Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Pflegeversicherung. Pflegeeinrichtung. Erstattung außerordentlicher Aufwendungen und Mindereinnahmen infolge des Corona-Virus. Kostenerstattungs-Festlegungen nach § 150 Abs 3 S 1 SGB 11. keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist

 

Orientierungssatz

1. Zum Streit über die Erstattung von infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 anfallenden, außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen einer Pflegeeinrichtung.

2. Die Regelung in Ziff 3 Abs 7 der zwischen dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen und den Bundesvereinigungen der Träger stationärer und ambulanter Pflegeeinrichtungen getroffenen Festlegungen zum Ausgleich der COVID-19 bedingten finanziellen Belastungen der Pflegeeinrichtungen (Kostenerstattungs-Festlegungen) idF vom 22.3.2022 beinhaltet keine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Eine solche wäre von der Ermächtigungsgrundlage des § 150 Abs 3 S 1 SGB 11 nicht gedeckt.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Mai 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. August 2021 verurteilt, die Mehraufwendungen und Mindereinnahmen des Klägers für die Einrichtungen I-Heim, J-Stadt, W-Altenheim, Kreisaltenheim B-Stadt und S-Stift Altenheim T-Stadt in Höhe von insgesamt 413.570,86 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. August 2021 zu erstatten.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 413.570,86 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitgegenständlich ist die Erstattung von infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 anfallenden, außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen.

Jeweils mit Antrag vom 20.05.2021, jeweils eingegangen bei der Beklagten am 23.05.2021, beantragte der Kläger für von ihm betriebene, zugelassene Pflegeeinrichtungen die Erstattung der infolge des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 angefallenen, außerordentlichen Aufwendungen sowie Mindereinnahmen im Rahmen ihrer Leistungserbringung, nämlich jeweils für den Erstattungszeitraum August 2020 bis einschließlich Dezember 2020 für das Kreisaltenheim B-Stadt Mehraufwendungen in Höhe von 37.971,94 € und Mindereinnahmen in Höhe von 14.067,37 € (Gesamtbetrag: 52.039,31 €), für das W-Altenheim A-Stadt Mehraufwendungen in Höhe von 64.491,96 € und Mindereinnahmen in Höhe von 99.818,73 € (Gesamtbetrag: 164.310,69 €), für das I-Heim J-Stadt Mehraufwendungen in Höhe von 54.614,95 € und Mindereinnahmen in Höhe von 97.172,99 € (Gesamtbetrag: 151.787,94 €) und für das S-Stift Altenheim T-Stadt Mehraufwendungen in Höhe von 45.432,92 €.

Mit Bescheid vom 25.05.2021 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung eines vorläufigen Erstattungsbetrages zum Ausgleich von SARS-CoV-2 bedingten Mehraufwendungen sowie Mindereinnahmen für die Pflegeeinrichtungen I-Heim J-Stadt, Kreisaltenheim B-Stadt, W-Altenheim A-Stadt und S-Stift Altenheim T-Stadt ab mit der Begründung, dass Pflegeeinrichtungen ihre entstandenen Mehrausgaben und Mindereinnahmen bezogen auf die Monate März 2020 bis Dezember 2020 nur bis 31.03.2021 hätten geltend machen können. Die hier gegenständlichen Anträge seien erst am 23.05.2021 eingegangen, eine Kostenerstattung sei aufgrund der Fristüberschreitung nicht mehr möglich.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2021 Widerspruch mit dem Vortrag, aus den Unterlagen sei eine Befristung nicht ersichtlich gewesen. Auch auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbandes, dort in den "Fragen und Antworten zur Umsetzung der Kostenerstattungs-Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150 Abs. 3 SGB XI zum Ausgleich der SARS-CoV-2 bedingten finanziellen Belastungen der Pflegeeinrichtungen" und in der entsprechenden Formularantragsdatei sei ein solcher Vermerk nicht enthalten, obwohl diese Dokumente elementar für die Beantragung seien. Auch dem Gesetz sei eine zeitliche Begrenzung für den hier gegenständlichen Zeitraum nicht zu entnehmen. Aufgrund der besonderen Belastung während der Pandemie wäre eine derart kurze Frist auch sehr befremdlich.

Mit Schreiben vom 28.05.2021 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Zurückweisung des Widerspruchs an mit dem Hinweis, dass unter dem vom Kläger selbst benannten Link auf der Internetseite des GKV-Spitzenverbandes alle benötigten Informationen und Fristen zu finden seien.

Mit Schreiben vom 16.06.2021 führte der Kläger aus, dass die Rechtsfolge eines Anspruchsverlusts bei Antragstellung nach dem 31.03.2021 sich nicht aus dem Gesetz ergebe. Soweit eine solche Regelung in den Kostenerstattungs-Festlegungen enthalten sei, sei die Regelung zur Begründung einer materiellen Ausschlussfrist nicht hinreichend bestimmt, da eine konkrete Rechtsfolge nicht benannt werde. Eine Ausschlussfrist sei auch nicht sachlich gerechtfertigt und erforderlich, hierfür fehle es auch an einer gesetzlichen Ermächtigung. Der Gesetzgeber habe dem Spitzenverband keine Kompetenz zur Festigung eines Stichtages erteilt sondern vielmehr pragmatische Lösungen im Hinblick...

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