Rz. 3

Abs. 1 Satz 1 enthält einen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen den Leistungsempfänger. Dieser Ersatzanspruch wird von den Agenturen für Arbeit mit Verwaltungsakt geltend gemacht, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Grundlage dafür ist zunächst, dass die Bundesagentur für Arbeit wegen des Bezugs von Alg – hinsichtlich der inzwischen weggefallenen Leistungen Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld kommen keine Fälle (auch aus der Vergangenheit) mehr in Betracht, wie die Änderung der Vorschrift zum 1.8.2016 belegt – die Krankenversicherung für den Leistungsempfänger durchgeführt, insbesondere also die Krankenversicherungsbeiträge entrichtet hat. Die Ersatzpflicht des Leistungsempfängers tritt ein, wenn die Entscheidung über die Bewilligung von Alg rückwirkend aufgehoben und die Leistung vom Bezieher zurückgefordert worden ist. Andere Fallgestaltungen kommen nicht in Betracht, weil bei einer Aufhebung für die Zukunft keine Krankenversicherungsbeiträge mehr entrichtet werden. Zu betrachten ist also stets ein Zeitraum, für den bereits Beiträge abgeführt wurden. Die Vorschrift ist nur relevant, wenn der Aufhebungszeitraum mindestens einen ganzen Kalendertag umfasst. Das ist dann nicht der Fall, wenn durch Berücksichtigung von Einkommen nur ein Teilbetrag für einen Tag zu erstatten ist.

Abs. 1 gilt grundsätzlich auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 HS 1 SGB II). Wie beim Alg gilt auch für die Grundsicherung, dass Abs. 1 Satz 1 nicht anwendbar ist, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Kalendertag rechtmäßig Alg II gewährt wurde.

 

Rz. 4

Die Aufhebung und Rückforderung richten sich nach den §§ 45, 48 und 50 SGB X. Nach § 45 SGB X ist eine Rücknahme für die Vergangenheit nach Maßgabe des § 45 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 SGB X möglich. In diesen Fällen ergibt sich die Pflicht zur Erstattung der Leistung selbst aus § 50 Abs. 1 SGB X. Eine Rücknahme für die Vergangenheit kommt insbesondere auch in Betracht, wenn der Leistungsempfänger die Überzahlung zwar nicht verschuldet hat, aber leicht erkennen konnte, dass die Zahlungsvoraussetzungen nicht vorgelegen haben. Dasselbe gilt für § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Einer rückwirkenden Aufhebung folgt die Erstattungspflicht des Leistungsempfängers nach § 50 SGB X. Nach § 48 SGB X ist die rückwirkende Aufhebung nach einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht nur möglich, wenn der Leistungsempfänger leicht erkennen konnte, dass ihm die überzahlten Leistungen nicht mehr zustanden, sondern auch dann, wenn unabhängig von einem Verschulden durch die Berücksichtigung von Einkommen der Anspruch ganz oder teilweise entfallen ist (beim Alg z. B. Nebeneinkommen nach § 155). Im Übrigen vgl. die Komm. zu den §§ 45, 48, 50 SGB X. Einen Ersatzanspruch nach Abs. 1 Satz 1 kann die Agentur für Arbeit mit dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid verbinden. Es ist nicht erforderlich, dass der Erstattungsbescheid bereits ergangen ist, bevor die Agentur für Arbeit den Ersatzanspruch geltend macht. Die Erstattung von Beiträgen durch den Leistungsbezieher kommt nicht für Zeiten nach dem Tag in Betracht, an dem der Leistungsbezieher seinen gesetzlichen Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten nachgekommen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Leistungen der Krankenkasse in Anspruch genommen wurden, obwohl der Leistungsbezieher, typischerweise aufgrund seiner eigenen Veränderungsmitteilung, Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistungszahlungen hatte. Bei Fällen nach Abs. 1 Satz 1 ist typischerweise kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis begründet worden. Ein Erstattungsanspruch kann sich z. B. daraus ergeben, dass der Arbeitslose der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden hat (§ 138 Abs. 5) und deshalb nicht als arbeitslos anzusehen war.

 

Rz. 5

Abs. 1 Satz 2 regelt den Fall, dass während des Erstattungszeitraums für das Alg ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden hat, z. B. wegen der Aufnahme einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung. In diesem Fall hat die Krankenkasse, bei der die Krankenversicherung der Leistungsempfänger durchgeführt wurde, die für diesen Zeitraum gezahlten Beiträge zu erstatten. Sie hat tatsächlich "doppelte" Beiträge erhalten, aus der Beschäftigung heraus wie auch wegen des Leistungsbezuges bei der Agentur für Arbeit. Aufgrund dieses Erstattungsanspruchs gegen die Krankenkasse entfällt die Ersatzpflicht des Leistungsempfängers. Diese bleibt jedoch bestehen, soweit die Ersatzpflicht nicht vollständig durch die Krankenkasse abgedeckt wird (z. B. hinsichtlich des Zeitraums oder der Höhe der Beiträge). Ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis wird nur durch die Versicherungspflicht nach § 5 SGB V begründet. Ein weiteres neues Krankenversicherungsverhältnis wird aber (z. B. neben dem Bezug von Alg II bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende) nicht durch eine Familienversicherung, eine freiwillige Versicherung oder privat...

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