Rz. 11

Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist der erwerbsfähige Leistungsberechtigte, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt hat oder bezieht, verpflichtet eine eingetretene Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist im SGB II nicht definiert. Da an den Personenkreis der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten angeknüpft wird, ist er jedoch – wie auch im SGB III – anhand des arbeitsrechtlichen Arbeitsunfähigkeitsbegriffes zu bestimmen. Weitgehend übereinstimmende Ergebnisse ergeben sich, soweit die Arbeitsunfähigkeit anhand des krankenversicherungsrechtlichen Begriffs bestimmt wird (vgl. Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 56 Rz. 10). Ausgangspunkt ist daher die ständige Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil v. 25.10.1973, 5 AZR 141/73; BAG, Urteil v. 25.6.1981, 6 AZR 940/78), nach der Arbeitsunfähigkeit vorliegt, wenn:

  1. ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand vorliegt, der dem Arbeitnehmer die Verrichtung der Dienste unmöglich oder unzumutbar macht, oder
  2. der Erkrankte nicht oder nur mit der Gefahr, in absehbarer naher Zukunft seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Kurz gefasst ist arbeitsunfähig, wer aufgrund von Krankheit seine ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann.

 

Rz. 12

Arbeitsunfähig ist jedoch nicht, wer sich zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken in ärztliche Behandlung begibt, wenn der Arzt keine Arbeitsunfähigkeit nach den für ihn verbindlichen (vgl. § 81 Abs. 3 Nr. 2 SGB V) Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien (vgl. § 92 Abs. 1 Nr. 7 SGB V) feststellt. Die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie ist von dem Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelt worden und definiert in § 3 Abs. 3a die Arbeitsunfähigkeit. Danach sind erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende – "Hartz IV") beantragt haben oder beziehen, arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt, nicht in der Lage sind, mindestens 3 Stunden täglich zu arbeiten oder an einer Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.

 

Rz. 13

Soweit das BAG die ausgeübte Tätigkeit als Maßstab heranzieht, ist dies in § 56 nicht im Sinne der zuletzt ausgeübten Tätigkeit, sondern im Sinne jeder zumutbaren Tätigkeit nach § 10 zu verstehen (ebenso Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 56 Rz. 10). Da der Leistungsberechtigte bei Bezug von Bürgergeld gerade keine Tätigkeit ausübt und zur Aufnahme jeder zumutbaren Tätigkeit verpflichtet ist, muss die zumutbare Tätigkeit nach § 10 den Referenzmaßstab bilden. Die Situation ist derjenigen eines Arbeitnehmers vergleichbar, welchem aufgrund vertraglichen Weisungsrechts anderweitige Tätigkeiten zugewiesen werden können (BAG, Urteil v. 25.6.1981, 6 AZR 940/78).

 

Rz. 14

Das BSG (BSG, Urteil v. 19.9.2002, B 1 KR 11/02 R) hat im Ergebnis unter Zugrundelegung des krankenversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriffs ebenso entschieden. Wenn der Versicherte mehr als 6 Monate als Arbeitsloser krankenversichert war, richtet sich die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nach den Anforderungen der letzten Beschäftigung, sondern nach der Tätigkeit, in die der Arbeitslose zumutbar vermittelt werden kann (BSG, Urteil v. 25.7.1985, 7 RAr 74/84).

 

Rz. 15

In der Literatur wird des Weiteren die Eingliederungsvereinbarung als Maßstab angesehen (Rixen, in: Eicher/Luik, SGB II, § 25 Rz. 2). Angesichts der Verpflichtung zur Aufnahme jeder zumutbaren Tätigkeit erscheint die in der Eingliederungsvereinbarung umrissene Tätigkeit nur dann als geeigneter Maßstab zur Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit, wenn ein Profil erstellt und eine Eingliederungsvereinbarung mit inhaltlichen Regelungen zur Tätigkeit getroffen wurde.

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