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Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen und deren Umfang nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen (§ 43 Satz 1 SGB I). Der vorläufig leistende Rehabilitationsträger muss in diesen Fällen dem anderen Rehabilitationsträger lediglich anzeigen, dass er vorläufig Leistungen erbringen will. Stellt sich später die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers heraus, kann der vorleistende Rehabilitationsträger gemäß § 102 SGB X einen Erstattungsanspruch in Höhe seiner vorläufig erbrachten Leistungen geltend machen. Diese Vorschrift war bis zum 31.12.2017 auf alle Sozialleistungen anwendbar – also auch auf Teilhabeleistungen. Für den Bereich der Teilhabeleistungen ist jedoch seit dem 1.1.2018 die Anwendbarkeit des § 43 SGB I wegen § 24 Satz 3 ausgeschlossen.

Nach Auffassung des Autors besteht in den strittigen Fällen für den erstangegangenen Rehabilitationsträger nur noch die Möglichkeit, mit dem "streitenden" Rehabilitationsträger eine Vereinbarung i. S. d. § 16 Abs. 4 Satz 1 letzter HS zu schließen, um dem Leistungsberechtigten eilbedürftige Teilhabeleistungen zukommen zu lassen. Diese Vereinbarung kommt als bindende Verabredung durch eine zweiseitige Willenserklärung zustande. Im Text sollte die Vereinbarung zum Zwecke der Rechtssicherheit auch als Vereinbarung i. S. d. § 16 Abs. 4 Satz 1 bezeichnet werden.

In der individuell gestalteten Vereinbarung sollte außerdem geregelt werden, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger eine zu bestimmende Teilhabeleistung vorläufig erbringen will und sich der andere Rehabilitationsträger dazu bereit erklärt, die vorläufig erbrachte Leistung bei Feststellung seiner letztendlichen Zuständigkeit in Höhe der vorläufig erbrachten Leistung zu erstatten. Ob

  • dieser Erstattungsanspruch entsprechend § 16 Abs. 3 um die 5-prozentige Verwaltungskostenpauschale erhöht wird und
  • zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs eine vorherige Anmeldung des Erstattungsanspruchs beim zu erstattenden Rehabilitationsträger nach § 111 SGB X zu erfolgen hat,

sollte auch in der Vereinbarung geregelt werden. Nach Abschluss der Vereinbarung kann dann mit der vorläufigen Erbringung von Teilhabeleistungen begonnen werden.

Der Autor hat zur Anwendung des § 24 Satz 3 ergänzend noch zwei Anmerkungen:

  1. Der zweitangegangene Rehabilitationsträger i. S. d. § 14 benötigt bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit bei Teilhabeleistungen keine Vereinbarung. Aufgrund seiner Sonderstellung (= aufgedrängte Zuständigkeit) kann er immer einen Erstattungsanspruch nach § 16 Abs. 1 und 3 geltend machen – und zwar auch dann, wenn er aufgrund der Eilbedürftigkeit der Leistungen (z. B. ohne die entsprechende Versorgung kann die Schule nicht besucht werden) zügig leistet – also bevor die letztendliche Zuständigkeit für die Übernahme der Kosten geregelt ist.
  2. Handelt es sich bei der vom jeweiligen Träger vorläufig zu erbringenden Leistung nicht um eine Teilhabeleistung i. S. des § 5, greift der Ausschluss des § 24 Satz 3 nicht.

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