Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Richterablehnung wegen Befangenheit. Verwirkung des Antragsrechts wegen Verspätung. klägerseitige Prozessförderungspflicht

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verwirkung des Antragsrechts für eine Richterablehnung.

 

Tenor

Der Antrag des Klägers, den Richter am Sozialgericht W... in dem bei dem Sozialgericht Itzehoe unter dem Az. S 2 AS 682/08 geführten Klageverfahren wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache darüber, ob der Kläger unter der in seinem Leistungsantrag angegebenen Anschrift D...weg in B... wohnt und insoweit Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich geltend gemachter Kosten für diese Unterkunft beanspruchen kann oder ob er - wie der Beklagte meint und was der Kläger bestreitet - im Haus seiner Eltern (T...-S...-Straße in B...) wohnt, er deshalb keinen Anspruch auf Unterkunftskosten für das Haus im D...weg hat und auch sonst nicht bedürftig ist. Zu dem bei dem Sozialgericht Itzehoe unter dem Az. S 11 AS 172/08 ER anhängig gewesenen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat der Senat mit Beschluss vom 25. September 2008 ein den Richter am Sozialgericht W... betreffendes Ablehnungsgesuch des Klägers vom 3. September 2008 für begründet erklärt, nachdem der Richter eine Gegenerklärung des Beklagten an die Staatsanwaltschaft übersandt und gleichzeitig wegen Verdachts des Betruges Anzeige gegen den Kläger erstattet hatte (Az. L 3 AR 34/08 SAB).

Am 8. September 2008 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Itzehoe zum Az. S 2 AS 682/08 Klage erhoben, für die wiederum Richter am Sozialgericht W... zuständig ist. Dieser unterzeichnete unter anderem die Eingangsverfügung vom 12. September 2008 und erließ am 3. April 2009 einen Verbindungsbeschluss. Unter dem 28. Juni 2010 - ausgeführt am 30. Juni 2010 - verfügte der Richter eine Gerichtsbescheidsanhörung. Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2010 widersprachen die Prozessbevollmächtigten des Klägers (die den Kläger bereits im ER-Verfahren und in dem SAB-Verfahren vertreten hatten) einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid und machten unter eingehender Begründung geltend, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für zwingend erforderlich gehalten werde. Der weiteren Veranlassung durch das Gericht werde entgegen gesehen. Hierauf verfügte der Richter am Sozialgericht W... am 24. November 2010 die Ladung zum Termin am 1. Februar 2011, die dem Kläger am 8. Dezember 2010 und seinen Prozessbevollmächtigten am 6. Dezember 2010 zuging. Am 31. Januar 2011 ging bei dem Sozialgericht ein den Richter am Sozialgericht W... betreffendes Ablehnungsgesuch des Klägers ein, zu dessen Begründung er auf den Beschluss des Senats vom 25. September 2008 Bezug nahm und ausführte, dass die zugrunde liegende Problematik sich auch in dem jetzt anhängigen Hauptsacheverfahren auswirke. Sein Prozessbevollmächtigter machte ergänzend geltend, dass die Befangenheitsproblematik zunächst in Vergessenheit geraten sei; der Kläger selbst habe im Rahmen einer Vorbesprechung zu dem anberaumten Termin am 1. Februar 2011 auf diesen Umstand hingewiesen. Der Beklagte tritt dem Ablehnungsgesuch entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

II.

Das Ablehnungsgesuch hat keinen Erfolg, weil der Kläger sein Ablehnungsrecht verwirkt hat.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen die §§ 41 bis 44, 45 Abs. 2 Satz 2, §§ 47 bis 49 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. § 43 ZPO bestimmt, dass eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen kann, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Der Verlust des Ablehnungsrechts tritt nur bei Kenntnis des Ablehnungsgrundes ein, wobei Kenntnis des Prozessbevollmächtigten genügt (Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 60 Rz 52). Zum Verlust des Ablehnungsrechts wegen der bis dahin bekannten Ablehnungsgründe führt jedes auf Prozessförderung gerichtete Verhalten - ggf. auch ein Unterlassen -, das unter Berücksichtigung der den Beteiligten durch § 43 ZPO auferlegten besonderen Prozessförderungspflicht als Ausdruck weiteren Vertrauens in den Richter gesehen werden kann (Wolff-Dellen a.a.O. Rz 53; vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 21. Januar 2002, L 5 AR 187/01 KR ≪juris≫). Weist das Gericht darauf hin, es erwäge, über die Klage durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, muss ein Befangenheitsgesuch spätestens in der damit eingeleiteten Anhörungsphase gestellt werden (Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, § 54 Rz 50 [Stand: Oktober 2005]; vgl. auch Hartmann in Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 64....

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