerin ist wegen Rückenbeschwerden durchgängig seit dem 10. November 2014 bis zum heutigen Tage arbeitsunfähig krank geschrieben.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 lud der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Informationsveranstaltung zum Thema Integration für Frauen ein. Diese Informationsveranstaltung sollte am 12. Dezember 2014 ab 8:30 Uhr im Zentrum für Arbeit in der G. in H. stattfinden. Der Einladung war auf Seite zwei eine sogenannte Rechtsfolgenbelehrung beigefügt, ebenso wie ein Gutschein für eine Fahrt mit einem Bus der Verkehrsverbundes I. von F. nach H.. Die Antragstellerin legte mit Eingangsstempel vom 9. Dezember 2014 eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 8. Dezember 2014 für die Zeit bis zum 19. Dezember 2014 beim Antragsgegner vor. Zum Termin am 12. Dezember 2014 erschien sie nicht. Der Antragsgegner hörte die Antragstellerin dann mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 zu einer beabsichtigten Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 10 % der für die Antragstellerin maßgebenden Regelbedarfe an. Zu dieser Anhörung äußerte sich die Antragstellerin mit Datum vom 18. Dezember 2014 in der Gestalt, dass sie Schmerzen beim Gehen, Stehen und Liegen habe. Sie habe einen MRT-Termin im Januar 2015. Der Anhörung fügte sie einen Arztbrief vom 19. Dezember 2014 eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie bei, aus dem eine Diagnose der SIG (Iliosakralgelenk) Irritation rechts und Bursitis trochanterica (Schleimbeutelentzündung an der Hüfte) rechts sich ergibt.

Mit streitigem Bescheid vom 16. Januar 2015 verhängte der Antragsgegner gegen die Antragstellerin eine Sanktion gemäß § 32 SGB II in Höhe von zehn vom Hundert der für sie maßgebenden Regelbedarfe für den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. April 2015. Die Höhe der Sanktion betrage monatlich 39,90 Euro. Die Pflichtverletzung liege im Nichterscheinen zum Termin der Informationsveranstaltung am 12. Dezember 2014, ein wichtiger Grund für dieses Nichterscheinen wurde vom Antragsgegner in der Erkrankung nicht gesehen. Eine spezielle für den 12. Dezember 2014 ausgestellte Bescheinigung, dass die Antragstellerin bettlägerig erkrankt wäre und auch nicht in der Lage wäre, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, sei nicht ersichtlich. Dementsprechend liege kein wichtiger Grund vor. Auf den Widerspruch der Antragstellerin vom 26. Januar 2015 erließ der Antragsgegner den Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2015, in dem die bereits aus dem Bescheid ersichtliche Rechtsauffassung bestätigt wird.

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass sie einen wichtigen Grund für das Nichtersc...

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