Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsprüfung. Kassenärztliche Vereinigung. Geltendmachung der Erstattung überzahlter Vorschüsse. Anwendbarkeit des § 42 SGB 1

 

Orientierungssatz

1. Die von einem Vertragsarzt zeitnah zur Leistungserbringung erhaltenen Zahlungen sind noch keine Honorarabrechnungen, sondern beinhalten lediglich Abschlagszahlungen bzw Vorschüsse. Quartalsweise ergangene Endabrechnungen zu einzelnen Strukturverträgen (hier: zum ambulanten Operieren) stellen demgemäß auch keine Abänderung oder Korrektur einer bereits zuvor ergangenen Honorarabrechnung dar, sondern beinhalten die erstmalige, abschließende Abrechnung eines gesonderten vertragsärztlichen Leistungsgeschehens.

2. Macht eine Kassenärztliche Vereinigung die Erstattung überzahlter Vorschüsse geltend, so sind die Regelungen des § 42 SGB 1 entsprechend anzuwenden.

3. § 42 Abs 2 SGB 1 verweist aus dem Regelungsbereich der §§ 44ff SGB 10 einzig auf die Verjährungsregelung des § 50 Abs 4 SGB 10. Die Vertrauensschutzregelungen der §§ 45, 48 SGB 10 sind hingegen nicht anzuwenden. Eine Erstattungsforderung hinsichtlich überzahlter Vorschüsse steht auch nicht im Ermessen des Leistungsträgers.

4. Die Geltendmachung der Erstattung überzahlter Vorschüsse ist anders als die Festsetzung einer Erstattungsforderung nach § 50 Abs 2, Abs 3 SGB 10 selbst nicht an eine Frist gebunden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.09.2019; Aktenzeichen B 6 KA 13/18 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. September 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 3.549,20 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung der Beklagten.

Der Kläger ist in F... als Anästhesist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bis einschließlich des Quartals II/06 betrieb er eine Einzelpraxis. Zum Beginn des Quartal III/06 wechselte er in eine Gemeinschaftspraxis.

Während der Tätigkeit in der Einzelpraxis nahm der Kläger an diversen Strukturverträgen “Ambulantes Operieren„ mehrerer Krankenkassen und Kassenverbände teil. Für das zu erwartende Honorar aus dieser vertragsärztlichen Tätigkeit erhielt er nach Quartalsende von der Beklagten jeweils Abschlagszahlungen. Die Höhe der Abschlagszahlungen wurde anhand der zur Abrechnung gestellten Leistungen pauschaliert, wobei ein Sicherheitsabschlag von 10% berücksichtigt wurde.

Nach Aufgabe der Gemeinschaftspraxis wurden quartalsweise die Endabrechnungen aus den Strukturverträgen vorgenommen. Diese verzögerten sich teilweise.

Zu Honorargutschriften führten

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die Endabrechnung des Strukturvertrags AOK/IKK für das Quartal I/05vom 27.Juli.2005,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags BKK für das Quartal I/05vom 16. August 2005,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags Ersatzkassen für das Quartal II/05vom 4. Januar 2006,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags IKK für das Quartal I/05vom 29. September 2006,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags Ersatzkassen für das Quartal III/05vom 22. Mai 2006,

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die Endabrechnung des Strukturertrags BKK für das Quartal III/05vom 1. September 2008 in der Fassung der Änderung vom 11. September 2008;

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die Endabrechnung des Strukturvertrags Ersatzkassen für das Quartal IV/05vom 20. Juni 2006 und

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die Endabrechnung des Strukturvertrags IKK Mecklenburg-Vorpommernvom 29. Oktober 2009.

Die Gutschriften wurden jeweils an den Kläger überwiesen.

Ein geringeres Honorar als die vorausgegangenen Abschlagszahlungen und damit eine Honorarüberzahlung ergaben jeweils

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die Endabrechnung des Strukturvertrags AOK für das Quartal II/05vom 21. Januar 2008,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags BKK für das Quartal II/05vom 30. Januar 2008,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags IKK Nord für das Quartal II/05vom 25. Februar 2008;

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die Endabrechnung des Strukturvertrags AOK für das Quartal III/05vom 18. Januar 2006;

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die Endabrechnung des Strukturvertrags IKK Nord für das Quartal III/05vom 27. März 2008;

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die Endabrechnung für das Quartal IV/05 des Strukturvertrags AOKvom 1. Dezember 2006,

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die Endabrechnung des Strukturvertrags BKK für das Quartal IV/05vom 16. Januar 2006 und

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die Endabrechnung des Strukturvertrags IKK Nord für das Quartal IV/05vom 1. Dezember 2006.

Im Februar 2008 wurden noch 2 Nachberechnungen zu den Strukturverträgen BKK und AOK für das Quartal II/05 vorgenommen. Diese ergaben Gutschriften für den Kläger. Diese Gutschriften sind nicht lediglich zur Saldierung des Honorarkontos gestellt, sondern irrtümlich an den Kläger ausgezahlt worden.

Bereits seit Juli 2007 wandte sich die Beklagte an den Kläger mit der Bitte um Ausgleich des Honorarkontos und Rückzahlung der jeweiligen Überzahlung. Der Überzahlungsbetrag veränderte sich dabei in Abhängigkeit zu den fortschreitenden Endabrechnungen für die Quartale II/05 bis IV/05. Zahlungsaufforderungen sandte die Beklagte an den Kläger am 24. Juli 2007, 13. Novemb...

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