Leitsatz (amtlich)

1. Für die Annahme, dass eine berufliche Einwirkung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Wirkursache einer COVID-19-Infektion ist (als Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls), muss im Vollbeweis nachgewiesen sein, dass der Versicherte innerhalb von zwei Wochen vor dem Eintritt der Erkrankung einen intensiven persönlichen Kontakt mit einer mit dem COVID-19-Virus infizierten Person (sog. Indexperson) hatte.

2. Für die Anerkennung einer COVID-19-Infektion als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung muss u. a. im Vollbeweis nachgewiesen sein, dass der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden Infektionsgefahr - die über diejenige hinausgeht, die allgemein für die Bevölkerung besteht - besonders ausgesetzt war. Dies kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Arbeitsumfelds oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Zudem muss grundsätzlich ein intensiver persönlicher Kontakt mit einer sog. Indexperson nachgewiesen sein.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Anerkennung seiner Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit.

Bei dem Kläger, der als Fallmanager in einem Jobcenter im Sinne des SGB II beschäftigt ist, infizierte sich im März 2021 mit dem Covid-19-Infektion. Am 24.03.2021 wurde die Infektion des Klägers mit dem Covid-19-Virus durch einen PCR-Test nachgewiesen.

Nach Durchführung von Ermittlungen, die insbesondere die Befragung des Klägers und dessen Arbeitgeber umfassten, regelt die Beklagte, dass die Anerkennung der Covid-19-Infektion des Klägers als Versicherungsfall abgelehnt wird. Eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) komme mangels der Zugehörigkeit zum Personenkreis mit deutlich erhöhtem Infektionsrisiko nicht in Frage. Es liegt auch kein Arbeitsunfall vor, da ein stattgehabter intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person (Indexperson) nicht nachgewiesen werden könne (Bescheid vom 20.01.2022).

Hiergegen erhob der Kläger am 10.02.2022 Widerspruch. Zur Begründung trägt er u. a. vor, dass sich im März 2021 in der Abteilung Jobcenter - Fallmanagement weitere drei Kolleginnen mit Covid-19 infiziert hätten und der Leiter des Jobcenters zu dieser Zeit an seiner Covid-19-Infektion verstorben sei. Zudem sei angesichts der Arbeitsweise im Fallmanagement des Jobcenters und speziell im Fall des Klägers im Kontakt mit Geflüchteten‚ die in Flüchtlingsunterkünften wohnen und dort keinen Sicherheitsabstand einhalten könnten, der Nachweis einer Infektion während der Arbeit nachgewiesen.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Anerkennung einer BK nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV zu Recht abgelehnt worden sei. Da die ausgeübte berufliche Tätigkeit des Klägers im Jobcenter des Landratsamtes G-Stadt nicht dem Personenkreis der BK-Ziffer 3101 zuzuordnen sei, könne seine Covid-19- Infektion alleine schon deshalb nicht als BK Nr. 3101 anerkannt werden, unabhängig davon, ob die übrigen Voraussetzungen erfüllt seien. Auch ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls sei der gesicherte Nachweis notwendig, dass eine betriebliche Verrichtung die Ursache für die Infektion mit dem Covid-19-Virus ist. Dazu müsse auch die Indexperson, bei der der Kläger sich angesteckt hat, bekannt sein und es müsse ein betrieblicher Zusammenhang bestehen. Ein stattgehabter intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person (Indexperson) habe hier nicht nachgewiesen werden können. Zudem habe der Kläger das zum damaligen Zeitpunkt gültige Hygienekonzept des Jobcenters beachtet und sein Verhalten danach ausgerichtet (Tragen von Masken, Abstandsregel beachten, regelmäßiges Lüften, Plexiglas-Abtrennung auf dem Schreibtisch zwischen dem Kläger und den Vorsprechenden). Der Betrieb (das Jobcenter) habe die Frage, ob der Kläger beruflichen Kontakt zu infizierten Personen hatte, verneint. Auch seien weitere Mitarbeiter erst nach dem Kläger erkrankt. Es habe auch keinen direkten Ausbruch in einem Fachbereich gegeben. Es erkrankten nur einzelne Mitarbeiter aus verschiedenen Fachbereichen an Covid-19. Der Nachweis, dass die Covid-19-lnfektion des Klägers in ursächlichem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit als Fallmanager beim Jobcenter des Landratsamtes G-Stadt steht, habe nach Würdigung der Gesamtumstände nicht erbracht werden können (Widerspruchsbescheid vom 19.04.2022).

Hiergegen hat der Kläger am 05.05.2022 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Im Kern trägt er vor, dass er weiterhin der Auffassung ist, dass er sich während seiner beruflichen Arbeit mit dem Covid-19-Virus angesteckt hat. Er sei Dipl. Sozialpädagoge und als Fallmanager beim Landratsamt G-Stadt, Arbeitsbereich Kommunales Jobcenter Abteilung Fallmanagement, besch...

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