Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. mehrtägige Klassenfahrt. Höhe

 

Orientierungssatz

1. Hilfebedürftige, die einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Klassenfahrt gem § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 stellen, sind grundsätzlich darauf zu verweisen, von einem Schulfonds oder aus anderen Quellen einen Zuschuss für Klassenfahrten zu erlangen und ggf nachzuweisen, dass dieses erfolglos war. Erst wenn dadurch nachgewiesen wird, dass die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, sind Sozialleistungen zu gewähren.

2. Leistungen für Klassenfahrten gem § 23 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 dürfen nicht höher sein als die Beträge, die von Personen in "bescheidenen Verhältnissen" aufgebracht werden können. Sie sind daran auszurichten, was für die jeweilige Altersgruppe bzw die Klassenstufe im unteren Bereich angemessen ist (vgl SG Aachen vom 18.11.2005 - S 8 AS 39/05).

3. Für die Abschlussfahrt einer Realschule ist ein Auslandsaufenthalt als Ziel nicht unvertretbar.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juli 2006 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

 

Gründe

Die am 24. Juli 2006 seitens des Antragsgegners erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juli 2006 mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 7. Juli 2006 aufzuheben und den Antrag der Antragstellerin auf Übernahme der tatsächlichen Kosten für die im September 2006 stattfindende Abschlussklassenfahrt nach Torbole/Gardasee (Italien) in Höhe von 308,13 EUR abzulehnen, hat keinen Erfolg.

In dem angegriffenen Beschluss des Sozialgerichts Schleswig ist zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin gemäß § 23 Abs. 3 Nr. 3 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) Anspruch auf Kostenübernahme für die Abschlussklassenfahrt der Realschule nach Torbole/Gardasee nicht nur in Höhe des seitens des Antragsgegners gewährten Betrages von 204,52 EUR, sondern in Höhe der tatsächlichen Kosten der Klassenfahrt von 308,13 EUR hat und dass die Vereinbarung zwischen dem Antragsgegner und der Landeshauptstadt Kiel über Beihilfen für Klassenfahrten lediglich zwischen den Vertragsparteien interne Bedeutung hat, dieser aber nicht die Höhe der zu gewährenden Beihilfen für Klassenfahrten bestimmen kann. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen.

Zusätzlich und auch im Hinblick auf den Vortrag im Beschwerdeverfahren ist auszuführen:

Der Antragstellerin kann nicht entgegengehalten werden, ihre Mutter hätte bei der Schule auf eine günstigere Klassenfahrt drängen müssen, damit sich diese im Rahmen des von der Stadt Kiel vorgegebenen Rahmens von 204,52 EUR gehalten hätte. Zum einen ist nicht geklärt, ob die Mutter dies nicht möglicherweise sogar getan hat. Zum anderen ist nicht gesichert, dass bei derartigen Bemühungen tatsächlich Klassenfahrten zu geringeren Kosten angeboten werden.

Auch kann die Antragstellerin nicht darauf verwiesen werden, dass in vielen Schulen Fonds bestehen, aus denen bedürftige Schüler dann einen Zuschuss erhalten können. Zwar werden gemäß § 3 Abs. 3 SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht, soweit die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Daher können Antragsteller auf Gewährung einer Beihilfe für Klassenfahrten grundsätzlich darauf verwiesen werden, sich zuerst zu bemühen, von einem derartigen Fonds oder aus anderen Quellen einen Zuschuss für Klassenfahrten zu erlangen und ggf. nachzuweisen, dass dieses erfolglos war. Erst wenn dadurch nachgewiesen wird, dass die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann, sind Sozialleistungen zu gewähren. Hier ist aber weder bekannt, ob an der Schule der Antragstellerin ein derartiger Fonds oder andere Möglichkeiten bestehen, noch hat der Antragsgegner sie auf derartige Möglichkeiten hingewiesen.

Allerdings folgt der Senat nach der hier im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung insoweit nicht der angegriffenen Entscheidung und dem Hessischen Landessozialgericht (Beschl. v. 20. September 2005 - L 9 AS 38/05 ER -), dass Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten grundsätzlich in tatsächlicher Höhe zu gewähren sind. Es kann nämlich nicht Sache der Schule bzw. der hilfebedürftigen Personen sein, durch das Angebot sehr teurer Klassenfahrten bzw. deren Auswahl durch den Betroffenen der hilfegewährenden Stelle vorzugeben, in welcher Höhe sie eine Beihilfe zu zahlen hat. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sollen nämlich nur das “soziokulturelle Existenzminimum" gewährleisten (juris-Praxiskommentar zum SGB II, § 1, Rdnr. 14 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung). Dieses soziokulturelle Existenzminimum gewährt ein Leben unter Achtung der Menschenwürde über das existenziell Unerlässliche hinaus auch in soz...

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