0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) mit Wirkung zum 1.1.2020 in das SGB IX eingefügt worden.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift übernimmt für den Bereich der Leistungen der Eingliederungshilfe, die zum 1.1.2020 aus dem Recht der Sozialhilfe im SGB XII herausgelöst und in den neuen Teil 2 des SGB IX eingestellt wurden, Regelungen des § 23 SGB XII zur Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer.

2 Rechtspraxis

2.1 Leistungen an Ausländer (Abs. 1)

 

Rz. 3

Im Gegensatz zu der Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, nach der Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege zu leisten ist, diese Personengruppe hierauf also einen Rechtsanspruch hat, steht die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe an diese Personengruppe im Ermessen der Leistungsträger ("können erhalten") und eine Leistungsgewährung kommt auch nur in Betracht, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Auch dann ist also eine konkrete Einzelfallprüfung und -entscheidung vorzunehmen.

 

Rz. 4

Die Einschränkung auf Ermessensleistungen nach Satz 1 gilt nicht für diejenigen Ausländerinnen und Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten (Satz 2). Damit betrifft die Ermessenseinschränkung folglich nur diejenigen Ausländerinnen und Ausländer, die sich lediglich vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten, etwa bei einem Aufenthalt im Inland zum Zwecke einer Ausbildung.

 

Rz. 5

Mit den Begriffen "Niederlassungserlaubnis" und "befristeter Aufenthaltstitel" bezieht sich der Gesetzgeber an Begriffe des Aufenthaltsrechts. Danach ist die Niederlassungserlaubnis ein unbefristeter Aufenthaltstitel, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, zeitlich und räumlich unbeschränkt ist und nicht mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf (§ 9 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Befristete Aufenthaltstitel sind nach § 6 AufenthG das Visum und nach § 7 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis, wobei in der Praxis nur bei der Aufenthaltserlaubnis ein voraussichtlich dauerhafter Aufenthalt im Bundesgebiet gegeben sein dürfte. Ein Visum dürfte i. d. R. dagegen zeitlich befristet ausgestellt sein.

 

Rz. 6

Satz 3 bestimmt, dass andere Rechtsvorschriften, nach denen Leistungen der Eingliederungshilfe zu erbringen seien, unberührt bleiben. Hier dürften andere Sozialleistungsgesetze nicht gemeint sein, allenfalls Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts. Hier gilt aber ohnehin die allgemeine Vorrangvorschrift in § 30 Abs. 2 SGB I, wonach Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben.

2.2 Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Abs. 2)

 

Rz. 7

Abs. 2 bestimmt, dass Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. In der Begründung des Gesetzentwurfs zum BTHG (BT-Drs. 18/9522) wird darauf hingewiesen, dass auf Leistungsberechtigte, die nach 15 Monaten Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beziehen (sog. Analogleistungsberechtigte) die Regelungen der Eingliederungshilfe für Ausländer nach Teil 2 des SGB IX zukünftig – ebenso wie die Regelungen der Sozialhilfe für Ausländer nach dem SGB XII – entsprechende Anwendung finden sollten, § 2 Abs. 1 AsylbLG solle entsprechend geändert werden.

Durch Art. 20 Abs. 6 BTHG ist § 2 Abs. 1 AsylbLG angepasst worden, indem nach den Wörtern "das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch" die Wörter "und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch" eingefügt wurden. Durch die Erstreckung des Verweises auf den Teil 2 des SGB IX wird sichergestellt, dass Analogleistungsberechtigte nach § 2 Abs. 1 AsylbLG über § 100 Abs. 1 auch über das Jahr 2019 hinaus Zugang zu Ermessensleistungen der Eingliederungshilfe haben.

2.3 Ausschluss des Anspruchs (Abs. 3)

 

Rz. 8

Aufgrund der Regelung in Abs. 3 haben Ausländer, die eingereist sind, um Leistungen der Eingliederungshilfe zu erhalten, keinen Anspruch auf Leistungen. Diese Regelung entspricht in der Sache der Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, nach der Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erhalten, keinen Anspruch auf diese Leistung haben. Es muss also einen finalen Zusammenhang zwischen dem Entschluss zur Einreise und der Inanspruchnahme von Leistungen der Eingliederungshilfe geben. Die Beweislast für das Vorliegen dieses Ausschlussmerkmals obliegt wie bei der Sozialhilfe dem Träger der Eingliederungshilfe.

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