0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit der Einfügung des SGB III in das Sozialgesetzbuch durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz v. 24.3.1997 (BGBl. I S. 594) am 1.1.1998 in Kraft getreten.

Abs. 2 wurde durch das Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenversicherungsschutz- und Weiterbildungsstärkungsgesetz – AWStG) v. 18.7.2016 (BGBl. I S. 1710) mit Wirkung zum 1.8.2016 geändert.

Durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) v. 16.12.2022 (BGBl. I S. 2328) wurde Abs. 2 mit Wirkung zum 1.1.2023 geändert.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift enthält handlungsleitende Regeln für die Agenturen für Arbeit der Bundesagentur für Arbeit. Nach den Zielen und Leistungen der Arbeitsförderung (§§ 1 und 3) sowie der Zuweisung von Verantwortlichkeiten an die Hauptakteure am Arbeitsmarkt (Bundesagentur für Arbeit, Arbeitgeber und Arbeitnehmer) in § 2 erfolgt mit § 4 folgerichtig eine grobe Priorisierung der vielfältigen Handlungsmöglichkeiten der Arbeitsförderung.

Abs. 1 enthält den Grundsatz "Vermittlung vor Leistung aus der Arbeitslosenversicherung". Damit verdeutlicht der Gesetzgeber, dass die Arbeitsförderung nach dem SGB III weit über den Ansatz einer Arbeitslosenversicherung hinausreicht. Bevor die Versicherungsleistung gezahlt werden darf, muss die Agentur für Arbeit Möglichkeiten zur Vermittlung in eine Arbeit oder Ausbildung geprüft und (ohne Erfolg) genutzt haben. Damit wird Integration in Ausbildung und Arbeit zur zentralen strategischen und tatsächlichen Kernaufgabe der Agenturen für Arbeit, was sich insbesondere in ihren geschäftspolitischen Zielen und den Zielvereinbarungen nach § 1 Abs. 3 niederschlagen dürfte. Jede Integration hat bei dem Personenkreis der tatsächlichen oder potenziellen Leistungsempfänger ja auch die bei jeder Versicherung wünschenswerte Folge, dass der Versicherungsfall vermieden oder beendet wird, eine Versicherungsleistung nicht (mehr) gezahlt werden muss. Ebenso dürfte der Handlungsleitlinie des Abs. 1 innewohnen, dass auch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit Vorrang vor der Zahlung der Versicherungsleistung hat. § 36 Abs. 4 ermöglicht den Agenturen für Arbeit jedenfalls Hinweise auf Angebote zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Schließlich steht auch der Gründungszuschuss als für Abs. 1 nicht relevantes arbeitsmarktpolitisches Instrument zur Förderung der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit nach § 93 zur Verfügung. Zugleich hat der Arbeitslose aber ggf. Anspruch darauf, dass ihm seine Versicherungsleistung zeitnah zuerkannt und ausgezahlt wird.

Abs. 2 Satz 1 enthält den Grundsatz der vorrangigen förderungsfreien Vermittlung. Damit stellt der Gesetzgeber ein Regel-Ausnahme-Verhältnis für Vermittlungsaktivitäten auf. Dieses Verhältnis wird nur durchbrochen, wenn ohne eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung eine dauerhafte berufliche Eingliederung nicht möglich ist. Mit diesem Vorrang entspricht der Gesetzgeber den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit beim Umgang mit den Beiträgen zur Arbeitsförderung. Auf den Umgang mit Steuermitteln kommt es nicht mehr an, nachdem der Bund seine Beteiligung an der Arbeitsförderung vollständig gestrichen hat. Der Grundsatz der vorrangigen förderungsfreien Vermittlung blieb zunächst ohne Abstriche auch nach der Neuordnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt erhalten. Für die Frage, welche nachrangige Förderung wiederum aus dem arbeitsmarktpolitischen Instrumentarium Vorrang gebührt, kann auf die Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs. 2, hier insbesondere Nr. 4, zurückgegriffen werden (vgl. in diesem Zusammenhang auch § 5 zum Vorrang der aktiven Arbeitsförderung).

Abs. 2 Satz 2 enthält seit dem 1.8.2016 eine Ausnahme von dem Grundsatz der vorrangigen förderungsfreien Vermittlung. Technisch hat der Gesetzgeber das damit gelöst, dass er einem Tatbestand die Erforderlichkeit für eine dauerhafte berufliche Eingliederung im Gesetz selbst zugesprochen hat. Das betrifft die Personengruppe mit fehlendem Berufsabschluss, die an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnimmt. Die Förderung der beruflichen Weiterbildung hat insbesondere den erfolgreichen Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf zum Ziel. Dazu sind zeitgleich zum Inkrafttreten des Abs. 2 Satz 2 auch die Weiterbildungsmöglichkeiten in § 81 erweitert worden (vgl. § 81 Abs. 3a zur Förderung des Erwerbs von Grundkompetenzen).

Mit Wirkung zum 1.1.2023 hat der Gesetzgeber die Ausnahme in Abs. 2 Satz 2 ausgeweitet. Davon wird seither auch die Personengruppe erfasst, die zwar (noch) nicht ohne Berufsabschluss an einer nach § 81 geförderten Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung teilnimmt, aber voraussichtlich an einer solchen Maßnahme teilnehmen wird. Mit dieser Formulierung wurden auch Bedenken des BSG Rechn...

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